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verschiedene: Die Gartenlaube (1856)

auszuliefern (wozu kann nicht Alles das Gesetz verpflichten! Was kann man nicht Alles zum Gesetze machen? –) ruft in Amerika zuweilen Scenen hervor, die der Maler einst malen, der Dichter schildern wird, um in glücklicheren Zeiten schwache Nerven damit zu erschüttern. Ein merkwürdiges Beispiel kam neulich im Staate Ohio vor, wo eine flüchtige Sklavin, Namens Margaret Garner, ihr eigenes Kind tödtete, damit es nicht wieder in die Sklaverei zurückgeschleppt werden könne. Eine Dame, Lucy Stone Blackwell, fühlte solches Mitleiden mit der wegen Kindesmord Gefangenen, daß sie offen den Wunsch aussprach, man möge ihr ein Messer zustecken, damit sie auch sich – der Zurückschleppung in die Sklaverei entziehen könne. Es war von diesem ihrem Wunsche vor dem Gericht die Rede, doch nicht so, wie sie es für richtig hielt. Deshalb nahm sie nach dem Schlusse der formellen Verhandlungen von der Erhöhung, auf welcher die Richter saßen, das Wort und sprach:

„Man hat mir die Mittheilung gemacht, daß Mr. Chambers (einer der Richter) diesen Morgen von meinem Wunsche, der Angeklagten ein Messer zuzustellen, gesprochen habe. Ich wünsche hier, am rechten Platze, zu erklären, was ich sagte und meine Beweggründe dafür.

„Ich bat den Deputirten Marshal Brown nicht um das Privilegium, ein Messer liefern zu dürfen. Wenn Mr. Brown hier wäre, würde er dies bestätigen. Ich bin außerhalb der Stadt gewesen seit Beginn dieser gerichtlichen Verhandlungen und erst gestern zurückgekommen, sonst würde ich jeden Tag hier gewesen sein, um zu versuchen, ob sich etwa etwas für meine unglückliche Schwester thun lasse. Als ich zu ihr sprach von ihrer Freiheit, blitzte ihr Auge mit dem Strahle der Verzweiflung auf, und die Thräne der höchsten Qual rann von ihrer Wange herab. Ihre Lippen zitterten in sprachloser Angst, als ich ihre Hand ergriff und mein Mitgefühl aussprach. Als ich auf ihren sprachlosen, unausdrückbaren Kummer blickte, dachte ich, daß es, wenn jemals, jetzt die rechte Zeit sei, ihr, eine Waffe zu geben, wie es damals, als es unsere Freiheit gegen England galt, die rechte Zeit war, Waffen zu nehmen und zu geben, um die Schlacht am Bunkers-Hügel zu schlagen. Wie die Patrioten damals heilig berechtigt waren, zu sagen: „Laßt uns lieber zu Gott hinauf gehen, statt zurück zur Sklaverei,“ hielt ich auch dieses Weib, welches ihr Kind lieber zu Gott gesendet hatte, statt es wieder in die Sklaverei zurückschleppen zu lassen, für berechtigt, selber lieber zu Gott zu gehen, statt zurück in die Sklaverei. So sprach ich gegen Mr. Brown den Wunsch aus, daß sie ein Messer haben sollte, sich selbst zu befreien, wie ihr Kind. Wer die Liebe einer Mutter ahnen kann, wird das Opfer, das sie gebracht, zu würdigen verstehen. Hatte sie ein Recht, ihr Kind zu befreien, hat sie es auch für sich selbst. So helfe mir der Himmel! Mit meinen eigenen Zähnen würde ich mir eher mein Leben ausreißen, ehe ich mich zur Sklavin machen ließe. Ich bat nicht um das Privilegium, ein Messer liefern zu dürfen. Ich bitte Niemanden um mein Recht. Ich hatte das Recht, einen Dolch in die Hand dieses Weibes zu liefern, dasselbe Recht, welches unsere Vorfahren zu den Waffen rief gegen eine despotische, lächerliche Steuer auf Thee. Ich hoffte, sie noch befreien zu können. Ich hoffe es noch. Ich kenne nicht die Executiven dieses Gerichtshofes. Aber ich zweifle nicht, daß er dem Schrei der Unterdrückten zugänglich sein wird. Er sollte wahr gegen sein Gewissen, wahr gegen das Recht, wahr gegen den Himmel handeln und das Opfer der Unterdrückung seinem Rechte, seiner Freiheit übergeben. Ich mache keine Entschuldigung gegen diesen Gerichtshof, gegen Niemanden für meinen Wunsch, diesem Weibe einen Dolch zu geben. Ich entschuldige mich gegen Niemanden, ich beschönige das Schöne nicht. Ich fühlte dasselbe Recht, mit welchem einst die Patrioten gegen Sklaverei für die Freiheit tödtliche Waffen vertheilten. Gott gab diesem Weibe Liebe für Freiheit und das Herz, sie zu gebrauchen. Wenn sie Freiheit in Gott der Sklaverei unter Menschen vorzieht, wenn sie für ihre Kinder den Schutz der Engel wünscht, statt die Peitsche der Knechtschaft, laßt sie’s haben und in Unsterblichkeit eine Zuflucht gegen Unrecht und Insult finden. Ich sagte Dem, der sie zurück verlangt – ich sage nicht „Besitzer,“ denn Gott hat Niemanden zum Eigenthümer eines andern Menschen gemacht, – daß dies eine geschichtliche Periode sei, daß unsere jetzigen Thaten einst die Feder des Genius beschäftigen, ihn mit Fluch beladen würden, wenn er fortfahre, ein freiheitwürdiges Wesen wieder einzusklaven, mit Ehre und Segen, wenn er ihm die Freiheit, sein Recht gäbe. Als ich in sein gutmüthiges Gesicht sah, in sein mild leuchtendes Auge, dachte ich, er habe ein großmüthiges Herz. Und so bewährte es sich. Milde sagte er, sobald er sie nach Kentucky zurück habe, wolle er ihr die Freiheit geben. Ich hoffe, er wird sein Wort erfüllen. Zugleich mache ich hier in Gegenwart der hier anwesenden Schwestern vor dem Gerichtshofe bekannt, daß wo und wie ich auch Gelegenheit finden werde, dem Gesetze wegen Auslieferung flüchtiger Sklaven zu trotzen und es unschädlich zu machen, dessen Anwendung zu vereiteln, ich es stets thun werde, was auch die Folgen sein mögen.“

So sprach die junge Amerikanerin. Wir fühlen, daß darin Beredtsamkeit, weil ein rechtes Herz, glüht. Der Zeitungs-Berichterstatter fügt hinzu, daß Miß Blackwell im schwarzen Seidenkleide erschienen sei, mit einem braunen Shawl über den Schultern, einem dunkeln Hute und grünen Schleier. Sie sprach geläufig, sicher, ohne Aufregung, ohne jemals ihre Stimme zu heben oder rednerisch zu thun. Sie sprach natürlich, wie in häuslicher Unterhaltung, aber darum um so gewaltiger und eindringlicher. – Solche edele Jungfrauen und Frauen können am Ende noch die Feigheiten und Grausamkeiten der Männer verdammen und die Erde davon befreien.




Zur Geschichte des Sundzolls. Eine geschichtliche Darstellung den Sundzolls dürfte auch den Lesern der Gartenlaube, die den politischen Verhältnissen nicht fern stehen, willkommen sein.

Der Sundzoll rührt aus dem 14. Jahrhundert, und seine Erhebung gab in den folgenden Jahrhunderten Anlaß zu hartnäckigen Kämpfen zwischen Dänemark und dem Bunde der Hansa. Seine erste diplomatische Anerkennung erhielt der Sundzoll durch den im Jahre 1544 zwischen Dänemark und Holland abgeschlossenen Vertrag. Holland verpflichtete sich hiernach, jenen Zoll zu entrichten, und von jener Zeit an erhob ihn Dänemark nach einem mehr oder weniger hohen Tarif, je nachdem die Fahrzeuge begünstigten oder nicht begünstigten Staaten angehörten. Schweden wurde im 17. Jahrhundert vom Sundzoll befreit, aber schon im folgenden Jahrhundert ihm wieder unterworfen. Auch Holland und Preußen hatten sich eine Zeit lang gegen eine jährliche Abfindungssumme der Befreiung vom Sundzolle zu erfreuen, aber diese Ausnahmen waren nur von kurzer Dauer. Der Tarif, wonach noch gegenwärtig der Sundzoll erhoben wird, ward im Jahre 1745 eingeführt. Eine kleine Anzahl verschiedenen Zöllen unterworfene Artikel ausgenommen, setzte dieser Tarif eine Abgabe von 1 Procent des Werths am Ursprungsorte für alle Erzeugnisse fest, welche auf Schiffen geladen sind, die begünstigten Nationen angehören; diese Abgabe beträgt 11/4 Procent für die Waaren an Bord solcher Schiffe, welche die Flagge von nicht begünstigten Staaten führen. Zu der Klasse der letztern gehören gegenwärtig nur noch Portugal, der Kirchenstaat und die Türkei. Die durch diesen Tarif festgesetzte Abgabe von 1 Procent war aber in der That viel höher geworden dadurch, daß der Preis der Waaren, worauf er basirt war, seit der Zeit, wo die ursprünglichen Veranschlagungen gemacht worden, bedeutend gefallen war.

Gegen dieses Mißverhältniß wurden von allen Seiten Reclamationen erhoben, und der am 4. Juni 1841 zwischen Dänemark und Großbritannien abgeschlossene Vertrag trug diesen Reklamationen Rechnung. Durch diesen Vertrag, dessen Vortheile nach und nach auch andern Staaten zu Theil wurden, ward der Zoll auf seinen anfänglichen Fuß von 1 Procent zurückgeführt. – Um die Wichtigkeit der Frage für Handel und Schifffahrt beurtheilen zu können, braucht nur bemerkt zu werden, daß im Jahre 1853 die Zahl der von der Ost- und Nordsee den Sund passirenden Schiffe sich auf 21,512 belief. Diese Zahl sank im Jahre 1854 in Folge politischer Umstände auf 16,367. Vor einem Jahrhundert, im Jahre 1750, betrug sie nur 4500. Die schwedische und englische Flagge sind in dieser Schifffahrtsbewegung am stärksten vertreten. Von den für das Jahr 1853 angeführten Schiffen kommen 5407 auf Schweden und 4668 auf Großbritannien; dann kommen Preußen mit 3472, Dänemark mit 2094 und Holland mit 1874 Fahrzeugen. Die Vereinigten Staaten von Nordamerika, welche gegenwärtig bekanntlich gegen den Fortbestand des Sundzolls die Initiative ergriffen haben, haben bei der Frage nur ein untergeordnetes Interesse, da die Zahl ihrer im Jahre 1853 den Sund passirenden Schiffe nur 96 betrug. Es ist dabei jedoch zu beachten, daß die Fahrzeuge der Union gewöhnlich von starkem Tonnengehalt sind und Waaren von ziemlich hohem Werthe befördern. Dänemark zog im Jahre 1853 aus dem Sundzoll eine Einnahme von 1,600,000 Thalern, wovon mehr als zwei Drittel von England gezahlt wurden. Die Beibehaltung dieses Einkommens liegt begreiflicherweise sehr im Interesse Dänemarks, dessen Gesammteinnahme sich nur auf etwa 10 Millionen Thaler beläuft. Außer der Haupttaxe entrichten die Schiffe dem Sundzollamte noch ziemlich hohe Abgaben an Leuchtthurms-, Lootsen- und andern Gebühren. Bekanntlich verlangt das Kabinet von Washington, nachdem es sich anfänglich einer Ablösung des Sundzolls durch eine auf einmal gezahlte Entschädigung nicht abgeneigt gezeigt, jetzt die völlige Aufhebung desselben als ein Recht und hat erklärt, den Zoll für die amerikanische Flagge vom 26. April 1856 an, mit welchem Datum der 1826 zwischen den Vereinigten Staaten und Dänemark abgeschlossene Vertrag abläuft, als nicht mehr bestehend betrachten zu wollen. Die nordamerikanische Regierung hat jedoch neuerdings den Vertrag noch um zwei Monate verlängert, und andererseits weiß man auch, daß das kopenhagener Kabinet in eine Ablösung den Sundzolls einwilligt und zur Grundlage der Kapitalisirung desselben eine Erhebung von 25 Jahren und ein Interesse von 4 Procent annimmt, was eine Summe von 38 Millionen ergeben würde, welche auf alle Staaten, deren Handel von der Maßregel Nutzen ziehen würde, zu vertheilen wäre. Was England betrifft, so willigt dies zwar, wie es neuestens heißt, in die Ablösung des Sundzolls ein, aber nicht nach dem von Dänemark vorgeschlagenen System; es soll diesem System einen Gegenvorschlag entgegengestellt haben, oder auch, wie es andererseits heißt, zur Erwägung neuer Vorschläge sich bereit erklärt haben.

Das ist die Geschichte des Sundzolls und der gegenwärtige Stand desselben.


Für die Abgebrannten in Eibenstock ging bei dem Verleger der Gartenlaube ein:

Hr. F. W. Thieme in Güldengossa 7 Ngr. 5 Pf. – J. G. F. 2 Thlr. – A. H. 15 Ngr. – Eine Dame 10 Ngr. – H. in Ronneburg 1 Thlr. – Hr. Förster Uhlemann 1 Thlr. – N. E. P. in Th. 1 Thlr. – Aus Torgau. Petschaft C. F. C. 1 Thlr. – E. K. 10 Thlr. – Linna 1 Thlr. – Alfred 10 Ngr. – Gretchen und Melanie 10 Ngr.


„Aus der Fremde“ Nr. 16 enthält:

Ein Ungläubiger in der Stadt des Propheten (Schluß). – Das Leben in den Pampas. (Schluß) – Ein Bambuswald. Mit Abbildung. – Im Hause eines Kurden-Fürsten. – Aus allen Reichen: Amerikanische Briefe. – Aus Honolulu. – Ein deutscher Mörder in New-York. – Ein scandalöser Scheidungsproceß.


Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.

Empfohlene Zitierweise:
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