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verschiedene: Die Gartenlaube (1856)

Die Leichenverbrennung als die geeignetste Art der Todtenbestattung oder Darstellung der verschiedenen Arten und Gebräuche der Todtenbestattung aus älterer und neuerer Zeit, historisch und kritisch bearbeitet. (Breslau, bei Korn. 1855. 8.),“

eine Schrift, welche in den nichtärztlichen Zeitschriften oder Lesekreisen bei weitem nicht die ihm gebührende Kenntnißnahme und Würdigung gefunden zu haben scheint. Dasselbe Buch hat dem Referenten eigentlich den Anstoß gegeben, seine eigenen, seit Jahren mit sich herumgetragenen Ansichten und Projekte über diese Angelegenheit zu Papiere zu bringen.

Das Leichenverbrennen und das Leichenvergraben schließen sich nicht aus (wie wohl Mancher glaubt), sondern sie gehen und gingen bei den meisten Völkern des Erdballes Hand in Hand; mit Ausnahme der neueren Kulturvölker, bei denen wohl mehr der Holzmangel als gewisse religiöse Glaubenssätze (z. B. an Seelenwanderung),

Leichenverbrennung.

das Begraben als einzigen Modus obwalten ließen. Wir finden bei Trusen, daß auch bei solchen Völkern, welche dem Begraben huldigten, doch einzelne Fälle von Verbrennung (wie von Einbalsamiren) vorkommen. Und zwar scheint das Verbrennen allenthalben das Vornehmere zu sein; nur reiche Leute können das Brennmaterial (oft kostbare, wohlriechende Holzarten oder Harze) bezahlen; der gemeine Mann wird allenthalben in die Erde verscharrt, wo nicht gar den Geiern zum Raube liegen gelassen.

Wir wollen hier nicht weiter untersuchen, inwieweit das Verbrennen ästhetischer ist (denn darin liegt doch wohl das Vornehmere?), als das Vergraben. – Wir halten uns an die praktische Frage: „welche von beiden Bestattungsweisen ist vortheilhafter 1) für die Gesundheit? und 2) für den Wohlstand der Bevölkerungen?“ Hier fällt die Antwort, in beiden Beziehungen, Alles wohlerwogen, zu Gunsten der raschen Verbrennung und gegen die Beerdigung aus.

In einer beerdigten oder an der Luft faulenden Leiche gehen die chemischen Zersetzungsprozesse nicht nur langsamer, sondern auch in einer ganz anderen Weise vor sich, als bei rascher Verbrennung. Es bilden sich hierbei Luftarten (Fäulnißgase), welche, von lebenden Menschen eingeathmet, sehr giftig und krankheitserzeugend sind (sogenannte mephitische Gase und Miasmen). Lesen wir die erschütternden Mittheilungen, welche hierüber während des Krimfeldzuges von englischen und französischen Berichterstattern gemacht wurden:

„Die Leichen haben das Bestreben, wie lebendige Körper, sich zu vervielfältigen. Diejenigen Männer, welche bis vor Kurzem noch unsere tapfern Soldaten waren, sind jetzt unsere verderblichsten Feinde. Ihre Leiber, dünn oder gar nicht mit Erde bedeckt, hauchen ein pestilenzialisches Miasma aus, welches so sicher wie Pulver und Blei tödtet. Zwar ist ein Bischof gesendet worden, um die Gruben einzusegnen, in denen man die Leichen aufthürmt; aber die Ansteckung trotzt der Einsegnung wie dem Weihwasser. Unsere eigenen Verbündeten, die uns bis zum Tode treu waren, die uns mit ihren Schwertern retteten: sie vergiften uns durch ihre Fäulniß. Die Leiche des Schlachtrosses, welches seinen Reiter tapfer durch den Tag von Balaklava trug, liegt am Wege und zieht seinen siegreichen Reiter nachträglich zum unvermeidlichen Fatum hinab.“

So weit unser Verfasser, der damit schließt, schon damals für die Krimarmee, das Verbrennen der Leichen wieder in Vorschlag zu bringen. – Dieselben Nachtheile, welche er den Schlachtengräbern der Krim zuschreibt, sind schon vor hundert und mehr Jahren von den Aerzten gegen das Beerdigen innerhalb der Kirchen und im Inneren der Städte geltend gemacht worden. Erstere Unsitte, welche im Mittelalter viele mörderische Seuchen in den Städten erzeugt hat, ist jetzt wohl ziemlich allenthalben verbannt; aber der Uebelstand, daß Kirchhöfe noch im Innern der Städte und in der Nähe bewohnter Orte liegen und Luft und Brunnen vergiften, dieser alljährlich hier oder da zu mörderischen Seuchen Anlaß gebende Uebelstand herrscht noch weit verbreitet, namentlich da wo schnell wachsende Städte immer und immer wieder die nach Außen verlegten Kirchhöfe einholen und einschließen.

Bei rascher Verbrennung[WS 1] werden die meisten der giftigen

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Verbrenung.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1856). Ernst Keil, Leipzig 1856, Seite 669. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1856)_669.jpg&oldid=- (Version vom 9.3.2019)