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verschiedene: Die Gartenlaube (1856)

die edle Kopfform, die hohe Stirn, vor Allem aber in das große, tiefe, geistvolle Auge versenkt, in welchem man auf den ersten Blick das Auge des großen Friedrich erkennt, wie denn überhaupt das holde Köpfchen unverkennbar die Züge Friedrich’s in’s jugendlich Weibliche übersetzt trägt. Ja, das ist sie, die geistreiche, witzige, köstliche Verfasserin der unvergleichlichen Memoiren, die eine der wichtigsten Quellen für die Sittengeschichte des 18. Jahrhunderts sind und uns in den profanen Blicken Lebender streng verschlossene häusliche Leben berühmter Fürsten vergönnt, die mit kecker Hand und lachenden Zügen den mysteriösen heiligen Schleier vom Isisbilde der Zeit entfernt und uns die Bewohner des Olymp in menschlicher Blöße zeigt. Wer hätte diese Memoiren gelesen und die Verfasserin nicht lieb gewonnen, die mit so liebenswürdiger Grazie gegen menschliche und besonders fürstliche Schwächen zu Felde zieht, wie ihr großer Bruder gegen fürstliche Herren?

Das Oelbild der Markgräfin hat Kunstwerth und ist die Schöpfung eines Meisters; denn es ist eins von den Bildern, von welchen man auf den ersten Blick die Ueberzeugung hat, daß sie sehr ähnlich sind, selbst wenn man das Original nicht kennt. Einer Stelle in ihren Memoiren zufolge, wo sie des Ablebens ihres Schooßhündchens, eines Bolognesers, erwähnt, der sich auf dem Bilde befindet, ist die Fürstin in ihrem fünf- oder sechsundzwanzigsten Jahre gemalt und zwar in der Tracht einer Eremitin, die sie während ihres Aufenthalts auf der Eremitage fast niemals ablegte. Auf dieses Alter deuten auch die jugendlichen Züge. Dieses wie die andern drei Bilder glänzen noch in voller Farbenfrische. Der Blick von ihrem Portrait auf das ihres Gemahls giebt das Resultat der Regierungsgeschichte dieses Markgrafen. Es ist das Bild eines gutmüthigen, beschränkten Herrn, der seine geistreiche, geliebte Gattin schalten und walten läßt.

Doch fassen wir die fürstliche Schriftstellerin näher in’s Auge! –

Durch das entschiedene politische Uebergewicht, welches Frankreich seit der Mitte des siebzehnten Jahrhunderts behauptete, geschah es, daß sich die Blicke der deutschen Fürsten von da ab bis zur Mitte des achtzehnten der Hauptstadt Frankreichs und seinem Königsthrone zuwandten, woher die Machtsprüche nicht nur in Staatsangelegenheiten, sondern auch in Sachen des Geschmacks und der Bildung erschallten. Von den zahlreichen Höfen verbreitete sich die Vorliebe für Produktionen des französischen Geistes, namentlich seitdem dieselben nicht mehr den Charakter der Regierung Ludwig’s XIV. trugen, in die tiefern Regionen und wirkte vortheilhaft und anregend auf die Geistesentwickelung der deutschen Nation. Auf diese Weise machten gewissermaßen die geistigen Vertreter des französischen Volkes an Deutschland wieder gut, was ihre Herrscher einst verbrochen; diese hatten nach Kräften an der Zerstückelung und politischen Lähmung des unglücklichen Landes gearbeitet; jene trugen, indem sie unsern Geist erweckten und unsern Geschmack läuterten, mittelbar dazu bei, eine neue Glanzperiode unserer Nationalliteratur zu veranlassen, und hiermit die geistige Einheit der Nation anzubahnen. Freilich hatten weder die französischen Autoren, die meist nur nach Ruhm und Geld strebten, noch ihre deutschen fürstlichen Gönner, die blos ihr Vergnügen in der Beschäftigung mit den importirten schönen Wissenschaften suchten, eine Ahnung von solchem Erfolge ihres Wesens und Treibens; ja sie blickten sogar mit Verachtung auf die freilich noch unbehülflichen Regungen der kindlichen deutschen Muse, und schauderten vor der Rauheit der kräftigen, ungefügen deutschen Sprache. Der Hauptvermittler zwischen den beiden Nachbarvölkern ist bekanntlich Friedrich der Große, der seiner Bildung nach französisch, doch in Wesen und Charakter ein vollkommen deutscher Mann war. Neben ihm glänzt als eine würdige Vertreterin jenes wunderbaren Geschmackes und Strebens seine Lieblingsschwester die Markgräfin von Bayreuth. Schon der Umstand allein, daß Friedrich ihren Geist dem seinen am Verwandtesten unter seinen Geschwistern fühlte, und sie so zärtlich liebte, daß die Nachricht von ihrem Tode, 1758, ihn niederschmetterte, würde unser Interesse für sie rege machen, allein selbst abgesehen von den Beziehungen zu ihrem großen Bruder erweckt die Person dieser Fürstin durch ihre Jugendschicksale und durch ihr späteres geistiges Leben und Treiben unsere volle Theilnahme.

Ihre Gesichtszüge, das große feurige Auge, die hohe Stirn, der feine Mund verrathen einen kühnen, selbstständigen Geist, einen dem Geiste Friedrich’s innig verwandten, seiner würdigen. Den Ruhm, den sie auch heutiges Tages noch genießt, verdankt sie ihrer Autobiographie. Leider ist dieses durch Schärfe der Charakteristik, welche freilich oft zu bitterer Satire wird, und durch genaue Darstellung geheimer Intriguen, die damals die deutschen Höfe in Bewegung setzten, ausgezeichnete, und beachtenswerthe Buch an einigen Stellen lückenhaft, ja am Ende verstümmelt. Doch ist in jüngster Zeit von Berlin aus von einer wichtigen Stimme die Versicherung gegeben worden, daß die Memoiren der Markgräfin sich vollständig im königl. geheimen Archive befänden, so daß man wohl die Hoffnung hegen darf, sie werden einst an’s Tageslicht treten, wie sie die Verfasserin geschrieben hat. Indem wir uns vorbehalten, noch einmal auf diesen Hofspiegel zurückzukommen, geben wir hauptsächlich nach diesem Buche selbst die merkwürdigsten Daten aus dem vielbewegten Leben der berühmten Markgräfin.

Die Fürstin, am 3. Juli 1709 in Berlin geboren, war das älteste lebende Kind des nachmaligen Königs Friedrich Wilhelm’s I., der bei der Geburt dieser Tochter, sowie der zwei folgenden Prinzen, noch Kronprinz war, und Sophiens Dorotheens, einer hannöverischen Prinzessin, Tochter des nachmaligen Königs Georg’s I. von Großbritannien. Die Taufe der Prinzessin, welche die Namen Friederike Sophie Wilhelmine erhielt, war äußerst glänzend, da drei Könige, welche alle drei den Namen Friedrich führten und deren jeder sich zu einer andern Religion bekannte, und eine Königin bei derselben zugegen waren. Zwei dieser gekrönten Häupter waren die Könige von Dänemark und Polen, welche bei ihrem fürstlichen Bruder von Preußen zum Besuche waren, um einen Allianztraktat gegen Karl XII. abzuschließen. Die kühnsten Hoffnungen auf Glanz und Krone wurden für den Täufling laut; ja ein Edelmann hatte den thörichten Einfall, ihn mit dem Kindlein Jesu zu vergleichen, dem auch drei Könige huldigend genaht. Diese Abgeschmacktheit wurde von dem entzückten Großvater mit einem Geschenke von tausend Dukaten bezahlt. Alle diese schönen Hoffnungen und Wünsche sollten nicht erfüllt werden. Im Gegentheile gestalteten sich die Jugendschicksale der Prinzessin sehr rauh, ihr späteres Leben war durch eine besonders hohe Stellung in der Welt nicht ausgezeichnet. Ihre Leidensperiode begann schon mit ihrem dritten Jahre, indem sie von einer Hofmeisterin unmenschlich gepeinigt wurde. Freilich entstand ihr auch in diesem Jahre durch die Geburt des Kronprinzen Friedrich eine unerschöpfliche Quelle von Liebe und Freude, die nur selten und auf kurze Zeit getrübt wurde. Die Charaktere der Glieder der königlichen Familie sowie ihrer Vertrauten waren ganz geeignet, Conflikte herbeizuführen.

Der Vater, anfangs 1713 König, klug, von einfachen Sitten, ökonomisch, ja geizig, dabei hitzig und leidenschaftlich, Andern immer mehr vertrauend als seiner Gemahlin und seinen Kindern; die Mutter stolz und hochfahrend, im höchsten Maße eitel auf die ihrem Hause zugefallene britische Krone, zur Intrigue geneigt, selbst vor dem Unrecht nicht zurückbebend, die Herzen ihrer Kinder dem Vater zu entfremden. Die Günstlinge des Königs waren Herr von Grumbkow, nachmals Feldmarschall, und der Fürst von Anhalt, die alle Mittel und Künste anwandten, ohne selbst das Familienglück ihres königlichen Herrn unangetastet zu lassen, um sich seine Gunst und sein Vertrauen zu erhalten. Ein Heirathsprojekt bezüglich der Prinzessin, welches die beiden Günstlinge machten, legte den Grund zu nachhaltiger Uneinigkeit in der königlichen Familie. Der Kronprinz Friedrich war ein schwächliches Kind, an dessen Fortleben alle zweifelten; im Falle seines Ablebens hatte, da noch kein zweiter Prinz geboren war, der Markgraf von Schwedt, der aus einem Seitenzweige der Herrscherfamilie stammte und zugleich ein Neffe des Fürsten von Anhalt war, die nächste Anwartschaft auf den Thron. Um die Allodialgüter, welche Kunkellehen waren, nicht aus der Familie kommen zu lassen, sollte die Prinzessin Friederike Sophie Wilhelmine, nach dem Plane Grumbkow’s und Anhalt’s mit diesem Prinzen vermählt werden. Die Königin widersetzte sich der Ausführung dieses Vorhabens, für welches man ihren Gemahl bereits gewonnen hatte, mit aller Entschiedenheit, wenn auch nicht mit großem Erfolge; sie brachte dafür ein anderes Projekt auf’s Tapet, nach welchem der Sohn ihres Bruders Georg, derzeit Prinzen von Wales (nachmals König Georg II. von Großbritannien), der Herzog von Gloucester die Hand ihrer Tochter erhalten sollte. Sie hoffte, durch diese Vereinigung ihren eigenen Einfluß auf den König zu verstärken, den seiner Günstlinge und Rauch- und Zechgenossen aufzuheben. Grumbkow und Anhalt setzten indessen ihre Intriguen fort, trotzdem ihre

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