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verschiedene: Die Gartenlaube (1856)

herausstellte, enthüllte sie noch eine Reihe anderer Verbrechen, die mit einer Beharrlichkeit und Kaltblütigkeit verübt worden waren, wie sie glücklicherweise nur selten in den Annalen der Kriminaljustiz aufgezeichnet sind. Honoré und Julie Nollent, Vater und Mutter der Geoffroy, und Isalie Belin, geborene Nollent, Schwester der Angeklagten, starben am 4. Jan. 1847, 21. Febr. 1848 und 18. Juli 1851, und zwar, wie die von der Justiz zu Rathe gezogene Wissenschaft bewies, an Gift.

Man erinnerte sich nun im Laufe der Untersuchung, daß Honoré Nollent nach einer nur dreitägigen Krankheit, welche mit Kolik und Erbrechen begonnen, unter den heftigsten Schmerzen verschieden sei. Seine Leiche ward daher ausgegraben und die chemische Analyse des Rumpfs und des Gehirns führte zur Entdeckung von Arseniksäure. Die Angst des damals noch nicht verhafteten Geoffroy, als er vernahm, daß die Leiche seines Schwiegervaters untersucht werden solle, ließ dies Resultat vorhersehen. Er sagte u. A. dem Todtengräber, daß er ihm 50 Francs geben wolle, wenn er den Grund und Boden so umwühlen würde, daß das Gericht das Grab des Nollent nicht finden könne. Auch gestand Geoffroy in der Trunkenheit seiner Mutter sein Verbrechen und behauptete, von seiner Frau dazu veranlaßt worden zu sein.

In der gleichfalls wieder ausgegrabenen Leiche der Ehefrau Nollent fand sich ebenfalls Arsenik vor. Diese war an demselben Tage, wo ihr Mann erkrankte, unwohl geworden, doch hatte ihr Leiden nicht sofort den Tod zur Folge, welcher vielmehr erst, wie oben bemerkt, im Februar des folgenden Jahres stattfand. Die Geoffroy besuchte während der letzten Monate der Krankheit ihrer Mutter diese häufig und reichte ihr mehrmals, wie eine zärtliche Tochter, Arznei, welche von der Frau Nollent indeß stets nur mit Widerstreben genommen wurde. Geoffroy, welcher verpflichtet war, seine Schwiegermutter mit Essen und Trinken zu versehen, schickte ihr ein Faß Obstwein, dessen Geschmack so abscheulich war, daß man nichts davon genießen konnte. Die Symptome, welche die Krankheit der Frau den Joseph Belin zeigte, sind die einer allmäligen Vergiftung, und die chemische Analyse fand in den Ueberresten dieser Frau die augenscheinlichsten Spuren von Arsenik.

Diese verschiedenen Verbrechen konnten kaum jemand Anderem zugeschrieben werden, als den beiden Geoffroy’s. Der Vater Nollent hatte seinen beiden Töchtern, der Geoffroy und der Belin, noch bei seinem Lebzeiten sein Besitzthum abgetreten: jede hatte ein Haus nebst Länderei bekommen; dabei war aber die Geoffroy verpflichtet, ihre Eltern in ihr Haus aufzunehmen und zu verpflegen, und es war zugleich ausgemacht worden, daß, wenn zwischen den Eltern und den Eheleuten Geoffroy Streit entstehen sollte, Letztere auf Verlangen der Erstern das Haus verlassen sollten. Die Eltern waren den Eheleuten Geoffroy zur Last geworden und daher entstand der verbrecherische Vorsatz, sich ihrer durch Gift zu entledigen und in den an keine Bedingung mehr geknüpften Besitz ihres Hauses und ihrer Ländereien sich zu setzen. Nachdem dieser Vorsatz ausgeführt und der gewünschte Vortheil erreicht war, ohne daß Strafe dem Verbrechen gefolgt war, warf die Geoffroy die habgierigen Blicke auch auf die Schwester, welche die Eltern zu gleichen Theilen mitbeerbt hatte. Ein neues Opfer fiel. Aber auch dieses genügte noch nicht: das Erbtheil der Schwester ging auf deren Mann und Sohn über und deshalb wurde der Versuch gemacht, auch diese mit Arsenik aus dem Wege zu schaffen. Die Dosis Gift, welche diesen Beiden beigebracht wurde, war nach Aussage Derer, welche die Sache untersucht hatten, so groß, daß 50 Personen damit hätten umgebracht werden können, und daß die Rettung der Unglücklichen nur als eine Art Wunder betrachtet werden muß.

Vier Monate läugneten die Angeklagten hartnäckig alle Schuld der ihnen zur Last gelegten Verbrechen; endlich aber gestanden sie, der Gewalt der sich häufenden Indicien weichend, ein, die Eheleute Nollent vergiftet und den Versuch gemacht zu haben, die beiden Belin auf gleiche Weise aus dem Wege zu räumen. Die Vergiftung der Ehefrau Belin einzugestehen weigerten sie sich hartnäckig. Aus ihren Aussagen ging hervor, daß zwischen Beiden das Verbrechen verabredet, von Geoffroy der Arsenik – „das weiße Pulver, womit man reich wird“, wie der Angeklagte zu seiner Frau sagte, – gekauft und von der Geoffroy den Opfern beigebracht worden war.

Die Beschuldigten nahmen nun zwar vor den Geschworenen diese ihre früheren Geständnisse zurück, wurden aber gleichwohl „schuldig“ befunden, ihre Eltern vergiftet und den Versuch, die beiden Belin zu tödten, gemacht zu haben. Hinsichtlich der Ehefrau Belin lautete der Spruch auf „nichtschuldig“. Der Gerichtshof verurtheilte die Angeklagten zur Todesstrafe und zwar die Geoffroy, welche ihre eigenen Eltern umgebracht, zu geschärfter Todesstrafe.

Dieser Tage sind die beiden entsetzlichen Giftmischer in Amiens hingerichtet worden, die Geoffroy wurde mit gebundenen entblößten Füßen und mit dem ihr Haupt verhüllenden Schleier der Vatermörder zum Schaffot gebracht.




Saubere Burschen. Unter dem Titel: „Enthüllungen aus Bad Homburg“ ist jetzt ein Büchlein erschienen, worin die Nichtswürdigkeiten der dortigen Spielhölle in pikanter Weise aufgedeckt werden. Von den Croupiers werden darin unter Andern auch folgende ganz saubere Stückchen erzählt:

Es gab einen Croupier, der den Boden seiner Tabaksdose mit einem Klebstoff bestrichen hatte. So oft er harmlos sein Faites le jeu, Messieurs! rief, stellte er gleich harmlos die Dose auf irgend einen vereinzelten Louisd’or. – Kaum war das Spiel gemacht, so nahm unser Mann mit gleicher Harmlosigkeit und seliger Ruhe eine Prise Tabak und steckte die Dose mit dem Louisd’or in seine Tasche.

Ein anderer alter Croupier, der weniger Haare als Leidenschaften hatte und mit einer Art von Verzweiflung jeden Morgen Einige fallen, Andere groß werden sah – hatte 5000 Franken Gehalt. –

Wie armselig wenig Geld! Wahrlich nur der Obol eines Monats, wie er sich einen gewünscht hätte, einer Nacht, wie er solche oft sich träumte. Weil er nun endlich einsah, daß das Geld nicht zu ihm kam, so ging er zum Gelde.

Er umschnürte seine Hüften mit einem Gürtel über dem Hemde und versteckte die Hälfte seiner Ohren unter einem sehr steifen Vatermörder.

Auf solche Weise für das Mysterium geweiht, setzte er sich auf seinen Croupierplatz …

Von Zeit zu Zeit empfand er alsdann das Bedürfniß, seine Vatermörder um den Hals wieder zurecht zu schieben, ein bei den unbequemen Vatermördern bekanntlich sehr natürliches und häufiges Bedürfniß.

Aber die Hand, welche das Hinterhaupt streichelte, hatte auch stets einen Louisd’or, den sie zwischen Haut und Hemd hinabgleiten ließ, der dann auch am Leib so tief hinabgleitete, bis er am Gürtel Widerstand fand und in irgend einem Winkel sich verkroch. Hier erwartete er in voller Sicherheit die kleinen Kameraden, welche während des ganzen Tages auf dem von ihm eingeschlagenen Wege folgten.

War nun der alte Croupier Nachts in sein Kämmerlein zurückgekommen und zog er sein Hemd aus, so glich er in der That oft dem Papa Jupiter in dem Augenblicke, als dieser die Danae verführte.

Dieses Geschäftchen ging so gut, daß unser Mann seinen Gürtel bald abnutzte und einen neuen kaufen mußte.

Aber die Herren Bankverwalter sprächen kopfschüttelnd: Zum Teufel! Wozu hat sich Vater R. einen Gürtel gekauft? Die guten Herren grübelten von Frage zu Frage so lange nach, bis sie endlich zu der rechten Antwort kamen, wonach der Croupier der Spielbank und dem Glücke Lebewohl sagen mußte.

Es gibt noch ein Croupiermittelchen, welches in größerem Style angewendet worden. Der Erfinder davon war bisher nicht zu entdecken, was in unserem Jahrhundert um so seltsamer klingt, da man gewöhnlich sechs Erfinder für jede Erfindung kennt.

Ein Croupier hatte genau nach der Größe und Dicke der Tausendfrankenrollen (50 Napoleon oder Louisd’or), Rollen von Blei gemacht, solche mit demselben blauen Papier umgeben und mit demselben Siegel roth gesiegelt – Alles so täuschend, daß ein Unterschied nicht zu erkennen war. Mit großer Gewandtheit vertauschte er seine Rollen mit denen der Bank, schob diese in die Tasche, sah unbefangen über die Tafel hin, und verbarg einen allenfallsigen Anfall von Besorgniß hinter einem fanatischen: Rien ne vas plus!

Diese Verwechselung von Geldrollen verursachte einem armen Amerikaner großen Verdruß, der einige dieser falschen Geldrollen im Spiel gewonnen, diese dann unbefangen ausgegeben hatte und deshalb einige Tage als Betrüger im Gefängniß zubringen mußte, bis sich die Sache aufklärte.




Ein guter Geschäftsmann. Die Wotjäken scheinen die prächtigsten Naturanlagen zum Geschäftsmann zu haben, und es dürfte vielleicht manchen der zu Hunderten auftauchenden Kredit- und andern ähnlichen Gesellschaften mit dem Nachweis eines solchen vortrefflichen Exemplars gedient sein. Diese Herren Wotjäken gehören zur Familie der uralischen Völker und wohnen an beiden Ufern der Wjätka. Der Wotjäke gehört zu der Klasse des menschlichen Geschlechts, die sich vor Geiz selber auffrißt. In seiner übersimpeln Häuslichkeit findet er alle Mittel zur Befriedigung der Bedürfnisse, die er sich zu gestatten erlaubt, und es geschieht gewiß nicht oft, daß er in einen Laden geht, um seinem Weibe oder seiner Tochter ein Halstuch oder dergleichen zu kaufen. Sollte er auch 100 Pud Mehl auf einmal und zu den besten Preisen in der Stadt verkauft haben, er wird sich zehnmal besinnen, ob er seinen Kindern eine Semmel für zwei Kopeken mitbringen soll. Ein solcher Wotjäke nun erschien mit seinem blinden Vater bei einem Arzte und wollte diesem geholfen haben. Es entspann sich folgende Unterredung: „Väterchen, ich habe erfahren, daß Du Augen machst. Da ist mein blinder Vater. Kannst Du ihm Augen machen?“ Der Arzt untersucht den Kranken und erklärt, daß das Uebel heilbar sei. „Was nimmst Du dann aber für’s Augenmachen’?“ fragt der Wotjäke.

„Kannst Du mir zehn Rubel dafür geben?“ erwiedert der Arzt. „Nein, Väterchen, das ist zu viel! Nimm sechs Rubel.“ „Gut, ich will mich mit sechs Rubel begnügen.“ „Und machst Du für sechs Rubel beide Augen?“ „Beide, das versteht sich.“ „Gut,“ sagt nun der Wotjäke, der sein Ziel erreicht hat, „so gebe ich Dir drei Rubel, Väterchen; mache ihm nur ein Auge; er ist alt, er hat an einem Auge wohl auch genug.“

P.




Notiz. Vielfachen, selbst aus weiter Ferne (z. B. aus Warschau und Sta Croce bei Triest) an mich ergangenen Anfragen über Einrichtung von Seewasser-Aquarien, diene durch die Gartenlaube, (durch welche allein die Veranlassung gegeben gewesen sein kann) zur Erwiederung, daß ich über Seewasser-Aquarien keine Erfahrung besitze, also auch darüber keinen zuverlässigen Rath ertheilen kann. An Küstenorten wird wohl überall in der Nähe naturwissenschaftlicher Rath zu haben sein, in Triest z. B. durch meinen verehrten Freund den berühmten Algenforscher Dr. Biasoletto.

E. A. Roßmäßler.

Eine Dame in den vierziger Jahren, mit allen häuslichen Angelegenheiten wohl vertraut, sucht eine Stelle als Wirthschafterin bei einem alten Herrn oder einer Dame. Die Suchende sieht bei einem etwaigen Engagement weniger auf hohes Honorar als auf anständige, freundliche Behandlung. Die Verlagshandlung der Gartenlaube giebt auf frankirte Anfragen gern weitere Auskunft.


Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
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