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verschiedene: Die Gartenlaube (1856)

No. 22. 1856.
Die Gartenlaube.

Illustrirtes Familienblatt. – Verantwortl. Redakteur Ferdinand Stolle.

Wöchentlich 11/2 bis 2 Bogen. Durch alle Buchhandlungen und Postämter vierteljährlich für 15 Ngr. zu beziehen.

Wie gefällt Ihnen meine Braut?
Von Heinrich Smidt.
(Schluß.)

Unterdessen war es dem Onkel Bastian im Kopfe herumgegangen, daß der Peter mit seiner Waldgans zur Tante Emerentia gegangen sei und diese günstig für seine Pläne stimmen könne.

Da ihm der Gedanke unerträglich war, die Einfalt vom Lande in der Familie zu haben und sie vielleicht in seinem Hause empfangen zu müssen, machte er sich sofort auf den Weg, um dies Schreckliche zu verhindern, und trat in das Zimmer der Schwester, als diese gerade über die arme Johanna das Anathema ausspräch. Er blieb unfern der Thür stehen, den Hut auf dem Kopf behaltend und rief:

„Was geht hier vor?“

„Ich sterbe!“ sagte Tante Emerentia plötzlich schwach.

„Das wäre kein Unglück!“

„So ein junger Naseweis!“

„Aha, der Neffe! Um seinetwillen bin ich hier. Da steht er und hat die Mamsell Liebste bei der Hand. Er will sie heirathen. Was sagst Du?“

„Nimmermehr!“

„Du willst es nicht? Bravo! Ich will es auch nicht. Bravissimo! So eine Duckmäuserin!“

„So ein Weltkind!“

„So eine Kopfhängerin!“

„So eine Sabbathschänderin!“

„So eine Bauerneinfalt!“

„So eine Kokette!“

„Soll nicht in die Verwandtschaft!“

„In Ewigkeit nicht!“

„Schwester Emerentia!“

„Bruder Bastian?“

„Wir sind selten einig!“

„Niemals!“

„Aber diesmal sind wir es. Die Jungfer da –“

„Wird Peter’s Frau nicht. Punktum!“

„Abgemacht! Ich komme sobald nicht wieder daher.“

Onkel Bastian sprach es und war auf und davon.

Johanna schwamm in Thränen, und Peter, dem selbst das Weinen näher war als das Lachen, führte sie, ihr tröstlich zusprechend, in das Haus der Frau Muhme.

Geduldig hörte diese die Klagelieder der jungen Leute an und sagte darauf: „Nichts ist so schlimm als es Anfangs aussieht. Man muß nur den Muth nicht verlieren. Als ich von meinem Vater, der bei einer kleinen Truppe Schauspieler war, gezwungen ward, auf dem Theater zu tanzen und zu springen, wollte ich mir auch die Augen aus dem Kopfe weinen, weil die Eltern des jungen Mannes, mit dem ich halb und halb versprochen war, von einer Theaterprinzessin nichts wissen wollten. Am Ende ging es leidlich; mein’ Bischen Comödienspielen hat mir oft genützt und den guten Franz habe ich doch schließlich zum Manne bekommen. Darum sage ich Dir, mein Kind, daß Du Deine Sache dumm gemacht hast. Was der Mensch nicht ist und nicht sein kann, muß er den Narren zu gefallen oft scheinen – das will ich Dir später deutlich machen. Jetzt bleibst Du bei mir und der Peter geht auf das Gut zurück. Wenn er über’s Jahr wieder kommt, um den Pacht zu bringen, wollen wir weiter von der Geschichte sprechen.“

Das wollte weder dem Peter noch der Johanna in den Kopf; aber sie mußten sich fügen. Nach einem herzbrechenden Abschiede fuhr Peter zur Stadt hinaus, und wer kann sagen, wie lang ihm das nun folgende Jahr geworden. Endlich aber, wie denn Alles einmal ausläuft, kam auch der lang ersehnte Tag heran, und Peter fuhr, was seine beiden Rappen laufen konnten, vom Pachthofe herunter.




II.

„Brr!“ rief der Kutscher zur Mittagsstunde, und die Kalesche hielt, statt bei dem Onkel oder der Tante, vor dem Hause der Muhme. Peter sprang heraus und meinte, die Johanna werde ihm nun gleich um den Hals fallen. Aber sie kam nicht. Verdutzt ging er in das Haus und in die Stube, wo die Muhme auf seine stürmischen Fragen gelassen antwortete, die Nichte sei nicht daheim, denn Onkel Bastian gebe heute ein Gala-Diner, und Johanna mache daselbst schon seit längerer Zeit die Honneurs des Hauses. Kopfschüttelnd entfernte er sich und kam, wie im wachen Traum in dem Hause des Onkels an.

Das war ein Durcheinander und Uebereinander, und wie viele galonnirte Diener auch umherliefen, er fand kaum Einen, der ihm Rede stand und halb hinhorchend erwiederte:

„Sprechen Sie doch selbst mit dem gnädigen Fräulein! – August, führen Sie diesen Mann, der mit dem gnädigen Fräulein zu sprechen hat.“

August that es und ging mit ihm durch mehrere Zimmer; fragte Jeden, wo das gnädige Fräulein sei, und ob Keiner dieselbe gesehen habe?

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1856). Ernst Keil, Leipzig 1856, Seite 285. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1856)_285.jpg&oldid=- (Version vom 9.5.2017)