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verschiedene: Die Gartenlaube (1856)

von Zweibrücken (in Darmstadt). Ueber die erstere schreibt Herder’s Braut Caroline Flachsland am 6. Febr. 1772: „ich habe mit einem Mädchen meines Alters das Bündniß der schönsten Freundschaft mit Thränen geschlossen. Sie ist das empfindungsvollste, edelste, schönste Herz als ich je ein Mädchen gesehen, das erste, das ich so mit meiner ganzen Liebe umfasse. Sie hat mir an meinem Geburtstage ein blaues Herzchen an einem weißen Unschuldsbande zum Band unserer Freundschaft geschickt. Wir haben uns einige Tage vorher in Merk's Stube kennen gelernt oder vielmehr gesehen. Wie zwei Kinder, die sich lange nicht gesehen, haben wir einander umarmt und so den ganzen Tag über geschwärmt. Beim Abschied war sie zum Ersticken bewegt, während ich weinen konnte; ihre Augen schienen, wie die einer Sterbenden, in den Himmel zu wollen. Merk sagte mir, er habe sie mit dem äußersten Zittern die Treppe hinuntergeführt. Sie ist ein süßes schwärmerisches Mädchen, hat ihr Grab in ihrem Garten gebaut, einen Thron in ihrem Garten, ihre Lauben und Rosen, wenn’s Sommer ist, und ihr Schäfchen, das mit ihr ißt und trinkt. Wir werden uns oft schreiben … Sie lebt sehr einsam in Homburg und das macht ihr das Herz so gepreßt und voll, daß sie sich an jeder guten Seele, die sie findet, ordentlich wie anklammert. So ging es ihr mit einem Herrn von Rathsamhausen, Hofmeister beim Erbprinzen in Darmstadt. Er ist ein ehrlicher guter Mann mit recht viel Empfindung, aber wegen des armen Mädchens war er sehr verlegen, weil sie den Weg der Liebe ging und er sie doch niemals heirathen kann. Die arme Lila!“ – Als Goethe Anfang April 1772 in Darmstadt war, wurde ihm von dem „Lilamädchen“ erzählt und als er gegen Ende des Monats wiederkam, fand er die süße Schwärmerin auch da. Im Mai darauf sah er sie nochmals und er las die Geschichte des armen Lefebre in „Tristram Shandy’“ vor. Sie gab der Freundin Blümchen aus ihrem Garten, die diese in Norik’s „empfindsame Reisen“ legte. – „Wenn Goethe,“ schreibt sie an Herder, „von Adel wäre, so wollte ich, daß er sie vom Hofe wegnähme, wo sie auf unverantwortliche Weise verkannt wird. Aber so geht’s nicht. Sie wären einander werth.“ Einige Tage später schickte sie Herdern die Gedichte Goethe’s „Elysium“ und „Morgenlied“ und setzte hinzu: „sie beziehen sich fast ganz auf die Zeit, wo er Uranien und Lila zum ersten Male sah.“ Er selbst hatte sie an Lila geschickt und zwar von Wetzlar aus. Sie passen vollkommen zu der schwärmerischen Empfindelei, von der wir so viel hören.

Als Lila wieder von der Freundin scheiden und nach Homburg zurückkehren mußte, hatte sie den Muth nicht, Abschied zu nehmen. „Sie schickte mir,“ schreibt Herder’s Braut, „eine Blume, die französisch Lilas heißt. Ich habe sie etliche Male ganz allein in unserem Hause gesprochen. Wir saßen beisammen auf einem Sopha und erzählten uns die Geschichte unserer Herzen. Herr von Reutern, ein Lievländer, war der erste Freund ihres Herzens. Sie sah und lernte ihn kennen vor dritthalb Jahren in Homburg; sie liebte sein empfindungsvolles, freundschaftliches Herz, mit dem er ihr von einem verstorbenen Freunde und seiner noch lebenden Mutter erzählte, und so kam Sympathie und Liebe zusammen; sie trennten sich unbestätiget und ungewiß und – er schreibt nicht an sie, um, wie er in einem Briefe an ihre Freundin sagt, ihre Ruhe nicht zu stören. Jetzt und schon seit guter Zeit ist die arme Lila ruhig und sie sagt mir, daß sie sich nun nicht entschließen könnte, nach Lievland zu gehen. Ein jedes empfindsame Herz wird von dem Engelsmädchen angesteckt und mich dünkt, Goethe denkt ernsthaft darüber nach.“ Allerdings scheint selbst Merk's Frau diese Schwärmerin wie Uranien gefürchtet zu haben, wenigstens schreibt Herder’s Braut: „die gute Frau lebt wieder auf, da Fräulein von Roussilon und Ziegler nicht mehr hier sind und ihr Mann jetzt wieder mehr mit ihr lebt. Sie hat aufrichtig gestanden, daß es ihr wehe gethan, daß er so oft bei ihnen gewesen.“

„Meiner Freundin Lämmchen ist todt,“ meldet die Flachsland im Novbr. „Dafür bat sie jetzt einen treuen Hund. Hätte doch ihr Herz einen treuen Freund, der es verdiente. Da nagte den halben Sommer über ein Deutschfranzos, ein Berliner, eine fade Kreatur, ein Deutscher, der kein Deutsch spricht, Herr von Boden genannt, an ihrem Herzen um Liebe. Das gute Mädchen fühlte nichts, war ihm aber herzlich gut und beinahe, wären Merk und ihre Freunde nicht gewesen, hätte sie ihm ihr Herz gegeben, ohne daß sie es selbst gedacht hätte, wie. Sie hat einmal Reutern geliebt, liebt ihn noch und kann keinen andern Mann mehr ganz lieben. Ein junger schöner reicher Mensch aus Zweibrücken liebt sie schon von ihrem 15. Jahre an, sie ihn nicht; er ist darüber krank, elend und in ihrer Abwesenheit todtkrank an einer Auszehrung gelegen. Ich habe ihn aus lauter Mitleiden lieb, recht lieb und habe für ihn bei ihr gebeten – denn er muß gewiß eine schöne Seele haben, aber sie kann nichts für ihn thun.“

Uranie war immer krank, so daß Herder’s Braut einmal schreibt: „die gute Seele hätte wohl ein anderes Schicksal verdient, als ihr Leben krank am Hofe zu verseufzen. Fast den ganzen Winter 1773 war sie krank und im März lag sie in einem Anfall von Miserere darnieder.“ Das letzte, was wir von den beiden zarten Seelen erfahren, ist eine Stelle in einem Briefe vom April 1773: „Lila ist seit einiger Zeit hier an dem Krankenbett der sterbenden Uranie. Es neigt sich seit gestern sehr zu Ende; sie kämpft seit fünf Wochen mit Leben und Tod und hat viel gelitten.“

Goethe war bekanntlich im Frühjahr 1773 nach Wetzlar gegangen und hatte dort sein Herz an Charlotte Buff verloren. Er kam zwar nach seiner Flucht von dort noch manchmal nach Darmstadt, aber Car. Flachsland schreibt am 17. April 1773: „er ist rückhaltender, als jemals.“





Eine neue Aktiengesellschaft. Die Spielbanken von Wiesbaden und Ems, welche am 27. d. M. geschlossen wurden, gingen mit diesem Tage aus den Händen der bisherigen Pächter Simons und Chabert in diejenigen einer Aktiengesellschaft über, an deren Spitze die in Berlin und Karlsruhe ansässigen Herren von Haber stehen. Die gegenwärtigen Pächter erhalten eine Abstandssumme von 1,200,000 Gulden, während der Staat von der beregten Gesellschaft außer dem Jahrespacht im Betrage von 105,000 Gulden eine Viertelmillion Gulden, wie man sagt, zur freien Disposition empfängt. Außerdem zahlt die Gesellschaft der hiesigen Theaterverwaltung eine jährliche Beisteuer von 10,000 Gulden und endlich für Musik circa 50,000 Gulden. Trotz der immensen Höhe dieser Ausgaben ist es jedoch den Bemühungen des Herrn von Haber nicht gelungen, von der Regierung die Ermächtigung zur Einführung des Winterspiels zu erzielen, und die einzige Vergünstigung, welche ihnen in Berücksichtigung des erhöhten Pachtgeldes gewährt worden, besteht darin, daß die hiesigen Spielsäle statt am 1. Mai, schon am 1. April eröffnet werden können. Der Vertrag erlischt übrigens mit dem Jahre 1872. – Zur Schande Deutschlands, wo sich eine solche Aktiengesellschaft bilden konnte, sei gefragt, wie viel sie verdienen, d. h. wie viel sie durch das nichtswürdige Mittel des Spiels ihren Mitbürgern ablocken muß, am bestehen zu können und auch gute Dividende zu zahlen?






Nutzen der verschiedenen Farben. Daß die Haare, die Haut und unsere Kleider schlechte Wärmeleiter sind, braucht wohl nicht erst gesagt zu werden. Alle Körper leiten die Wärme, manche aber schneller, manche langsamer. Letztere machen die schlechten Wärmeleiter aus. Die Verminderung der Leitungsfähigkeit der schlechten Wärmeleiter ist nur aber bedingt durch die Farbe den Körpern. Wie die Lichtstrahlen von weißen, glänzenden Körpern zurückgeworfen werden und nicht leicht in dieselben eindringen, so ist es auch mit den Wärmestrahlen, die schwer in weiße glänzende Körper eindringen oder aus ihnen strahlen. Ein glänzend polirter silberner Theekessel braucht viel mehr Zeit, ehe er sich erhitzt, als ein anderer, während heißes Wasser in demselben sehr lange seine hohe Temperatur behält. So ist es auch mit weißen Kleidern, Bäumen, mit weißer Rinde. Der Schnee schützt durch seine weiße Farbe die Pflanzen, die er bedeckt; streut man Kohlenpulver darauf, so erfrieren sie. Die ersten Blüthen sind weiß, weil sie dieser Farbe wegen den Einwirkungen der Kälte besser widerstehen, als wenn sie anders gefärbt wären. Das Haar des Menschen wird weiß im Alter, damit es die Kopfwärme nicht leicht entweichen lasse (?), die Natur gibt manchen Thieren im Winter ein weißes Kleid, blos um sie kräftiger vor der Kälte zu schützen. Die Nordländer haben meist blondes Haar aus gleichem Grunde, und kleiden sich weiß. Weiter nach Süden wird das Haar dunkler; in Spanien bereits herrscht das schwarze Haar, und die Bewohner den Landes kleiden sich meist in dunkle Farben, um der Wärme ihres Körpers leichter durch dieselben einen Ausgang zu verschaffen. Darum gab die Natur den Bewohnern des heißen Afrika’s sogar eine schwarze Hautfarbe. Allerdings leidet ein Schwarzer, wenn er den Sonnenstrahlen unmittelbar ausgesetzt ist, mehr als ein Weißer, weil seine schwarze Haut die Wärmestrahlen leichter durchdringen läßt, aber er mag Schutz suchen, der Weiße würde in solcher Glut umkommen, weil seine weiße Farbe die Hitze im Körper zurückhält. Die Sieger kleiden sich dagegen weiß, um das Eindringen der Wärme von Außen einigermaßen abzuhalten und aus gleichem Grunde viele, ohne es zu wissen, kleiden sich so unsere Damen im Sommer.



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