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verschiedene: Die Gartenlaube (1856)

hat etwas Wohlthuendes. – Reis und Rindfleisch, Schwarzbrot, obgleich Niemand es will.

7. Sept. In der Nacht ist das Schiff wie toll vor dem Winde hergejagt. Mittags steht es wieder. Ein Dreimaster zeigt sich, der unsern Curs hat. Das Meer liegt da, wie ein Spiegel; der Himmel ist wolkenleer. Ich freue mich, wie ein Kind auf einen Sonnenaufgang am andern Morgen und Abends auf den Mondenschein. – Erbsen und Rindfleisch, auch Häringe.

8. Sept. Der Sonnenaufgang nicht zu sehen, da Wolken in Osten stehen. Ein Zweimaster in Sicht. Die Matrosen lüften ihren Sonntagsstaat, – kommen wir bald an? – Sauerkraut und Schweinefleisch.

9. Sept. Gute Nacht. Um 1 Uhr Mittags plötzlich, ohne alle Anzeichen heftiger Sturm, daß alle Männer mit zugreifen müssen, um so rasch als möglich die Segel einzuziehen. Uns zur Seite ein Dreimaster, der von dem Sturme entsetzlich herumgeworfen wird; Segel von ihm fliegen fort. Gegen 9 Uhr Abends läßt der Sturm nach, setzt aber in widrigen Wind um. – Reis; Rindfleisch nimmt Niemand, da es entsetzlich salzig ist, bitter schmeckt und grün und gelb aussteht. Essig und Butter wird vertheilt.

10. Sept. Schlechte Nacht, da das Schiff gewaltig schwankt. Wann gibt es wieder einmal einen ruhigen Schlaf? Gegen Morgen wird eine Frau von einem Kinde entbunden, nachdem sie 48 Stunden in Wehen gewimmert. Gegen Abend schauerliche Vorbereitungen, – der Kapitain erwartet nochmals Sturm. – Weiße Bohnen und Speck.

11. Sept. Eine traurige Nacht. Der Sturm brach los. Das Schiff krachte und stöhnte, als wolle es jeden Augenblick aus den Fugen gehen; die Wellen spielen Haschens über das Verdeck; im Zwischendeck steht das Wasser; die Raaen tauchen 4–5 Ellen tief in’s Meer; die Matrosen können die Segel nicht bewältigen; zerrissene Taue schleudern herüber und hinüber und schlagen unter Andern einen Matrosen blutig. Der Mond sieht aus, wie eine steigende und fallende Leuchtkugel, da die haushochgehenden Wogen das Schiff bald heben, bald senken. Gegen Morgen erst legt sich der Sturm und es wird hell. Den ganzen Tag bleibt der Wind stark und das Meer aufgewühlt. Es ist eine Kunst auf dem Deck zu gehen ohne zu fallen. Ein Zweimaster in Sicht. – Spät Graupen; Fleisch mag Niemand.

12. Sept. In der Nacht liegen alle wie im Todtenschlafe, da es ruhig ist und alle ermüdet und von der Aufregung abgespannt sind. Den Tag über guter Wind; nichts Ungewöhnliches. – Erbsen und Rindfleisch.

13. Sept. Wir holen einen Dreimaster ein und sind im Golfstrom, da wieder Seegewächse sichtbar werden. Schönes Wetter, guter Wind. Ich bleibe eine halbe Nacht auf dem Deck, da das Meer wunderbar schön leuchtet; aus der Schiffsspur fliegt es wie Funken auf aus einem Schmiedefeuer. Die Habseligkeiten des Kapitains und der Steuerleute werden gelüftet; sie sagen, wir wären bald am Ziel. Der Wind wird wieder stärker. – Sauerkraut.

14. Sept. Wieder so starker Wind, daß man sich an Seile anhalten muß, wenn man auf dem Deck bleiben will; dazu springen häufig Wellen über’s Deck, daß man rasch zu laufen hat, um ihnen undurchnäßt zu entkommen. Zwei Schiffe, die von Amerika kommen. – Reis und Rindfleisch.

15. Sept. Wieder konnte wegen Schwankens des Schiffes Niemand schlafen. Wir sind nochmals im Golfstrom, denn das Wasser ist ganz warm. – Erbsen, Speck und Häring.

16. Sept. Noch sechs Tage! So heißt es. Klarer Himmel, aber fortwährend Spritzwellen über’s Deck. – Weiße Bohnen und Rindfleisch.

17. Sept. Das Schiff geht schnell und ohne Schwanken; früh schien der Himmel im Feuer zu stehen. Eine Frau fällt von der Zwischendeckstreppe und bricht einen Arm. Unbeschreiblich schönes Abendroth. Dicht neben uns ein Dreimaster. Die Geduld ist so ziemlich zu Ende. – Sauerkraut und Speck.

18. Sept. Guter Wind; warmes schönes Wetter. Schaaren von fliegenden Fischen. – Reis und Rindfleisch.

19. Sept. Fast Windstille; heiß; die Leute suchen die Langeweile zu verschlafen. – Erbsen und Speck.

20. Sept. In der Nacht starb ein Kind, das Vormittags in’s Meer gesenkt wird. Wir sehen vier Schiffe, eins nach Bremen ganz in der Nähe. Den ganzen Tag bis gegen Abend im Golfstrom. – Sauerkraut.

21. Sept. Einzelne Landvögel. kommen auf das Schiff, eine Art Hänflinge, und werden gefangen. Wieder Spritzwellen.

22. Sept. Streitigkeit, fast Schlägerei wegen des Brotes; alle wollen Weißbrot und sollen doch auch etwas Schwarzbrot nehmen. Es kommen mehr und häufiger Landvögel, die gefangen werden. Zwei Kinder starben und wurden miteinander versenkt. – Sauerkraut und Rindfleisch.

23. Sept. Beim klarsten Himmel der wundervollste Sonnenaufgang; das Meer liegt da und glänzt wie ein Spiegel; es ist sehr warm. Ein Seekrebs unterhält uns. Noch 600 englische Meilen! – Reis und Fleisch. Speck und Syrup wird vertheilt.

24. Sept. Wir fahren bald östlich, bald südlich; der Wind setzt fortwährend um; die Matrosen müssen die Segel alle Viertelstunden anders richten; wir drehen uns buchstäblich im Kreise. Früh ein Schiff in Sicht, später zwei. – Linsen und Speck.

25. Sept. Das Land muß nahe sein. Eine Schleiereule kam auf das Schiff und blieb ziemlich lange, obgleich Alle mit Kohlen nach ihr warfen, auch Landschwalben erschienen; Seeschwalben haben uns fast gar nicht verlassen. Ein Schiff ist vor uns; wir holen es ein, es ist die „Carolina“ aus Bremen mit Auswanderern. Abends leuchtet das Meer wieder, ein Anblick, der nicht zu beschreiben ist. – Reis und Rindfleisch.

26. Sept. Ein Baumstamm mit Aesten und Blättern kommt geschwommen. Ich weiß nun, wie es Columbus auf seiner Fahrt bei einem solchen Anblick zu Muthe war. Wenn man es lieset, kann man es nicht so fühlen. Zwei Schiffe. Ein Kind stirbt. – Erbsen wie Kugeln.

27. Sept. Das Kind wird in’s Meer gesenkt. Das Meer leuchtete in voriger Nacht wieder herrlich, aber das Schiff kam kaum von der Stelle. Seit drei Tagen ist es so heiß, daß es in dem Schiffe nicht auszuhalten ist. Viele schlafen auf dem Deck, bis sie der starke Thau doch hinuntertreibt. Beim großen Bär zeigen sich gleichsam drei große Feuersäulen, wie ein unvollkommnes Nordlicht. Windstille. Zahllose Blackfische umschwärmen unser Schiff. – Erbsen und Rindfleisch.

28. Sept. In der Nacht erhebt sich der Wind, früh deshalb großer allgemeiner Jubel, aber wir segeln südlich und es ist so kühl, daß man kaum auf dem Decke bleiben kann. Ein Boot zeigt sich; allgemein glaubt man, es sei der ersehnte Lootse, dann so dichter Nebel, daß man nicht zwanzig Schritte weit sehen kann. Deshalb wird Wache ausgestellt. Abends verzieht sich der Nebel; die Sterne treten hervor und es blitzt. Das Senkblei wird ausgeworfen. – Graupen und Rindfleisch.

29. Sept. In der Nacht wieder eine Frau durch ihren Mann von einem Knaben glücklich entbunden. „Das Schiff streicht durch die Wellen.“ Ein abgebrochener Mast mit Takelage schwimmt vorüber. Es ist kalt. – Sauerkraut und Schweinefleisch.

30. Sept. Der Steuermann schlägt die Vorrathskammer auf, ein gutes Zeichen. Alles wird ausgegeben bis auf Vorrath auf drei Tage. Selbst die Matrosen haben die Fahrt zum Ueberdruß. Es stirbt noch ein Kind. Eine Brigg segelt in Büchsenschußweite vorüber unter entsetzlichem Schwanken. Der Wind legt sich, o weh! Das Kind wird begraben.

1. Okt. Jeder bekommt so viel Wasser, als er haben will. Acht Schiffe in Sicht, darunter mehrere kleine. Eins kommt, heran, es ist ein Lootsenboot – rothe Flagge mit schwarzem Kreuz! Der Lootse steigt an Bord, ein Mann, fein, als wollte er zum Balle gehen. Die Ankerketten werden gehoben und zurechtgelegt – wer beschreibt das Gefühl! Die „Carolina“ ist wieder bei uns. Halb zwei Uhr Nachmittags erblicken wir in Nordnordwest Land, eine Hügelkette, und ein dreimaliges Hurrah ertönt. Gegen sieben Uhr rasseln die Anker nieder und wir können trotz dem Regen das Land, die zahllosen Schiffe und die Lichter betrachten, welche New-York andeuten. – Noch einmal weiße Bohnen und Rindfleisch.

2. Okt. Alle Strohsäcke fliegen über Bord; ein Dampfschiff bringt uns an’s Land, an’s Ziel!



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