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verschiedene: Die Gartenlaube (1856)

von Eisenbahnen erforderlich macht, wenn mit Vortheil gebaut werden soll.

Um dem zu Gebote stehenden Erdreich an den Hängen von Plagwitz nahe zu kommen, sah sich Heine ferner bald gezwungen, einen Kanal in den Berg zu treiben, der in seinen obersten Schichten aus zerklüfteter Grauwacke besteht. Mit diesem Kanal, in einer Breite von 20 Ellen, ist er bereits etwa 700 Ellen vorgerückt. Er arbeitet zur Zeit in festem Gestein, kühn vorwärts dringend, um dermaleinst mit diesem Kanale die Saale zu erreichen. Die sächsische Staatsregierung begünstigt in hoher staatswissenschaftlicher Weisheit sein Unternehmen.

Unsere Abbildung zeigt die Einfahrt in diesen werdenden Kanal, an dessen Ufer sich bereits eine Schneidemühle an Dampf, neuester Bauart, und eine Fabrik zur Darstellung von Geräthen, Bautheilen und Verzierungen aus Cementmasse erheben. Bald wird eine Fabrik zur Anfertigung von allerlei gebrannten Steinen folgen. Nahe der Leipziger Ausmündung der neuen Nonnenstraße steht die blühende „Chemische Fabrik.“

Von größter Wichtigkeit ist in mehrer Beziehung das Zustandekommen dieses Kanals, etwa auf dem Wege über Markranstädt Kötschau, Schladebach, Wölkau zur Saale. Auf einem Kanale sind bekanntlich Produkte fortzuschaffen, die dazu auf Eisenbahnen nicht wohl geeignet sind, z. B. Holz, Erde, Dünger, Steine, Kohlen, Mineralien aller Art, Salz, Getreide u. s. w.

Heine beschäftigt sich bereits mit der Verbindung der Pleißengewässer unweit des jedenfalls dicht dabei an der Connewitzer Chaussee anzulegenden Produktenbahnhofs der sächsisch-bairischen Eisenbahn mit den Gewässern der Elster. Schon werden von ihm in dieser Richtung Kanäle gezogen. Das dazu erforderliche Schimmel’sche Gut mit seinen Ländereien und Gewässern besitzt er, dem Vernehmen nach, bereits in Gemeinschaft mit einem Andern, und auf den neuerdings von ihm erworbenen Wiesen jenseits des Kuhstrangsabflußgraben hat er eine Kunststraße gegen Plagwitz geführt, zu deren Seite Kanäle eine schiffbare Verbindung zwischen Pleiße und Elster herstellen, und zugleich eine Entwässerung der sumpfigen und versauerten Wiesen zwischen diesen beiden Flüssen mit Hülfe eines unter dem Bette der Elster unterhalb des Hochzeitwehres in den Abzuggraben mündenden Kanals bewirken werden. Diese neue Kunststraße mit ihren breiten Durchlässen an der Seite der Kanäle wird, die Elster vor Plagwitz überschreitend, auf dessen großer Wiese ausmünden, woselbst die Elster-Saal-Kanalgewässer in einen weiten Behälter sich sammeln sollen. Umringt von schönen Wald- und Hügelparthieen, wird diese Wiese nebst den anstoßenden Grundstücken den schönsten Punkt in der nächsten Nähe von Leipzig zur Anlage von Landhäusern und Gärten, woran, es noch sehr fehlt, darbieten. Aus dem weiten Wasserbehälter wird ein anderer Kanal das Wasser der Elster und weiter die Elster-Saal-Kanalgewässer erforderlichen Falls in der Richtung des Rosenthal-Amelungwehres ablassen.

Durch die neue Straße, die wir, weil sie gerade auf die unter dem Namen Nonne bekannte Waldung zuführt, mit dem Namen „Nonnenstraße“ bezeichnen wollen, erhält Leipzig eine Fahrstraße aus der Stadt – dem Zeitzer und dem Frankfurter Thore mitten inne liegend – wodurch der Weg vom Leipziger Markt bis zur Höhe von Plagwitz und Kleinzschocher von einer Stunde bis auf eine halbe Stunde gekürzt, und ein Wiesenplan der städtischen Kultur erschlossen wird, wo seither nur – im Durchschnitt wenig Ertrag gebend – Mäuse die Erde kultivirten, Frösche und Unken im Wasser unter dem Schatten von Schilfpflanzen arbeiteten. – Der Elster-Saal-Kanal wird nach seiner Vollendung die Verhinderung der Elsterüberschwemmungen bei Leipzig, da die Saale bei seiner Ausmündung 33 Ellen tiefer liegt, sehr erleichtern, und wäre daher in das System der vorseienden Wasserregulirung der Elster-Pleißengewässer wohl mit aufzunehmen.

Von höchster Wahrscheinlichkeit ist es, daß durch die Fortsetzung des Kanals, in dem schon jetzt beim Beginnen Gänge und Nieren oolitischen bau- und schmelzwürdigen Eisensteins in der Grauwacke bloßgelegt worden sind, in der Fortsetzung devonischer Formation zwischen Plagwitz und Dürrenberg sehr werthvolle Metalle und Fossilien aufgeschlossen werden. Die Steinkohlenformation und selbst Steinkohle ist in den Bohrlöchern von Dürrenberg, freilich in sehr großer Tiefe, schon nachgewiesen. Es ist durchaus nicht zu kühn gehofft, daß sie in geringerer Tiefe in den höher gelegenenen Strecken der Kanalrichtungslinie vorkommen. Denn da die unterliegende devonische Formation bei Plagwitz zu Tage tritt und in der Richtung zur Saale streicht, so muß die Steinkohlenformation an irgend einem Punkte zwischen Plagwitz und der Saale der devonischen Formation überliegend, in viel geringerer Teufe als bei Dürrenberg getroffen und wohl auch Steinkohle aufgeschlossen werden können.

Was wir im Vorstehenden geschildert haben, ist das Werk, „Eines Leipziger Bürgers.“ Mit geringer Unterstützung von außen hat er bis jetzt geschafft und durch sein Schaffen hervorgerufen etwa 7 schöne breite Straßen mit mehr als 100 großen gesunden Häusern auf beiläufig 50 Ackern, früher tiefliegenden Wiesen, die mit 3 bis 4 Millionen Kubikellen Erdreich aufgefüllt wurden, Ausbaggerung und Schiffbarmachung der Elster eine halbe Stunde stromaufwärts von Leipzig bis in den Kanal, welcher dermaleinst die Elster mit der Saale verbinden und Leipzig eine Wasserstraße bis in die Elbe geben wird, von einer Tiefe, daß kleine Dampfboote sie befahren können, Eröffnung von über 100 weiteren Ackern sumpfiger Wiesen der städtischen Kultur, vermöge der jetzt stattfindenden Kanalisirung und Anlegung der Nonnenstraße bis nach Plagwitz. –

– Und noch viele Arbeit liegt vorhanden und ist Raum dazu da –!

Heine ist ein hochgewachsener, kräftiger und gesunder Mann von der angenehmsten Persönlichkeit, vom Morgen bis Abend thätig im Freien, alle Unternehmungen selbst überwachend und leitend. Seine Stimme schallt klar und gebietend! – Seine vielen Arbeiter verehren ihn, denn sie wissen, daß er der Arbeit Werth und Würde schätzt, und, seine höheren Ziele vor Augen, nie ängstlich und kleinlich rechnet, wohl aber mit Klugheit und Gewandtheit die Interessen zu verwalten und zu vertreten weiß, die eine ungewöhnliche Verkettung von Umständen in seine Hand gelegt hat und noch legen wird.




Ein Abenteuer Passalacqua’s.


Der bekannte und berühmte Alterthumsforscher Passalacqua, dem wir in Betreff der Kenntniß des alten Egyptens sehr viel verdanken, erlebte in dem alten Theben ein Abenteuer, das eine so furchtbar ernste, Vieler Leben, wie das Passalacqua’s selbst, bedrohende Wendung nahm, daß es interessant ist, ihm bei der Erzählung desselben, zu folgen.

In der Nekropolis von Theben, wo immer noch eine unerschöpfte Fundgrube egyptischer Alterthümer ist, hatte Passalacqua eine im Sande begrabene Mumie entdeckt. Die Erfahrung, daß solche Mumien meist sich über einem in den Felsen gehauenen Grabe befinden, entflammte die Begierde des Alterthumsforschers mit aller Macht und Abd-el-Hamid, der in Sachen der Ausgrabungen erfahrene und gewandte Führer der arbeitenden Fellahs, bestärkte ihn mächtig in seiner Ansicht und rieth, sogleich an’s Werk zu gehen, da das Felsengrab sich sicher finden werde. Bei dem alten Araber war es natürlich nicht das Interesse, welches Passalacqua hatte, sondern die Absicht, Geld zu verdienen, die ihn trieb, Jenen in seinen Ansichten und Hoffnungen zu bestärken; dennoch war die Abstimmung Beider wesentlich dazu dienlich, das gefährliche Unternehmen augenblicklich zu beginnen. Gefährlich war es darum, weil es in eine bedeutende Tiefe zu graben nöthigte und der Sand, der Alles deckte, gegen den Einsturz seiner Massen keine Sicherheit lieh. Abd-el-Hamid aber, an solche Abenteuer gewöhnt, griff mit seinen Leuten rasch das Werk an, dessen Fortgang Passalacqua mit den Augen einer glühenden Liebhaberei verfolgte. Sie wurde indessen immer bedenklicher und gefährlicher. Der nicht fest aufeinander gekittete Sand rollte unaufhörlich nach und drohte die Arbeiter zu verschütten.

Passalacqua wollte die Arbeit einstellen lassen, eben weil er das Schlimmste für die armen Fellahs fürchtete, allein Abd-el-Hamid

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verschiedene: Die Gartenlaube (1856). Ernst Keil, Leipzig 1856, Seite 631. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1856)_631.jpg&oldid=- (Version vom 9.5.2017)