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verschiedene: Die Gartenlaube (1856)

sehr billigen Preis abgelassen. – Der kleine Raum für das Schulhaus allein ist jetzt zu einem höheren Werthe gerichtlich veranschlagt worden. Die Trockenlegung des neuen Anbaues wurde erzielt durch Erbauung eines Kanals unter dem Bette der Elster hinweg unweit der im Jahre 1842 in ihr errichteten Neubert’schen Schwimmanstalt. Er mündet aus unterhalb der Hohenbrücke am jetzigen Frankfurter Thorhause. Durch diese wohldurchdachte Röhrenlegung wurde das ganze Gebiet der mehr erwähnten Grundstücke zwischen Elster und Pleiße (Mühlgraben) entsumpft und zu jeder Zeit frei von Ueberschwemmungen gehalten, deren es bis dahin sehr ausgesetzt war, so zwar, daß man unter Anderm im Jahre 1829 mit Kähnen in Reichel’s Garten zu einander fahren mußte. Nach jenen Vorbereitungen und mehren bewirkten Käufen konnte Heine erst mit Sicherheit des Erfolgs an Ausführung seiner Pläne denken, die wir Zeitgenossen nach dem Ablauf einer so kurzen Zeit von funfzehn Jahren in Wahrheit und Wirklichkeit in der von Jahr zu Jahr sich mehr bevölkernden West-, Wiesen- und Promenadenstraße vor uns sehen. – Die Sümpfe sind bebaut, – heißt es in der deutschen Gewerbezeitung, Heft 4. 1856 – auf die man einst nicht bauen lassen wollte, die Sümpfe, auf welchen die katholische Kirche steht, auf welchen sich vorzugsweise Aerzte und solche Leute anbauen, welche die Mittel haben, der Sumpfluft auszuweichen, wenn sie es nicht angenehmer fänden, in diesem vielfach belächelten Stadttheile sich niederzulassen. –

Die Weststraße mit den Heine’schen Häusern.

Die Thatsachen von zehn Jahren sprechen zu deutlich, als daß man nicht begreifen sollte, was nach zehn Jahren aus Sümpfen wird, wenn menschliche Thätigkeit sie mit Fleiß und Einsicht behandelt. – –

Heine’s und Reichel’s neuer Anbau ist jetzt an Grund und Boden in niedriger Veranschlagung zu 1 Thlr. die □Elle, etwa 600,000 Reichsthaler werth, während der Boden vor 15 Jahren nicht zu 30,000 Thaler abzuschätzen war. Eine Waschanstalt an der Weststraße baute Heine 1843, das große, schöne Vordergebäude an der Promenade, zur Stelle des alten Rudolph’schen Gartens, 1846–1847. Das Reichel’sche Quergebäude wurde im Jahr 1849 von ihm durch ein Stockwerk erhöht, eine Brücke über die Elster 1850 fertig –. Die Erlaubniß zu ihrem Bau wurde in Betracht der arbeitslosen Zeit erwirkt –. Das lange Haus in der Weststraße entstand 1851. 1852–53 folgten die fünf gegenüberstehenden Häuser. Im Jahre 1855 fand die vollständige Auffüllung der verlängerten Weststraße bis auf die Lindenauer Chaussee statt. Zu allen diesen Auffüllungen gebrauchte Heine viele gute Erde. Diese war begreiflicher Weise in der Nähe von Leipzig nicht zu erhalten. Heine richtete daher sein Augenmerk zunächst auf die Höhen von Plagwitz, am Ufer der Elster, etwa 1¼ Stunde oberhalb Leipzig gelegen. Diese waren zu Kahn erreichbar, wenn das Bett der Elster vorher ausgetieft wurde. Eine Ausbaggerung mußte daher vorgenommen, zugleich ein Vertrag mit einem Grundbesitzer in Plagwitz wegen Ueberlassung von Erdreich abgeschlossen werden. Und bald befuhren große Kähne, die aber erst beschafft werden mußten, die Elster, und brachten gesundes, trockenes, steinigtes Erdreich auf die feuchten Niederungen. Die Hinausrückung der Stadtthore rief neue Ideen der Vergrößerung der Stadt in den Köpfen vieler weiter schauenden Leipziger wach!

Aber nirgend fanden sie eine so großartige, kräftige Belebung, als am Frankfurter Thore durch die Aufschüttung der Verlängerung der West- und Elsterstraße, welche letztere, über die Frankfurter Straße fortsetzend, eben jetzt zu der prachtvollen 180 Fuß breiten, mit vier Reihen Linden bepflanzten „Waldstraße“ 7 bis 8 Fuß hoch aufgeschüttet wird, die unweit des Amelung-Wehres später die Elster überspringen und, die Thüringer Eisenbahn durchschneidend, bis auf die Chaussee bei Möckern jedenfalls fortgesetzt werden wird. Zur Seite der Waldstraße sind für nächste Zeit Gärten, für spätere anmuthige Landhäuser gedacht. Der Plan liegt vor, dermaleinst die Waldstraße durch die Gebiete der großen Funkenburg und des Schwägrichen’schen Gartens mit der Stadt in Verbindung zu setzen. Millionen von Kubikellen Auffüllmaterial werden gebraucht, um diese niedrigen, durchwässerten Gebiete zur gesunden Bauhöhe hinaufzubringen. Auf der andern Seite nach Westen befinden sich noch viel größere Strecken tiefliegender Ländereien, die innerhalb des Stadtgebiets der Abrundung wegen fallen müssen. Es ist anzunehmen, daß mindestens 8 bis 10 Millionen Kubikellen Füllmaterial dazu gehören, um nur die Strecken bebaubar zu machen, die vermöge der zunehmenden Bevölkerung Leipzigs und in Voraussicht des anwachsenden Handels und Verkehrs zu Wohnungen, freien Plätzen, Promenaden, Speicherräumen, Ablade- und Stapelplätzen für Korn und andere landwirthschaftliche Erzeugnisse, Holz, Steinkohlen, Braunkohlen, Steine, Ziegel u. s. w. nöthig sind.

Die Nothwendigkeit, immer mehr Füllmaterial schon jetzt zu beschaffen, und die sichere Aussicht auf steigendes Bedürfniß desselben nöthigte Heine zum Ankauf des größeren Theils der Grundstücke des Dorfes Plagwitz, zur Erbauung von großen Kähnen, von 12 bis zu 3000 Zentner Tragkraft, drängte ihn zur Benutzung von Eisenbahnschienen auf verlegbaren Schwellen und Drehscheiben, zur Anfertigung von zweckmäßigen Kippkarren, Aufzügen und Dampfmaschinen in derselben Weise, wie solche der Bau

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verschiedene: Die Gartenlaube (1856). Ernst Keil, Leipzig 1856, Seite 629. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1856)_629.jpg&oldid=- (Version vom 9.5.2017)