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verschiedene: Die Gartenlaube (1856)

Sehr bald fand ich jetzt den Weg nach meinem Zelte, wo man wegen meines langen Ausbleibens sehr in Sorgen war. Brauche ich noch zu erwähnen, wie mir, so spät es war, meine Abendmahlzeit mundete? Oder daß ich den Befehl zum Aufbruch für den nächsten Morgen widerrief? Oder wie süß ich schlief nach diesen drei vor Mitternacht bestandenen Abenteuern?




Blätter und Blüthen.


Ein gutes Mittel zum Ausmachen von Rothwein-Flecken. Ein einfaches, haltbares, bequemes, billiges Mittel zum Ausmachen von Rothweinflecken darzustellen, ist ein schon vielfach gegen mich ausgesprochener Wunsch gewesen, den ich hier vollständig befriedigen zu können hoffe.

Es ist allbekannt, daß die schwefelige Säure, dieser erstickend riechende Dampf, welcher sich beim Verbrennen des Schwefels bildet, die Weinflecke bleicht und somit vertreibt. Man befeuchtet das zu reinigende Tuch mit Wasser, verbrennt unter den fleckigen Stellen einige Schwefelhölzer oder etwas Schwefelfaden, so daß die Dämpfe des verbrennenden Schwefels zu dem Tuche emporsteigen, wobei sie von demselben angezogen werden und die Flecken zerstören. Allein dieses Verfahren ist unbequem, des erstickenden Schwefelgeruches wegen unangenehm und außerdem kann man die Tücher leicht versengen. Die schwefelige Säure besitzt die Eigenschaft, in Wasser etwas auflöslich zu sein und auch in dieser Lösung bleichend auf manche Farbestoffe zu wirken. Man kann sich daher eine solche Lösung darstellen lassen und diese zu solchen Zwecken benutzen, wobei man nur die fleckigen Stellen damit zu befeuchten hat; doch stellt sich hierbei der Uebelstand ein, daß sich die schwefelige Säure in ihrer wässerigen Lösung leicht verändert und unwirksam wird. Man kann daher ihre Lösung nur kurze Zeit aufbewahren und muß sie immer wieder frisch darstellen lassen. Ganz frei von den oben erwähnten Mängeln ist nun das nachstehende Mittel:

Man nimmt zwei gleich große, verschließbare Gläschen, füllt das eine mit gepulvertem sogenanntem Antichlor (unterschwefligsaurem Natron) und bezeichnet es mit Nr. 1; das andere füllt man mit gepulverter Weinsäure oder Weinsteinsäure und bezeichnet dieses mit Nr. 2. Von beiden Substanzen geht dem Gewichte nach dieselbe Menge in die Gläser. Will man einen Fleck ausmachen, so befeuchtet man die fleckige Stelle erst mit Wasser, bestreut sie hierauf mit einer Messerspitze voll von dem Pulver aus dem Glase Nr. 1, läßt einige Minuten liegen, damit sich die Substanz in das Gewebe einziehen kann, befeuchtet von Neuem mit Wasser und streut nun ebenfalls eine Messerspitze voll von der Weinsäure aus dem Glase Nr. 2 auf dieselbe Stelle. War der Weinfleck frisch, so verschwindet er fast augenblicklich; war er schon alt, so läßt man die Stoffe mehrere Stunden, indem man von Zeit zu Zeit wieder befeuchtet, darauf liegen, und spült die Tücher zuletzt mit reinem Wasser aus. Bei Anwendung dieses Mittels wird durch die Weinsäure aus dem Antichlor eine ganz allmälige Entwickelung von schwefliger Säure und somit die Bleichung des Fleckes bedingt. Man hat hierbei durchaus nicht zu befürchten (selbst wenn man das Mittel 24 Stunden lang einwirken läßt, bevor man es wieder ausspült), daß das Gewebe der Tücher dadurch etwa zerfressen oder auch nur etwas morscher werde, da sowohl das Antichlor wie die Weinsäure ganz ohne ätzende Wirkungen sind. Mit einer kleinen Menge dieses Mittels kann man sehr viele Flecke wegbringen und sobald jede der beiden Substanzen in ein besonderes Glas gebracht worden ist, können sie viele Jahre lang unverändert aufbewahrt werden. Dasselbe Mittel nimmt übrigens außer den Weinflecken auch die Kirsch-, Heidelbeer-, Preißelbeer-, Himbeer- etc. Flecke vollständig und leicht weg. Selbst die zuweilen in alter Wäsche entstehenden Stockflecke, sowie auch die Rostflecke können mit Hülfe desselben leicht entfernt werden.




Der Schiffbruch des englischen Schiffs Blake. Am 8. Februar d. J. verließ der Blake, ein liverpooler Schiff, unter dem Befehl des Kapitain Eduard Rudolf, mit einer Ladung Dauben Ship-Island (Mississippi) und segelte nach Cork ab. Achtzehn Tage lang hatte das Schiff eine gute Fahrt, da trat am 4. März stürmisches Wetter ein, der Wind nahm bis zum 12. März mehr und mehr an Heftigkeit zu und bald sah man sich, da das Schiff Wasser einließ, genöthigt, beide Pumpen in fortwährender Bewegung zu halten.

Wie groß aber auch die Anstrengungen der Mannschaft waren, ihre Aufopferung war vergebens und am Abend des 12. März stand das Wasser im Kiel bereits 12 Fuß hoch. Um 6 Uhr riß ein furchtbarer Stoß den Mann vom Steuer, zerbrach die Boote, fügte dem Schiffe arge Beschädigungen zu und kehrte das Vorderdeck nach hinten. Die Segel, die man aufhißte wurden fast in demselben Augenblicke zu Fetzen zerrissen und neue Stöße der See, einer immer wüthender als der andere, machten das Werk der Zerstörung vollkommen. Den Mittelmast zu kappen, um das Schiff zu erleichtern, hatte Niemand den Muth, denn auf dem Vorderdeck richtete die See ihre größten Verheerungen an.

„Mittlerweile“ – so erzählt der Kapitain weiter, – „fuhr der Sturm fort, mit unerhörter Wuth zu rasen, und wahrhafte Wasserberge wälzten sich jeden Augenblick über unser armes Fahrzeug. Am 13. März gesellte sich zum Orkan ein Wirbel von Hagel und Schnee, der unsere Leiden noch erhöhte, und endlich ward das Schiff, um unser Elend voll zu machen, ganz auf die Seite geschleudert, wodurch sieben Mann in’s Meer gestürzt wurden, wo sie für immer verschwanden. Zwei Stunden blieben wir in dieser schrecklichen Lage, indem wir uns an den Trümmern der Masten und sonstigen Gegenständen mit aller Kraft, die uns Kälte und Beschwerden übrig gelassen, festklammerten. Als der Sturm sich beschwichtigte, hob sich das Fahrzeug zwar wieder ein wenig, aber es hatte nur noch die Stümpfe seiner Masten; sein Steuerruder war entzwei, es sah nur noch wie ein Floß aus. Bis zum 18. März blieben wir so allen Leiden der Kälte und des Hungers ausgesetzt. Das Meer ging noch immer hoch und warf das unglückliche Wrack umher, auf dem wir unser Leben den Elementen streitig zu machen suchten. An jenem Tage befanden wir uns 43° 15’ nördlicher Breite und 38° 30’ westlicher Länge, hatten seit 5 Tagen nichts gegessen, keinen Tropfen süßen Wassers auf der Zunge gehabt und kein Schlaf war in unsere Augen gekommen.

Der 20. März war der siebente Tag, an dem wir keine Nahrung zu uns genommen hatten. Das Wetter, obgleich besser, war doch noch sehr rauh. Im Laufe des Tages fing ich eine halbtodte Ratte, welche unter dem am wenigsten ausgesetzten Theile des Decks eine Zuflucht gesucht hatte. Ich theilte sie redlich mit meinen Unglücksgefährten. Am folgenden Tage fanden wir auch ein wenig süßes Wasser im Vordertheile des Schiffs, wodurch unsere Leiden einen Augenblick gelindert wurden. Während der Zeit, wo der Hunger uns gestattete, unsern Schmerz zu vergessen, schauten unsere Augen begierig nach dem Horizonte aus; aber kein Segel ließ sich blicken. Endlich am 23. März, unserem zehnten Leidenstage, rief der ausguckende Matrose: „Schiff in Süd-Süd-Ost!“ Unsere Hoffnung hob sich; denn in der That waren zwei Schiffe in Sicht. Jeder richtete sich auf, um seinen Hut oder einen Lappen Leinwand zu schwenken. Allein vergebliche Hoffnung! Die Fahrzeuge sahen unser armes Wrack nicht und beide schwanden uns bald aus dem Gesichte. Dieser neue Schlag hatte eine herzzerreißende Scene zur Folge. Die Einen streckten die Hände zum Himmel empor mit durchdringendem Geschrei, Andere wälzten sich in düsterer Verzweiflung am Boden, während noch Andere unter Flüchen und Lästerungen ihr Geschick verwünschten. Von Zeit zu Zeit schaarten sich diese Menschen, wie von einem plötzlichen Impuls getrieben, um mich und baten mich mit Thränen im Namen Dessen, was ihnen das Theuerste auf der Welt: ihre Weiber und Kinder, sie zu retten. Dann mußte ich meine eignen Leiden vergessen, um sie durch einige beruhigende Worte zu ermuthigen und in ihren Herzen eine Hoffnung wieder zu erwecken, die ich doch nicht theilen konnte. Was war aus diesen kräftigen Männern geworden, mit denen ich die Vereinigten Staaten verlassen hatte? Acht waren im Augenblicke des Schiffbruchs umgekommen, ein neunter war in unseren Armen vor Erschöpfung gestorben, und die sieben noch übrigen, von Hunger und Erschöpfung angegriffen, glichen eher Leichen als menschlichen Wesen. Bisweilen erhob sich Einer von ihnen, durch Nahrungsmangel wahnsinnig geworden, in scheinbarer Kraft und glaubte, er nähme an einer Familienmahlzeit Theil, deren Gerichte er einzeln aufzählte; bald aber verfiel er wieder in den Zustand völliger Schwäche zurück. Das war ein schauerlicher Anblick; denn diese Ideen des Ueberflusses bildeten einen gar zu schneidenden Gegensatz zu unserer wirklichen Noth.

Meine Feder ist nicht im Stande, alle Scenen zu beschreiben, deren Zeuge ich während dieses traurigen Tages und der beiden ihnen folgenden war. Am 26. nahmen wir abermals ein Segel wahr, aber auch diesmal verschwand es, ohne uns bemerkt zu haben. Diese zweite Täuschung wirkte indeß weniger lebhaft. Denn unsere Kräfte waren erschöpft und wir fingen an, keine rechte Idee von unserer Lage mehr zu haben. Am Abend erlag ein anderer von unseren Gefährten den Qualen des Hungers; diesmal aber warfen wir ihn nicht in’s Meer, weil die gebieterische Nothwendigkeit uns zwang – Kannibalen zu werden! Drei Tage lang hatten wir von der Leiche unseres unglücklichen Genossen gelebt, obgleich unser Herz Abscheu bei dem Gedanken empfand, daß wir das Fleisch unseres Nebenmenschen verzehrten, da kam am 29. Morgens von Neuem ein großes Fahrzeug in Sicht. Es war nur zwei Meilen unter dem Winde und wir glaubten einen Augenblick, es habe uns bemerkt. Eitle Hoffnung! Es setzte seine Fahrt wie die übrigen fort. Da verließ mich jede Hoffnung. Erschöpft von meinem fast siebzehntägigen Fasten empfahl ich meine Seele Gott und die Augen schließend legte ich mich neben meine Gefährten nieder mit dem Gedanken, daß es jetzt mit mir zu Ende sei. So verliefen einige Stunden, als ich plötzlich aus meiner Betäubung durch den Freudenruf: „Ein Segel! Man hat uns gesehen!“ erweckt wurde. Niemals werde ich die Bewegung vergessen, die sich meiner in diesem Augenblicke bemeisterte: ich war todt und wurde dem Leben zurückgegeben! Wir waren in der That von der Goelette Pigeon von St. John, Kapitain Knight, bemerkt worden. Wegen der hochgehenden See war es lange unmöglich, uns nahe zu kommen; endlich aber wurden wir unserm Elend entrissen und an Bord der Goelette gebracht, wo uns die liebevollste Pflege zu Theil ward. Die Kleider, die wir, als wir das Wrack verließen, am Leibe hatten, waren so mit Salzwasser gesättigt und klebten so an unsern Körpern, daß sie uns fetzenweise abgerissen werden mußten.“


Nicht zu übersehen!

Alle Einsendungen von Manuscripten, Büchern etc. etc. für die Redaktion der Gartenlaube sind stets an die unterzeichnete Verlagshandlung zu adressiren.

Leipzig. Ernst Keil.

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