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verschiedene: Die Gartenlaube (1856)

um unter dem Giebichenstein erscheinen und am andern Ufer, im Dorfe Kröllwitz, sein Leibroß bereit halten. Zur verabredeten Zeit wagte er denn den gewaltigen Sprung aus dem Fenster der hohen Felsenburg hinab in die Saale. Und der gelang ihm: Ludwig entkam glücklich nach Sangerhausen und erhielt nun den Beinamen der Springer. Dr. Martin Luther erzählt diese Sage folgendermaßen: „Ludwig Springer, Landgraf zu Hessen und Thüringen, ist ein zorniger, heftiger Herr gewesen, der ward vom Bischofs zu Hall gesengklich auf dem Giebichensteine enthalten, daselbst ist er zum Fenster zum Schloß hinaus in die Sala gesprungen, Einen hohen Fels hinab, durchs Wasser geschwummen, und auf seinem Klöpper Schwan davon kommen und entronnen.“

Schloß Weißenburg ward späterhin von Frau Adelheid, als sie lebensmüde und bußfertig geworden, in ein Nonnenkloster umgewandelt. Sie nannte es „Supplicium“, d. i. Sühne. Aus Supplicium ist nun im Laufe der Zeit der Name Zscheiplitz entstanden.

Scheidungen, die Hofburg der Thüringer Könige, mit Ansicht der alten Burg.

Von Zscheiplitz erreichten wir über Laucha, ein Städtchen mit alten Ringmauern und einer sehenswerthen Kirche, in etwa einer Stunde:

Burgscheidungen, an dessen Stelle einst die stolze Hofburg der thüringischen Könige von der lebensvollen Stadt „Schidingi“ in mächtigen Reihen umlagert ward. Hier war es auch, wo die Edelinge Thüringens in Schaaren zusammenströmten, um ihren geliebten König Hermannfried beglückwünschend zu begrüßen, als er an der Seite seiner jugendlichen Gemahlin Amalberga von seiner Brautfahrt wieder heimkehrte. Und weshalb hätten die Thüringer sich dieser Vermählung nicht freuen sollen? Ausgestattet mit allen Reizen, die nur ein Weib schmücken, war ja ihre Herrscherin auch die Nichte des Ostgothenkönigs Theodorich des Großen, und im Bündniß mit diesem so gewaltigen Fürsten glaubten sie sich fortan geschützt gegen die Macht der Franken und anderer feindlichen Nachbarn. Statt des gehofften Glückes aber brachte Amalberga, wie damalige Geschichtschreiben der Franken berichten – nur Unheil und Verderben – sowohl ihrem Eheherrn als auch dem ganzen Volke. So schön sie war, so stolz und herrschsüchtig zeigte sie sich bald. Sie konnte es nicht ertragen, daß ihr Gatte nur den dritten Theil des thüringischen Reiches besaß; denn das übrige Land gehörte seinen Brüdern Berthar und Balderich. Als nun einst Hermannfried aus einer Volksversammlung in seine Burg trat und sich zu Tische setzen wollte, hatte sie die Tafel nur halb decken lassen und ihm auf die Frage: was dies bedeute? geantwortet: „Einem nur halben Könige geziemt nicht, an einer ganz gedeckten Tafel zu speisen!“ Auf diese und ähnliche Weise reizte sie ihn so lange, bis er seinen Bruder Berthar erschlug und mit dem älteren, Balderich, um die Alleinherrschaft kämpfte, in welchem Kriege er von dem fränkischen Könige Theuderich von Austrasien gegen das Versprechen unterstützt ward, ihm die Hälfte der zu erobernden Länder zu überlassen. Als jedoch Balderich im Kampfe gefallen war (520), betrog Hermannfried seinen Bundesgenossen um seinen Lohn, so daß er nun das ganze Königreich seines verstorbenen Vaters (Basinus) besaß. Dieses aber erstreckte sich von der Donau bis weit über den Harz, ja früher bis an das baltische Meer, und von der Elbe bis zum westlichen Main und der Lahn. Theuderich wartete mit seiner Rache, bis der gefürchtete Ostgothenkönig Theodorich starb (528); dann aber brach er in Verbindung mit seinem Bruder, dem König Chlotar I., mit gewaltigen Heeresmassen über den Rhein nach Thüringen auf. Hermannfried lagerte mit seinen Schaaren an den Ronnebergen, in der Gegend vom heutigen Weißensee, als die Franken den Angriff begannen. Die Schlacht, bald in ein gegenseitiges Gemetzel übergehend, wüthete drei Tage lang, und die Leichen von Freund und Feind füllten endlich so das Bett der Unstrut, daß sie den Fluß dämmten und die Franken nun wie auf einer Brücke hinübergehen konnten. Hermannfried hatte ungeheure Verluste erlitten; aber erst am Abend des dritten Tages, als er noch

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verschiedene: Die Gartenlaube (1856). Ernst Keil, Leipzig 1856, Seite 451. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1856)_451.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)