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verschiedene: Die Gartenlaube (1856)

Klima und geben immerhin in verschiedenen Lagen noch einen verschiedenen, durch ein besonderes Aroma charakterisirten Wein.

Die Weintraube besteht aus vielen, mehr oder weniger eng aneinander liegenden, an Knoten zusammenhängenden Stielchen (die zusammen den sogenannten Traubenkamm, die Trester bilden) sitzenden Beeren, die rund oder länglich, verschieden groß, von weißer bis gelber, röthlicher bis schwarzblauer Färbung in den verschiedensten Schattirungen, sind. Diese Beeren schließen in einer ungleich zarten häutigen Hülle ein sehr saftreiches, feinzelliges Mark ein, in dessen Mitte mehrere kleine birnförmige harte Kerne sitzen; sie sind im unreifen Zustande undurchsichtig, hart und sehr sauer, werden aber beim Reifen, von Außen nach Innen durchscheinend, weich und süßschmeckend. Je wärmer die Temperatur, bei welcher sie reif werden, desto zarter ihre Hüllen und desto süßer ihr Geschmack.

Die einzelnen Theile der Weintraube sind: die Stiele (Trester oder Kamm), die häutigen Hüllen der Beeren, die Samen oder Weinbeerkerne und der Traubensaft nebst dem Marke der Beeren. Obschon der Wein vorzüglich nur aus dem eigentlichen Traubensafte entsteht, so gehen doch unter Umständen auch von den andern Theilen der Weintraube einzelne Bestandtheile in den Wein über.

Die Stiele oder Weinkämme sind im frischen Zustande krautig, ziemlich saftig und enthalten einen bitter und herb (adstringirend) schmeckenden Saft, dessen Hauptbestandtheil die Chemiker „Gerbsäure, Gerbstoff, Tannin“ nennen. Die Gerbsäure findet sich in mehr oder weniger großer Menge in allen höher entwickelten Pflanzen, ist daher jedenfalls für das Pflanzenleben von Bedeutung. Sie besteht aus den drei Elementen Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff, und wird am reinsten und in größter Menge in den Galläpfeln, der Eichenrinde, überhaupt der Rinde mancher Bäume angetroffen. Sie ist ein hellgelbes, geruchloses Pulver, schmeckt außerordentlich herb und zusammenziehend, löst sich in Wasser und Weingeist leicht auf, färbt sich an der Luft nach einiger Zeit braun und verändert sich, wenn sie sich in wässeriger Lösung befindet. Nur im ganz trockenen Zustande kann sie Jahre lang ohne Veränderung aufbewahrt werden. Setzt man eine Gerbsäure haltende Flüssigkeit zu einer Eisenlösung, so entsteht eine dunkelblauschwarze Flüssigkeit (die gewöhnliche Tinte). Legt man thierische Häute, die man vorher gut gereinigt hat, in eine Lösung von Gerbsäure in Wasser, so ziehen dieselben die Gerbsäure an und vereinigen sich mit ihr zu dem zähen Leder. Auch mit Eiweiß und allen eiweißähnlichen Substanzen bildet die Gerbsäure sehr zähe, der Fäulniß widerstehende, im Wasser unlösliche Verbindungen. Man kann sie daher dazu benutzen, um aus Flüssigkeiten eiweißartige Stoffe niederzuschlagen, eine Flüssigkeit von solchen Stoffen zu befreien. Diese wichtige Substanz ist also in reichlicher Menge in den Traubenkämmen enthalten und geht aus diesen, bei zu starkem Pressen der Trauben oder wenn man die Kämme mit dem Safte gähren läßt, zum Theil in den Wein über. Uebrigens läßt man die Trestern oder Traubenkämme nicht unbenutzt liegen. Entweder übergießt man sie mit Wasser, setzt Zucker zu, läßt gähren und erhält so den angenehm erfrischend schmeckenden, sehr haltbaren Tresterwein, oder man läßt die Trestern für sich allein gähren und bereitet Weingeist (Tresternbranntwein) oder Essig daraus; oder man benutzt sie zur Fütterung des Viehes, als Düngungsmittel, oder zur Pottaschenbereitung.

Die häutigen Hüllen der Beeren, die sogenannten Traubenschalen sind bei guten, völlig reifen Traubensorten sehr dünn, enthalten aber wie die Traubenkämme, Gerbsäure, und wenn sie gefärbt sind, mehr oder weniger von einem blauen Farbstoffe. Die Hüllen der weißen oder gelben Trauben sind frei von Farbstoff. Die blauen, überhaupt die gefärbten Trauben (mit Ausnahme der sogenannten Färbertrauben) enthalten die ganze Menge ihres Farbstoffes in ihren Hüllen. Der Saft, selbst der dunkelsten Beeren ist so farblos, daß er, wenn man ihn für sich allein gähren läßt, weißen Wein liefert. Aus den blauen Trauben erhält man daher nur dann „rothen Wein,“ wenn man die Trauben zerquetscht und den ausgetretenen Saft gemeinschaftlich mit den Hüllen der Gährung unterwirft. Der blaue Farbstoff wird hierbei nebst Gerbsäure aus den Schalen ausgezogen und nimmt in der Säure enthaltenden gegohrenen Flüssigkeit eine rothe Farbe an, deren Stärke und Lebhaftigkeit von der Menge der vorhandenen Säure abhängig ist. Der herbe Geschmack, durch welchen sich die rothen Weine von den weißen unterscheiden, wird durch ihren Gehalt an Gerbsäure bedingt, welche, wie wir eben gesehen haben, mit dem Farbstoffe aus den Beerenhüllen ausgezogen wird und in dem Weine verbleibt.

Die Weinbeerkerne bilden das Centrum der Beeren, enthalten ebenfalls viel Gerbsäure und ein grünlich gelbes, unangenehm ranzig riechendes und schmeckendes fettes Oel, in einer Menge von 4–5 Procent. Wahrscheinlich ist auch dieses Oel für die Weinbereitung von Wichtigkeit, indem es die Substanzen enthält, welche zur Bildung des Weingeruches Veranlassung geben. Es wird zuweilen aus den Kernen gepreßt und dann als Brennöl benutzt; auch dienen die Weinbeerkerne zum Schönen des Weines.

Der Traubensaft endlich, der zwischen dem schwammigen Marke der Beeren sitzt, ist für die Weingewinnung natürlich der wichtigste Theil. Er ist im frisch gepreßten Zustande trübe, gelblich, schmeckt angenehm süß und wird „Most“ genannt. – Er besteht aus Wasser (70–80 Procent), in welchem hauptsächlich folgende Stoffe aufgelöst vorkommen: mehrere Säuren, Zucker, Eiweißkörper, Gallertsubstanzen und Gummi, etwas Fett und verschiedene mineralische, namentlich phosphorsaure Salze. – Von den Säuren sind im Traubensafte mit Bestimmtheit die Weinsteinsäure oder Weinsäure, die Traubensäure und die Aepfelsäure nachgewiesen worden. Einige wollen auch Citronensäure darin gefunden haben. Die Weinsteinsäure fehlt dem Safte reifer Weintrauben niemals, ist also einer der charakteristischen Bestandtheile desselben und findet sich darin theils frei, theils verbunden mit Kali und Kalk. Sie ist eine sehr starke organische (das heißt, aus Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff bestehende) Säure, schmeckt rein und angenehm sauer, kann aber in ihrer Lösung leicht eine allmälige Zersetzung erleiden. Die Traubensäure ist der Weinsteinsäure chemisch ganz gleich, unterscheidet sich von dieser nur durch etwas andere Eigenschaften, so z. B. durch ihre schwerere Löslichkeit in Wasser, und dadurch, daß sie mit Kalk ein viel unlöslicheres Salz bildet. Sie kommt nur zuweilen im Traubensafte vor und scheint dann die Weinsteinsäure darin zu vertreten. Am Häufigsten findet man sie in dem Saft der in den heißeren Ländern gereiften Weintrauben. Die Aepfelsäure ist in großer Menge in dem Safte der unreifen Weintrauben vorhanden, verschwindet aber während des Reifens fast ganz oder vollständig, und scheint in der Beere in Weinsteinsäure, vielleicht auch in Zucker verwandelt zu werden. Der Gehalt des Traubensaftes an Säure ist sehr verschieden; doch zeigt er sich sehr bedeutend, so lange die Trauben noch nicht ganz reif sind, und nimmt dann erst in den letzten Tagen des Reifens auffallend schnell ab, woraus hervorgeht, daß es rathsam ist, die Trauben möglichst reif werden zu lassen, bevor man mit der Lese beginnt. Wir werden nachher sehen, daß der Gehalt des Traubensaftes an Säuren von größtem Einflüsse auf den daraus entstehenden Wein ist, und daß nicht nur ein Uebermaaß, sondern auch ein Mangel an Säure in dem Safte von Nachtheil ist. Es ist daher für Jeden, der sich praktisch mit der Weinbereitung beschäftigt und eines günstigen Resultates sicher sein will, unumgänglich nothwendig, den Säuregehalt im frischen Traubensafte bestimmen zu können, was um so leichter ist, als man hierzu ein sehr einfaches Instrument eingerichtet hat, welches wir, um hier nicht zu weitläufig werden zu müssen, in einem besonderen Nachtrage zu unserer Betrachtung beschreiben werden. Nur so viel bemerken wir hier, daß ein Most in je 1000 Theilen nicht viel mehr und nicht viel weniger als 7 Theile freie Säuren enthalten darf. – Der Zucker des Traubensaftes wird Traubenzucker oder Krümelzucker genannt. Derselbe ist chemisch etwas anders zusammengesetzt und besitzt andere Eigenschaften als der gewöhnliche Zucker, den man aus dem Zuckerrohr, den Runkelrüben, dem Schafte der Palmblüthen, dem Zuckerahorn, der Zuckerhirse und anderen Pflanzen abscheiden kann. Der Traubenzucker enthält wie die meisten, die Pflanzen bildenden Stoffe, die drei Elemente, Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff, die auch den gewöhnlichen Zucker zusammensetzen, nur sind Wasserstoff und Sauerstoff in dem ersteren in etwas größerer Menge, als in dem letzteren vorhanden. Der Traubenzucker ist schwieriger in Wasser löslich, besitzt keinen so süßen Geschmack und bildet keine so großen Krystalle, wie der gewöhnliche Zucker; er findet sich im Pflanzenreiche, besonders in vielen Früchten häufig, bildet einen Hauptbestandtheil des Bienenhonigs, wird zuweilen bei krankhaften Zuständen (Harnruhr) im Harne der Menschen in großer Menge aufgefunden und dann Harnzucker genannt, und kann

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verschiedene: Die Gartenlaube (1856). Ernst Keil, Leipzig 1856, Seite 323. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1856)_323.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)