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verschiedene: Die Gartenlaube (1856)

Hierzu eignen sich ganz besonders Stämme von sogenanntem Naturholz mit rauher Rinde, am besten Eichenholz. Die Seiten bleiben ganz oder nach der Aussichtsseite offen, doch mögen sich zuweilen von den Säulen-Stämmen, namentlich, wenn diese Aeste haben, die Ranken der Kletterpflanzen gleichsam, wie eigenmächtig und des Zwanges spottend, bald tiefer, bald höher nach der Seite verbreiten.

Die Benutzung der Bäume als Lauben ist, mit Ausnahme der aus Hängebäumen, nicht häufig, und Viele mögen sie sogar nicht als Lauben betrachten, indem sie nur an die backofenförmigen, häßlichen, geschlossenen Lauben denken. Gleichwohl haben solche Schattenplätze, wie ich schon oben angedeutet, unbestreitbare Vorzüge in Bezug auf Schönheit und Annehmlichkeit, und sind auch billig herzustellen und zu unterhalten. Viel häufiger sind die aus Sträuchern und Hecken gebildeten Lauben. Ihr Urbild ist das zu einem dichten Laubdach verwachsene Gebüsch. War die Decke nicht von selbst dicht und schließend, so zog der Besucher solcher heimlichen Plätze die Aeste oben und an den Seiten zusammen und flocht die Zweige zu einer dichten Wand und Decke zusammen.

Dies waren jedenfalls die ersten eigentlichen Lauben. Man suchte darin Schutz gegen die Sonne, Regen und Wind, wohl auch ein Versteck, wie es noch heute bei Hirten, Jägern u. s. w. Brauch ist, und von Kindern so gern nachgemacht wird. Wer das Glück gehabt hat, seine Jugend auf dem Lande zu verleben, wird sich mit wehmüthiger Lust an die Zeiten erinnern, wo im Ufergebüsch oder am Bergrande verborgene Lauben gebildet wurden, die nur den vertrautesten Freunden bekannt waren. Ja oftmals ersah dazu der kühne größere Knabe die Krone einer buschigen Kopfweide oder den dichten Wipfel eines großen Baumes, brachte einen Sitz, wohl auch ein Bret zum Schreiben an, versuchte auf diesem Plätzchen, das gewöhnlich einen romantischen Namen erhielt, seine Ferienarbeiten zu machen, ohne jemals etwas fertig zu bringen, oder machte wohl gar Verse. Auch wenn der knabenhafte Jüngling schon von blauen Augen und blonden Haaren träumt und sich das Ideal der künftigen Liebe ausmalt, ist diese Laube der beliebteste und beste Ort. In den Strudel des geschäftlichen Lebens geworfen und älter geworden, belächeln wir solche Kindereien: und doch wie schön, wie glücklich war jene Zeit!

Man verzeihe diese kleine Abschweifung. Lassen wir jene Urbilder von Lauben für Kinder und Verliebte, für Erwachsene sind sie nicht, denn wir fühlen uns bei längerm Aufenthalte beengt und gedrückt. Es fehlt darin an Licht; wir sind größer geworden und verlangen einen größeren freien Raum um und über uns. Gleichwohl sind sie in gewisser Form auch im Garten, besonders in Landschaftsgärten schön. Zwei Rosenbüsche oder andere schöne Sträucher mit überhängenden Aesten nahe am Wege stehend, oben zusammengewachsen oder künstlich zusammengezogen, mit einem Busch im Rücken ohne alles Geländer oder nur einen einfachen Bogen bildend, und nicht größer als nöthig ist, um eine Bank oder einige Stühle, vielleicht noch einen Tisch hinein zu stellen: eine solche einfache Laube ist für eine oder einige Personen ein höchst angenehmer Aufenthalt. Sie muß aber unbedingt nach einer Seite offen sein und nur ein Laubdach über den Sitz bilden.

Den Wenigsten mochte diese einfache Form genügen, auch wollten sie in den in regelmäßigen Formen angelegten Garten nicht recht passen. Man verlangt eine künstlichere, mehr architektonische Form, umgab den Platz mit einer dichten Hecke und zog die Zweige oben dicht zusammen, so daß kaum ein Sonnenstrahl einfallen konnte. Damit das Ganze Form behielte, so wurde ein Holzgestell angebracht. Eine Thür war meist die einzige Oeffnung, zuweilen wurden ein Paar regelmäßig vertheilte und geformte Fensteröffnungen angebracht. Das Ganze wurde mit Bänken und Tischen versehen. Dies wurde die gewöhnliche bürgerliche Gartenlaube, gleichsam der Typus aller Lauben, wie sie uns noch allenthalben, obschon meist in verwildertem Zustande begegnen. Hören wir, welchen Genuß und Nutzen sie bringen: In den ersten Jahren der Anlage, wenn die Hecken von Linden, Weißbuchen etc. noch dünn sind, und das Lattendach vielleicht mit Feuerbohnen, Winden oder Kürbis bedeckt ist, setzt man sich oft hinein, beklagt aber, daß sie bei Sonnenschein nicht schattig genug sei, und freut sich auf die Zeit, wenn sie erst ganz dicht sein wird. Die Laube wird dicht, endlich wölben sich die Aeste zur Decke wie ein Backofen zusammen und kein Sonnenstrahl dringt mehr durch. Der Gartenbewohner Wunsch ist nun erfüllt. Gleichwohl bleibt Niemand lange darin, man trinkt, wenn es heiß ist, allenfalls Kaffee, schnappt aber bald nach freier Luft und schlägt nach Mücken, deren Lieblingsaufenthalt solche Lauben sind. Gegen Abend nach Sonnenuntergang will gar Niemand mehr in der Laube sitzen, und man sucht sich gern freie Plätze aus, von wo man das verschwindende Abendroth und die nach und nach erscheinenden Sterne sehen kann. Der Boden darin ist fast immer feucht; die Bänke und Tische werden morsch und überziehen sich mit Moos. Die Sperlinge übernachten in dem dichten Astgeflecht und beschmutzen Tische und Bänke; Spinnen überziehen das Innere massenweise mit ihren Netzen zum Mücken- und Fliegenfange. Zuletzt dient die Laube nur noch als Versteck für das Dienstmädchen, wenn es ihrem Schatz ein spätes Stelldichein giebt, und zum Frühstücks- und Faulenzerplatz für Gartenarbeiter. – Nein! solche Lauben lege man nicht mehr an, und wer noch eine im Garten hat, haue sie ab oder halte sie wenigstens nach einer Seite ganz offen. Will man solche Hecken-Lauben bilden, so dürfen es nur bogenförmige Nischen sein, die den Sitzplatz wie einen Sonnenschirm schützen. Solche Plätze sind in Gartenwirthschaften sehr zweckmäßig und erwünscht, weil sie verschiedene Gesellschaften absondern, und man kann deren an den Seiten eines breiten Weges eine Menge anbringen.

Als sich im siebenzehnten Jahrhundert der französische architektonische Gartenstyl ausbildete, spielten diese Lauben eine große Rolle und wurden zu einer außerordentlichen Vollkommenheit gebracht. Zwar findet man schon Spuren von förmlichen Laubengängen bei den Römern unter den Kaisern; aber an eine solche Mannigfaltigkeit der Formen, wie in den späteren französischen Gärten nach Le Notre’s Erfindung war nicht zu denken. Da gab es Lauben, welche Häuser mit verschiedenen Zimmern und Sälen, andere, die Speisesäle, Tanzsäle, Tempel, Kapellen, offene Säulenhallen und andere Dinge mehr vorstellten. In den größeren Gärten sah man gerade oder kreisförmige Laubengänge von großer Länge, mit saalartigen Erweiterungen, entweder mit Fensteröffnungen versehen oder nach einer oder auch zwei Seiten offen und blos auf Heckensäulen ruhend. Das sogenannte Berceau beschattete ganze Wege und war gewöhnlich oben zugerundet. Selbst ganze Bäume waren zu Lauben verschnitten und stellten ein Haus oder einen Thurm mit verschiedenen Stockwerken vor, die man auf Treppen erreichen konnte. Bei Festlichkeiten von zahlreichen Menschen belebt, dabei oft noch mit Statuen verziert, mochten diese Laubengebäude glanzvoll genug aussehen, und der erste Anblick solcher Künsteleien, wovon hier und da noch einige leidlich erhalten sind, riß zur Bewunderung hin; aber sie konnten nur für den ersten Augenblick gefallen und mußten bald als langweilig und zwecklos erscheinen. Eine solche Vereinigung von Laubgebäuden hat das traurige Ansehen einer unbevölkerten Stadt.

Wir kommen nun zu den Lauben, wo das Gestell von Holz die Form bedingt, indem die dazu verwendeten Pflanzen zu schwach sind, um sich selbst zu halten. Dies sind die echten vervollkommneten Lauben. Sie gewähren Schutz, Schatten und Abgeschlossenheit, ohne dumpfig und düster zu werden. Sie werden nur mit leichten Pflanzen bezogen, entweder mit förmlichen Schling- und Kletterpflanzen, sowohl holz- als krautartigen, oder mit andern dünnzweigigen schönblühenden Pflanzen. Obschon vollkommen grün, müssen sie doch das Licht nicht zu sehr abschließen und selbst einzelnen Sonnenstrahlen Eingang gestatten, was der Kühlung nichts benimmt. Alle Zweige müssen auch von inwendig mit Blättern besetzt sein, so daß das Auge überall Grün, nie abgestorbene und zu Hecken verwachsene Aeste sieht. Wenn nicht besondere Ursachen zur Abgeschlossenheit vorhanden sind, so halte man sie nach zwei, wenigstens nach einer Seite ganz offen oder bringe hinlänglich große Oeffnungen an. Je dichter die Bekleidung der Laube mit Blättergrün ist, desto offener müssen die Seiten bleiben. Die Höhe richtet sich nach der Größe und sollte bei kleineren Familienlauben nicht unter 10 Fuß, bei großen Gesellschaftslauben nicht unter 15 Fuß, bei ganz kleinen Nischenlauben, welche nur eine Bank überwölben, nicht unter 6 bis 7 Fuß betragen. Je höher die Laube ist, desto angenehmer wird der Aufenthalt darin.

Die schönsten, zweckmäßigsten und leichtesten Lauben sind solche, die mit Kletterpflanzen (Schling-Rankenpflanzen) bezogen werden. Darunter verstehen wir alle Pflanzen, die von der Natur

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verschiedene: Die Gartenlaube (1856). Ernst Keil, Leipzig 1856, Seite 268. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1856)_268.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)