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Friedrich Halm

Der Dichter des Fechters von Ravenna.

Während der Streit über das geistige Eigenthumsrecht des „Fechters von Ravenna“ durch das nach langem Hoffen und Spannen erfolgte Bekenntniß Halm’s für alle Nicht-Bacherl seinen endlichen Abschluß erhalten hat, ist derselbe jetzt durch das wuthentbrannte Streben der Bacherl-Ritter in eine neue Phase getreten. Halm’s, des Dichters der „Griseldis“, des „Sohnes der Wildniß“ Concurrent, der Dorfschulmeister Bacherl, hat den Rechtsweg betreten müssen, angestachelt durch die Lanzen seiner Ritter, die das verkannte Genie nun einmal um jeden Preis zum allgemeinen Verständnisse bringen wollen, und es ist bereits so weit gekommen, daß die von Vaterlands- und anderen Gefühlen seligen Münchener emsig den gefeierten Namen Halm von den Theaterzetteln kratzen und den ihres ländlichen Pädagogen an seine Stelle setzen.

Es liebt die Welt, das Strahlende zu schwärzen
Und das Erhabne in den Staub zu ziehn!

Wenden wir uns von diesem etwas lächerlichen Treiben zu freundlichern Gestalten, zu unserm Halm, den wir als eine der schönsten Blüthen im deutschen Dichterkranze verehren, und von dem wir, indem wir unsern Lesern sein ansprechendes Bildniß geben, sagen können, daß sich in ihm manch’ schöne und seltne Tugend eint, vor Allem aber jene, die Wissen und Bescheidenheit Hand in Hand gehen läßt.

Friedrich Halm – Eligius Franz Joseph Freiherr von Münch-Bellinghausen – wirkl. k. k. Hofrath und erster Custos der k. k. Hofbibliothek, Ritter des k. bayr. Verdienstordens vom heil. Michael, des k. dän. Danebrogordens und der ersten Klasse des großherzogl. sächs. Hausordens vom weißen Falken, wurde am 2. April 1806 zu Krakau geboren, wo sein Vater, Cajetan Freiherr von Münch-Bellinghausen, Appellationsrath war, bis er, vom Kaiser Franz I. des vollsten Vertrauens und besonderer Gunst gewürdigt, später zum Staats- und Conferenzrathe befördert wurde. Es lag nahe, daß der Sohn eines so ausgezeichneten Staatsmannes, der auf das Justizwesen der ganzen Monarchie einen ebenso entschiedenen als wohlthätigen Einfluß hatte, vorzugsweise zum Staatsdienste berufen schien, aber obwohl er für diesen mit Sorgfalt und, wie die spätere Zeit lehrte, mit Erfolg herangebildet wurde, pulsirte schon in dem Knaben jene dichterische Ader, die ihn in seinen Mußestunden Repertoire für sein kleines Theater entwerfen und Schiller’sche Stoffe dramatisiren ließ. Die Edler’sche Kunsthandlung am Graben in Wien lieferte ihm damals Dekorationen und Schauspieler. – Nach beendigten Gymnasialstudien trat Halm im Jahre 1819 als öffentlicher Zuhörer in die philosophischen Studien an der wiener Hochschule, ein schmächtiger, hoch aufgeschossener, schweigsamer Jüngling mit sprechendem, aber auffallend schwachem Auge, dichtem Haar, etwas gedämpfter Stimme, einfach, in sich verschlossen und wortkarg, aber einnehmend durch sein anspruchsloses Aeußere, das ein desto regsameres Leben im Innern zu bergen schien. Schon in dem dreizehnjährigen Dichter machte sich die Neigung zur Pseudonymität bemerklich, in der er seine damaligen dichterischen Ergüsse, die indeß nicht zum Druck gelangten, bald mit El. Mayer, bald mit E. Belling unterschrieb. So wuchs er, in seinen Büchern und Träumen lebend, in stiller Einsamkeit auf, und es wurde ihm die seltene Selbstständigkeit zu Theil, schon mit dem 20. Lebensjahre seine Studien beendet, sein erstes Trauerspiel geschrieben und den Hafen einer glücklichen Ehe erreicht zu haben.

Diese gänzliche Umgestaltung aller seiner Verhältnisse, weit entfernt, seiner Neigung zum dichterischen Schaffen Eintrag zu thun, belebte sie vielmehr zu höherem Schwunge, aber in der edelsten

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verschiedene: Die Gartenlaube (1856). Ernst Keil, Leipzig 1856, Seite 249. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1856)_249.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)