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verschiedene: Die Gartenlaube (1856)

No. 33. 1856.
Die Gartenlaube.

Illustrirtes Familienblatt. – Verantwortl. Redakteure F. Stolle u. A. Diezmann.

Wöchentlich 11/2 bis 2 Bogen. Durch alle Buchhandlungen und Postämter vierteljährlich für 15 Ngr. zu beziehen.

Eine unenthüllte Begebenheit.
Erzählung’ von Heinrich Smidt.
(Aus einer gefundenen Mappe.)
(Fortsetzung.)

Der alte Bergheim war wie von Donner gerührt. Alle Luftschlösser stürzten mit einem Male zusammen und er sah sich einer trostlosen Zukunft gegenüber. Rosa, die gleich nach Theodors Abreise zu ihrem Vater zurückkehrte, durfte nicht in dessen Nähe kommen. Er hielt sie für die Anstifterin all’ dieses Unglücks. Der Oberst versuchte mehrere Male ihn zu sprechen, ward aber stets abgewiesen.

Da erschien Graf Eberhard, dem die Antwort des Sohnes zu lange ausblieb. Er kam zur guten Stunde. Sein Rang und sein Ansehen fielen bei dem alten Bergheim schwer in’s Gewicht und bald ließ er sich bestimmen, Rosa mit dem Obersten zu verloben. Er zog es vor, da ihm der dauernde Aufenthalt bei den Kindern nicht zusagte, gegen Auszahlung eines reichen Jahrgeldes seine Wohnung an einem entfernten Orte zu nehmen. Nun schienen alle Hindernisse beseitigt und man verabredete, daß Rosa mit ihrem Vater eine Reise nach der Residenz antreten sollte. Dort werde die Hochzeit feierlich vollzogen werden.

Süße Träume beglückten die Liebenden. Der Oberst wollte die voraussichtlich lange Muße des Friedens benutzen, und einen unbestimmten Urlaub erbitten. Unter seiner Führung sollte Rosa die ersten Eindrücke des großartigen Lebens der Residenz kennen lernen, dann wollten sie mit dem neu beginnenden Frühling in ländlicher Einsamkeit ihr Glück genießen.

Graf Eberhard bemühte sich unterdessen für seinen Sohn Alexis, der bedeutend jünger als der Oberst und fast noch ein Knabe war, einen geeigneten Lehrer zu finden. Alexis hatte ein auffallendes Talent für die edle Malerkunst gezeigt, und der Graf beschloß, ihm einen tüchtigen Meister zu geben. Da an dem Garnisonorte zugleich eine tüchtige Akademie war, hielt es nicht schwer, einen Künstler zu finden, der sich entschloß, für einige Zeit dem Haushalte des Grafen anzugehören, um auf dem alten Familienschlosse einige Bilder zu malen, und zugleich Alexis zu unterrichten. Die Reise nach der Residenz ward in der heitersten Stimmung angetreten. Es machte einen glücklichen Eindruck auf Alle, daß Herr von Bergheim, von einem heftigen Unwohlsein plötzlich befallen, nothgedrungen zurückbleiben mußte.

Auf seinem Schmerzenslager sich wälzend, lag er einsam da. Seine Freunde verließen ihn. Sie horchten lieber auf das Rasseln der Würfel und das Klingen der Gläser, als auf das Seufzen und Stöhnen des Kranken. Alles entbehrend, was einen Reiz für ihn haben konnte, lag er da, sein Geschick verwünschend und der Tyrannei eines mürrischen Dieners sich fluchend unterwerfend.

Plötzlich fuhr er auf. Theodor von Steinau war rasch eingetreten und stand vor ihm:

„Ich komme, meine Braut abzuholen,“ sagte dieser mit unterdrücktem Grimm. „Wo hast Du sie?“

„Sie ist nicht hier!“ entgegnete der Kranke stöhnend.

„Wo ist Rosa?“ rief er nochmals, sich nur mühsam bezwingend.

„Ich weiß es nicht!“ sagte er stotternd, in seinem Schmerze laut aufschreiend.

„Du lügst!“ rief Theodor. „Du hast sie an meinen Vetter, den schmachtenden Seladon in der Uniform verhandelt. Mir hast Du gestohlen was mein war, denn Du hattest sie mir verlobt, und der ganzen Sippschaft zum Trotz soll sie mir gehören. Bekenne, wo sie ist. Trotze nicht darauf, daß ich im Banne bin, und mich nur bei Nacht und Nebel herschleichen konnte. Ich bin erfinderisch zur Zeit der Noth, und wie ich den Weg hierher fand, finde ich ihn auch weiter. Darum bekenne! Wo ist Rosa?“

Der erschrockene Diener hatte sich Hülfe rufend entfernt. Draußen hielten Theodors Begleiter ihn fest. Der alte Bergheim blieb lange stumm; aber endlich vermochte er dem Drängen Theodors nicht zu widerstehen, und sagte ihm Alles. Mit einem lauten Fluche stürzte er hinaus.

Als der Diener nach einiger Zeit, der Haft ledig, bei seinem Herr wieder eintrat, fand er denselben in dem bedenklichsten Zustande. Er rief den Arzt herbei, der sich bald mit dem Ausspruche entfernte, daß hier nichts mehr zu hoffen sei. Am folgenden Morgen hatte Herr von Bergheim sein wüstes Dasein beschlossen.


III.

Das Hotel des Grafen Eberhard von Steinau, mit seinem schattigen Park und seinem duftenden Blumenparterre lag in dem schönsten Theile der Residenz. Hier begannen um diese Zeit die Tage der Lust und der Freude. Graf Eberhard, nur mit dem Glücke seiner Kinder beschäftigt, traf überall die zweckmäßigsten Einrichtungen. Rosa bewohnte mit den Damen, welche Graf Eberhard ihr zugesellte, einen Seitenflügel, bis die Wohnung im ersten Stocke, welche sie mit ihrem Gatten beziehen sollte, vollendet wäre. Der Oberst theilte seine Zeit zwischen der Geliebten und dem Vater und widmete Beiden seine zärtlichste Sorgfalt. Alexis zeichnete fleißig unter der Aufsicht seines lieben Meisters. Dieser las in den alten Familienchroniken, und forschte bei den alten Dienern des Hauses nach halbverschollenen Sagen und

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verschiedene: Die Gartenlaube (1856). Ernst Keil, Leipzig 1856, Seite 441. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1856)_441.jpg&oldid=- (Version vom 21.8.2021)