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verschiedene: Die Gartenlaube (1856)

zu Grunde gingen, wenn nicht zugleich eine andere, bessere Kraft auf dem amerikanischen Boden erwachsen wäre. Sie tritt erst jetzt wahrhaft auf den Schauplatz, und zum ersten Mal wird die Präsidentenwahl zu einer Entscheidungsschlacht über das Sklavereiprinzip werden.

Ein nicht geringes Gewicht hat dabei die deutsche Emigration in die Wagschale gelegt. Der gesammte jüngere Theil derselben, alle Männer von 1848 stehen auf Seiten der Republikaner und die Festigkeit, mit der sie für dieselben auftreten, und zwar nicht nur im Norden, sondern auch im Süden, hat den größten Eindruck hervorgebracht. Die 60,000 Turner in der Union, welche unter einander in Verbindung stehen, sind allein im Stande, wenn es darauf ankäme, ein Heer zu liefern, vor dem der Süden bald erbangen würde, falls seine Herrschsucht es bis zum Bürgerkriege kommen ließe.

So energievoll die Republikaner sich als Partei hingestellt haben, so charakteristisch sind sie auch in der Wahl ihres Präsidentschaftskandidaten zu Werke gegangen.

Sie haben einen Mann gewählt, der es verdient, der Held der Zukunft zu werden, weil er eben so viel Geist als Charakterkraft besitzt und bewiesen hat, daß er die letztere anzuwenden versteht.

Der 43jährige John Charles Fremont ist vielleicht der jüngste Kandidat, der für die Präsidentschaft aufgestellt worden ist, aber nichts desto weniger einer der Würdigsten, welche dazu erkoren wurden. Der „Pfadfinder“ Fremont, der Mann, dem Amerika den Besitz von Californien verdankt, ist der trefflichste Kandidat, den sie dem alten, schlauen, mit allen Listen vertrauten Diplomaten Buchanan gegenüberstellen konnten, und schon in diesem Gegensatze drückt sich eine historische Kraft aus.

Es liegt etwas Schicksalsvolles in Fremont’s bisheriger Wirksamkeit, und so erscheint auch das plötzliche Aufstellen seiner Kandidatur, die darum wieder nur um so magischer gewirkt hat. Er ist ein Mann, den das Glück emporgetragen hat, wie nicht bald einen Sterblichen, und doch ist es ihm auch nur wieder zum Theil geworden, weil er es zu benutzen wußte, und größer noch als das Verdienst, das er sich dabei erwarb, erscheint das ruhige, kühle Ablehnen dargebotener Herrschaft nach der Erreichung des ersten Zieles, dem Volk einen Dienst zu leisten. Und nichts desto weniger oder vielmehr gerade deshalb trägt ihn die Geschichte wieder empor, und er weigert sich nicht, ihr zu gehorchen.

Dies ist eine der interessantesten Erscheinungen der neuern Zeit, und wir können uns nicht enthalten, unsere Leser darauf hinzuweisen, indem wir ihnen ein Bild von Fremont’s bisheriger Wirksamkeit, so weit diese bisher durch amerikanische Zeitungen bekannt geworden ist, entwerfen.

Fremont ist der Sohn eines französischen Emigranten, den die Revolutionsstürme aus seiner Heimath trieben, und der nach vielfachem Umherirren eine Heimath in Virginien fand, wo er das Herz einer jungen schönen Waise mit einigem Vermögen errang. John Charles wurde im Jahre 1813 als erster Sohn dieser Ehe geboren. Wenige Jahre darauf starb der Vater und die Wittwe zog nach Charleston, um ihre Kinder dort besser erziehen zu können. John Charles wurde früh in ein Advokaturgeschäft gegeben; die Fähigkeiten, welche der Knabe dort zeigte, veranlaßte seine Verwandten jedoch, ihn zum Studiren auf das Charleston-College zu schicken.

Dort widmete er sich vorzüglich dem Studium der Mathematik; in seinem sechzehnten Jahre hätte aber beinahe die Liebe seinem Studium ein Ende gemacht. Ein schönes, junges, westindisches Mädchen mit „Rabenhaar und sanften, schwarzen Augen“ that es ihm an, und er vergaß über ihren Reizen nicht nur das Studiren, sondern verlor auch die Lust, die Vorlesungen zu besuchen, und als die Professoren ihn darüber zur Rede stellten – und er so kühn war, sein Recht, verliebt zu sein, zu behaupten, kam es zur Relegation.

Das war freilich ein böses Ereigniß für Fremont; ein amerikanischer Jüngling von sechzehn Jahren läßt sich indessen so bald nicht beugen. Er verließ das College und setzte sich als Lehrer der Mathematik in Charleston fest. Diese Thätigkeit sowie der Tod seiner Schwester und seines Bruders führten ihn wieder ernsteren Lebensanschauungen zu, er entsagte seiner jungen Liebe.

Nach einigen Jahren erhielt er eine Stelle als Lehrer der Mathematik auf der Kriegsschaluppe „Natchez“, mit der er eine zweieinhalbjährige Kreuzfahrt auf den amerikanischen Gewässern machte. Diese Reise weckte seinen Forschungsdrang und er beschloß, denselben auf das Festland zu übertragen. Nachdem er ein Jahr lang als Ingenieur für die Eisenbahn von Charleston nach Cincinnati eine noch unbetretene Gebirgsstrecke vermessen hatte, schloß er sich dem französischen Ingenieur Nicollet an, welcher das Gebiet zwischen dem Missouri und der britischen Nordwestgrenze zu durchforschen hatte. Nach der Rückkehr von dieser Reise wurde er zum Seconde-Lieutenant in dem topographischen Korps ernannt.

Während er mit Nicollet in Washington die Reiseergebnisse ausarbeitete, wurde er mit der Familie des Senators Benton bekannt, und dessen zweite Tochter, Jessie, fesselte sein Herz. Sie erwiederte seine Liebe und er warb um sie. Die Eltern wollten aber nichts von dem armen Lieutenant wissen, und er erhielt gleich darauf einen Regierungsauftrag zur Durchforschung des Moisnes-Flusses. Er führte ihn aus, kehrte aber nach Washington zurück, und erneuerte seine Werbung um Jessie Benton so ernst, daß die Eltern endlich nachgaben. Die Verbindung mit dem berühmten Staatsmanne förderte natürlich seine Laufbahn. Nachdem er dem Kabinet einen Plan zur Verbindung des Mississippi mit dem stillen Ocean vorgelegt, erhielt er den Auftrag, die westlichen Grenzgebiete nebst den „Felsengebirgen“ zu bereisen, und ging im Mai 1842 von Washington dahin ab. Seine Reisegesellschaft bestand aus 21 Mann, meistentheils canadischen Pelzjägern, die mit dem Prairieleben vertraut waren, und einem Deutschen, Preuß, als Assistenz-Ingenieur.

Die Feindseligkeit der Indianer gegen die Weißen legte ihm häufig Schwierigkeiten in den Weg; die Festigkeit, mit der er den Wilden entgegentrat, schüchterte sie jedoch so ein, daß sie ihn ungehindert ziehen ließen. Es gelang ihm, den Südpaß nach den mexikanischen Gebirgen aufzufinden, und den höchsten Gipfel der Felsengebirge, 13,570 Fuß über dem Golf von Mexico, zu ersteigen.

Der Bericht, den er nach seiner Rückkehr in Washington abstattete, enthielt so viel Neues, und eröffnete eine so günstige Aussicht auf den Erwerb der Westküste, daß die Regierung sofort beschloß, Fremont zu einer zweiten Expedition auszusenden.

Als er im Jahre 1843 von Kansas auszog, wußte man noch so viel wie Nichts von Californien. Die darüber vorhandenen Karten enthielten z. B. einen Fluß, der sich in die Bai von San Francisco ergießen sollte, und den sie Bona-Ventura nannten, der aber gar nicht existirt. Fremont war der erste wissenschaftliche Reisende, der diese Gebiete betrat.

Am Salzsee, wo jetzt die Mormonen leben, war damals eine Wüste, die Sierra Nevada, in der jetzt zahlreiche Amerikaner angesiedelt sind, eine große Schneeeinsamkeit und die schönen Thäler von Sacramento und San Joaquin, welche jetzt lachende Gefilde amerikanischer Kultur sind, waren damals nur von wilden Pferden, Hirschen und Eulen bewohnt. Fremont durchforschte den großen Thalkessel und die „drei Parks“ und bestimmte den Lauf der drei großen im Centrum der Felsengebirge entspringenden Flüsse, die nach Osten und Westen fließen.

Nach der Rückkehr von dieser Reise wurde Fremont zum Kapitain ernannt, und ihm gleichzeitig der Auftrag zu einer dritten Expedition ertheilt, deren Zweck die Durchforschung des großen Thalkessels und der Uferländer sein sollte. Je nähere Nachrichten Fremont über das Land gebracht hatte, desto begieriger wurde man auch in Washington nach dem Besitz desselben.

Fremont zog im Jahre 1844 zum dritten Male aus. Nach Untersuchung der Stromquellen eilte Fremont durch die Wüste, um die Sierra Nevada vor Hereinbrechen des Winterschnees zu erreichen. Damit waren schwere Entbehrungen verbunden. Tage lang fanden die Reisenden kein Wasser, und waren daher oft der Gefahr des Verschmachtens ausgesetzt. Dazu gesellten sich die Gefahren, welche die feindlichen Indianer brachten. Mehr als einmal mußte Fremont ihnen eine Schlacht liefern, und mehrere seiner Gefährten kamen dabei um’s Leben. Er selbst trotzte jedoch allen Gefahren, und schoß selbst einmal einen Indianer nieder, der einem seiner Freunde den tödtlichen Pfeil in’s Herz senden wollte.

In den Schneemassen der Sierra Nevada ging der Expedition ferner sämmtliches Rindfleisch verloren, und als Fremont nach Monterey am stillen Ocean eilte, um sich mit den mexikanischen Behörden in Einvernehmen zu setzen, kamen ihm Dragoner

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verschiedene: Die Gartenlaube (1856). Ernst Keil, Leipzig 1856, Seite 473. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1856)_473.jpg&oldid=- (Version vom 9.5.2017)