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verschiedene: Die Gartenlaube (1856)

Jahre 1062 erbauten so sagenreichen Neuenburg. Dieses Schloß besteht aus mehren zu verschiedenen Zeiten aufgeführten Gebäuden, von denen nur noch die beim westlichen Eingänge dem 11. Jahrhundert angehören. Der Brunnen hat eine Tiefe von 400 Fuß. Die Schloßkapelle, eine jener so äußerst seltenen Doppelkapellen, hat zwei Geschosse über einander, von denen namentlich das obere wegen seiner schönen Säulenknäufe und Verzierungen der Bogengurte besondere Beachtung verdient. Der Schloßthurm, 147 Fuß hoch, gewährt eine schöne und ausgebreitete Aussicht. Im Fremdenbuche sagt Jahn am 5. Oktober 1828 hierüber Folgendes:

„Bei günstiger Witterung erkenne ich Fünfzigjähriger, mit unbewaffnetem Auge, vom Schloßthurme in der Rundsicht: den Petersberg, die Thürme von Halle, Landsberg, Merseburg, die Sternwarte von Leipzig, Lützen, Weißenfels, Hohen-Mölsen, die Gleitsburg, den Landgrafen und den Fuchsthurm bei Jena, den Ettersberg, Ausläufer der Finne, Burkertsrode – einen der hochliegendsten Orte im ebenen Thüringen – den Kyffhäuser und den Brocken.“

Die Neuenburg ist auch das bekannte Schloß, dessen Besitzer bei Anwesenheit des Kaisers Barbarossa, der den Mangel einer Mauer bedauerte, in einer Nacht die Burg durch seine Grafen, Edelleute und Knechte umstellen und so eine bewaffnete Mauer herstellen ließ, wie sie selbst der Kaiser nicht schöner und fester besaß.

Von dem Schlosse begaben wir uns nach dem berühmten Edelacker. Derselbe liegt nördlich von der Neuenburg, unweit der sogenannten Frankenstraße, und ist fünf Magdeburger Morgen und 38 Quadratruthen groß. Seinen Namen verdankt er folgender Begebenheit.

Als Ludwig der Eiserne durch die bekannten Mahnworte des rühlaer Schmieds: „Landgraf werde hart! Du unseliger Herr, was taugst Du den armen Leuten zu leben? Siehst Du nicht, wie Deine Räthe und Edelinge das Volk plagen und mähren Dir im Munde? Werde hart – werde hart“ wirklich ein strenger Herr geworden war und die gegen ihn empörten Edelleute bei Freiburg geschlagen hatte, bestrafte er sie folgendermaßen:

„Er nahm sie und führte sie zu Felde, und fand auf dem Acker einen Pflug; darin spannete er die ungehorsamen Edelleute je vier, riß mit ihnen eine Furche und die Diener hielten den Pflug. Er aber trieb mit der Geißel und hieb, daß sie sich beugeten und oft auf die Erde fielen. Wann dann eine Furche geahren war, sandte er vier andere ein und ahrete also einen ganzen Acker, gleich als mit Pferden; und ließ darnach den Acker mit großen Steinen zeichnen zu einem ewigen Gedächtniß. Und den Acker machte er frei, dergestalt, daß ein jeder Uebelthäter, wie groß er auch wäre, wenn er darauf käme, daselbst solle frei sein,[1] und wer diese Freiheit brechen würde, sollte den Hals verloren haben.“

Den Füllmund der Mauer, mit der der Edelacker einst umgeben gewesen, kann man noch heutigen Tages sehen.

Ludwig der Eiserne ist auch auf der Neuenburg gestorben (1172). Kurz vor seinem Tode entbot er seine gedemüthigten Vasallen zu sich und befahl ihnen, daß sie seinen Leichnam „mit aller Ehrwürdigkeit“ begraben und auf ihren „Hälsen“ von hier bis gen Reinhartsbrunn tragen sollten. Und als er gestorben war, erfüllten sie dies sein letztes Gebot wirklich; denn „sy sorchtin en mer, danne den tufil, – unde warin allis in den furchtin, ob her noch lebinde wäre.“

Von den Sehenswürdigkeiten, welche wir nun in der Stadt Freiburg selbst in Augenschein nahmen, nimmt die Annenkirche die erste Stelle ein. Sie stammt aus dem 12. Jahrhundert, hat die Form eines Kreuzes und ist mit drei Thürmen geschmückt. Auf der Ostseite befindet sich eine gewölbte doppelte Vorhalle. Nur der Chor ist im gothischen Style gehalten; die übrigen Parthien gehören der romanischen Bauschule an.

Die auf dem regelmäßigen und ziemlich geräumigen Marktplatze aufgestellte Bildsäule des Herzogs Christian von Sachsen-Weißenfels und Querfurt hat nicht den geringsten künstlerischen Werth. Sie ist früher auf dem Schloßhofe, dann in einem Jagdschlößchen aufgestellt gewesen und schließlich von dem freiburger Stadtrathe um zwei Thaler und zwanzig Silbergroschen angekauft worden.

Herzog Christian hat noch bei seinen Lebzeiten diese seine Statue aufrichten lassen; sie ist eine der „Zierden,“ welcher eine im großen Saale der Neuenburg angebrachte Inschrift in folgender Weise gedenkt:

„Was die hohen Ahnen bauten,
Liebte Herzog Christian
Als ein Zweig der Sachsen-Rauten,
Dem dies Land ist unterthan.
D’rum hat er, was ihn ergötzet,
Hier zur Zierde hergesetzet. MDCCXIX.“

Nachdem wir hierauf den nahegelegenen dieckertschen Weinberg besucht, jenen überaus freundlichen Rebenhügel, von wo man vortreffliche – von Westen aus vielleicht die schönste Aussicht auf Naumburg hat, kehrten wir wieder nach der Stadt zurück, deren alte Ringmauern und Eckthürme ihr immer noch ein mittelalterliches Colorit verleihen. Jahn zeigte uns hier das Haus, in welchem einer der edelsten Söhne Thüringens – Schomburgk – dieser würdige Schüler Alexanders von Humboldt, das Licht der Welt erblickt hat.

Als jener berühmte Reisende und Naturforscher, Sir Robert Schomburgk, im Jahre 1815 – er war kurz zuvor von der Königin von England zum Baronet ernannt worden – seine Vaterstadt Freiburg besuchte, überreichte man ihm unter würdigen Feierlichkeiten das Diplom eines Ehrenbürgers. Ich war bei dem darauffolgenden Festmahle Tischnachbar von Jahn und notirte mir mit seiner Genehmigung die von ihm ausgebrachten Trinksprüche. Einer derselben lautete folgendermaßen:

„Die Schöpfung ist die älteste Offenbarung des Allwaltenden, eine Sternen-, Sonnen- und Weltenschrift. Darum Ehre der Naturwissenschaft! Ehre den Naturforschern, so uns vor Aberglauben und Unglauben schirmen! Die Naturforscher hoch!“

Nach Tische brachen wir von Freiburg auf und erreichten, geführt von unserm ortskundigen Wirthe, am linken Unstrutufer in etwa einer Stunde den der ehemaligen kaiserlichen Domaine Balgstedt gegenüber liegenden Rittersitz Zscheiplitz. Derselbe hieß in frühem Zeiten Weißenburg und war unter Anderm die Residenz des sächsischen Pfalzgrafen Friedrich III., zu dessen schöner Gemahlin Adelheid, eine geborene Markgräfin von Stade und Salzwedel, der bekannte Landgraf von Thüringen, Ludwig der Salier, eine eben so heftige als strafbare Liebe gefaßt hatte. Er fand bald Gehör, und die treulose Frau gab nun den Rath, ihr Buhle sollte am bestimmten Tage in dem dem Pfalzgrafen gehörigen Gehölz, genannt die „Reißen“ (unterm mönchenroder Felde), eine Jagd anstellen, unbegrüßt und unbefragt; sie wollte ihren Herrn reizen und bewegen, ihm die Jagd zu wehren; dann möchte er seines Vortheils ersehen. Ludwig ließ sich vom Teufel und der Frauen Schöne blenden und sagte zu. Als nun der mordliche Tag vorhanden war, richtete die Pfalzgräfin ein Bad zu, ließ ihren Herrn darin wohl pflegen und warten. Unterdessen kam Ludwig, ließ sein Hörnlein schallen und seine Hündlein bellen und jagte dem Pfalzgraf in dem Seinen, bis hart vor die Thür. Da lief Frau Adelheid heftig in das Bad zu Friedrichen, sprach: es jagen Dir ander Leut’ freventlich auf dem Deinen; das darfst Du nimmer gestatten, sondern mußt ernstlich halten über Deiner Herrschaft Freiheit. – Der Pfalzgraf fuhr auf aus dem Bad, fiel ungewappnet und ungerüstet, nur einen Mantel umgeworfen, auf seinen Hengst und da er den Landgrafen ersah, strafte er ihn mit harten Worten; doch der wandte sich und stach ihn mit einem Schweinspieß durch seinen Leib, daß er todt vom Pferde sank. – Frau Adelheid „rang“ – wie es in einem Volksliede aus dem Anfange des 16. Jahrhunderts heißt –

„ihre weißen Hände,
Rauft aus ihr gelbweiß Haar,“

und geberdete sich gar kläglich. Demungeachtet führte sie Ludwig – noch ehe das Jahr um war – auf sein Schloß Schauenburg und nahm sie „zu einem ehelich Weib.“

Ein steinernes Kreuz mit der Inschrift:

„Hic comes cecidit Palatinus.
Hunc prostavit comes Ludovicus.

bezeichnet noch jetzt die Mordstätte.

Die Freunde des Pfalzgrafen brachten über Ludwig bald nach seiner blutigen That die Reichsacht, nahmen ihn dann auf einer Reise nach Magdeburg gefangen und setzten ihn bei Halle auf die Burg Giebichenstein an der Saale unter strenge Obhut mehrer Wächter. Hier ward er über zwei Jahre festgehalten, bis wo es ihm endlich gelang, mit seinen Getreuen ein Verständniß anzuknüpfen. Diese sollten an einem bestimmten Tage mit Kähnen

  1. Es kann nachgewiesen werden, daß dieser Acker noch lange Zeit nachher die Vorrechte einer „Freistatt“ genossen.
    Anmerk. d. Verf.
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verschiedene: Die Gartenlaube (1856). Ernst Keil, Leipzig 1856, Seite 450. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1856)_450.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)