Seite:Die Gartenlaube (1856) 197.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1856)

Ludwig Storch.

und hohen Kreisen ist er dagegen nicht eben beliebt, auch hat er weder Orden noch Titel, noch Pensionen von thüringischen Fürsten erhalten. Er ist der schlichte, einfache und arme Dichter Storch geblieben.

Schon vor zwölf Jahren sagte O. L. B. Wolff in seiner großen Encyklopädie der deutschen Dichter von unserm Storch: „Wenn man das Leben dieses Mannes kenne, müsse man über seine Leistungen erstaunen.“ Wir wollen versuchen, eine charakteristische Skizze dieses ächt deutschen Dichterlebens zu geben, denn zu einer in’s Einzelne gehenden Darstellung desselben gebricht es der Gartenlaube an Raum. Auch hat Storch sein Leben selbst sehr ausführlich unter dem Titel „Ein deutscher Schöngeist“ beschrieben und uns das Buch, welches noch Manuskript ist, zu unserer Skizze überlassen. Die jetzigen Preßverhältnisse Deutschlands erlauben freilich den Druck dieses sehr interessanten Werkes nicht, doch getrösten wir uns der Hoffnung, daß dasselbe über kurz oder lang gedruckt werden und – wir dürfen diese Ueberzeugung aussprechen – großes Aufsehen machen wird.

Wir entnehmen dem Buche zu unserm Zwecke aus Storch’s Leben folgende kurze Angaben.

Am 14. April 1803 zu Ruhla (gothaischen Theils) im nordwestlichen Thüringerwalde geboren, einziger Sohn eines Arztes, der bei der Geburt des Dichters bereits 78 Jahre alt war, aber noch sieben Jahre lebte, war er von väterlicher wie mütterlicher Seite aus Familien von sehr eigenthümlichen und ungewöhnlichen Verhältnissen entsprungen, die auf sein eignen Schicksal und seine Bildung nicht ohne bestimmenden Einfluß gewesen sind. Von väterlicher Seite stammt er nämlich aus einem Hause, welches seit zwei Jahrhunderten eine Reihe von Aerzten und Wundärzten hervorgebracht hatte, so daß es sich gleichsam von selbst verstand, daß der Sohn wieder Medicin studire, wie der Vater gethan. Der Ahn der Familie war ein Wunderdoktor, wie sie in früherer Zeit in dieser Gebirgsgegend häufig waren, und wie unser Dichter in seinem „Vörwerts-Häns“ einen solchen geschildert hat, und der Sohn desselben, ein für seine Zeit bedeutender medicinischer Schriftsteller, der als solcher sich präcisirt „Pelargus“ nannte, auch Leibarzt der Herzöge von Eisenach und dann des Herzogs Friedrich III. von Gotha und Altenburg. Ein Großneffe desselben war der Vater des Dichters. – Der sterbende Greis ließ sich indeß von der Mutter das Versprechen geben, daß sie den Sohn nicht wolle Medicin studiren lassen, „er habe die Praxis über fünfzig Jahre getrieben, und sei stets im Dunkeln getappt, ja zur Ueberzeugung gekommen, daß die Principien der Heilkunst falsche seien. Ein gewissenhafter Arzt sei ein unglücklicher Mensch, weil er täuschen müsse.

Die Mutter den Dichters war ein Sproß der Familie Gotter,

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1856). Ernst Keil, Leipzig 1856, Seite 197. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1856)_197.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)