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verschiedene: Die Gartenlaube (1856)

zwei oder drei Jahren elegante Pariserinnen auf den Bällen während des Karnevals erschienen? Diese neueste französische Mode, welche sich auch in Frankfurt a. M. und Hamburg auf kurze Zeit einschlich, ist nichts, als die Auffrischung einer zweitausendjährigen der römischen Kaiserzeit.

Bei dieser Gelegenheit wird es vielleicht Manchem nicht uninteressant sein, zu erfahren, daß eine andere moderne Erscheinung unseres jetzigen Kulturlebens, welche Viele ihres Namens wegen sicherlich auch für französischen Ursprung halten, gleichfalls von den Römern abstammt. Wir meinen damit ein nicht sehr löbliches Institut, das nicht nur in Paris, sondern auch in mancher unserer großen deutschen Städte zünftig geworden: die Theaterclaque. Die ehrenwerthen Mitglieder dieser Zunft werden nicht wenig überrascht sein, zu vernehmen, daß ihnen bei Ausübung ihres Gewerbes ein uralter historischer Rechtstitel zur Seite steht, und da heut zu Tage das historische Recht sich ganz besonderer Begünstigung erfreut, so möge die, auch in anderer Beziehung interessante Stelle, welche uns von der uralten Existenz der Claqueurs Kunde gibt, hier Platz finden. Der Passus ist aus dem Prolog des „Poenulus“ (der Punier), vom Lustspieldichter Plautus und lautet:

„Nun befiehlt mir Jupiter: ich solle von Euch erbitten, Beobachter sollen, in jeder Reihe einer, das ganze Schauspielhaus hindurchgehen, um auf die Zuschauer zu merken. Sehen sie welche, die zum Klatschen bestellt und gedungen sind, so sollen solchen im Schauspielhaus die Röcke zum Pfand abgenommen werden. Oder wenn Jemand sich bewirbt um den Vorzug für diesen oder jenen Schauspieler, oder wer sonst seine Kunst hier sehen läßt; mag diese Gunstbewerbung schriftlich oder durch persönliches Umhergehen oder durch Unterhändler geschehen; oder sollten die Aediles selbst gegen Pflicht und Eid den Beifall zuertheilen, so erklärt Jupiter: „„es solle eben die Strafe darauf stehen, als wenn Jemand für sich oder einen Andern um ein Amt widerrechtlich sich beworben. Auch sollen Aufseher da sein gegen die Schauspieler, die es veranstaltet, daß bestellte Leute klatschen sollten, und wenn irgend einer nicht das Seinige thut, blos damit ein Anderer um den Beifall käme, den sollen die Aufseher den Aufputz und das Fell zerhauen.““

Die Stelle ist etwas derber Natur; indessen ersehen wir daraus, daß es im alten Rom schon Claqueurs gab, und daß die Ordnungsstrafen der römischen Schauspieler, z. B. wenn einer das Stichwort nicht sagte, so daß der Andere dadurch in Verlegenheit und um den verdienten Beifall kam, sehr empfindlicher Art waren.

Aber kehren wir wieder aus dem Schauspielhaus in das Boudoir der Römerin zurück, die wir verlassen haben, als sie sich ihr schwarzes Haar von ihren Sklavinnen goldig-roth färben ließ. Nach Vollendung dieser Operation wurden die Haare mit wohlriechenden Wassern und Oelen eingerieben und eingespritzt, und zwar durch eine besonders dazu abgerichtete Sklavin, welche “die wohlriechenden Essenzen mit einer außerordentlichen Fertigkeit mit dem Mund in die aufgelockerten Haare der Dame sprühte. Die Verschwendung der römischen Damen ging in dieser Beziehung in’s Unglaubliche, und nicht mit Unrecht sagt der griechische Satyriker Lucian aus Samosata von diesem Luxus der Römerinnen: „Sie verschwenden in diesen Salben das ganze Vermögen ihrer Männer, und lassen Einem das ganze glückliche Arabien aus ihren Haaren entgegen duften.“

Das Namensverzeichniß aller dieser theuren und kostbaren Pomaden und Oele, deren Hauptbestandtheile die indische Wurzel Kostum und die Blätter der Spickenarde waren, anzuführen, würde eine unausführbare Aufgabe sein; aber soviel darf man wohl versichern, daß die Läden und Gewölbe der renommirtesten Parfumeriehändler auf den Boulevards von Paris oder unter den Linden in Berlin kaum ein reichhaltigeres Sortissement aufzuweisen haben, als es die alexandrinischen Salbenhändler im alten Rom besaßen. Es ist berechnet worden, daß im Verlauf der letzten fünf Jahre, von 1851 an, mit der Ueberlandpost über 175 Millionen Thaler nach Indien und China gesendet worden sind, meistentheils, wie man angibt, für Thee und Rohseide. Gewiß eine enorme Summe für England und Amerika, welche die Hauptkäufer jener Produkte sind. Wenn man aber damit die Angaben des Engländers Robertson in seinem, Anfangs dieses Jahrhunderts erschienenen Werke „Historical disquisition concerning ancient india“ vergleicht, so gelangt man zu dem Resultat, daß die Summen, welche für Spezereien und Salben aus dem alten Rom durch die Hände der alexandrinischen und antiochischen Kaufleute nach Indien gingen, von woher jene Parfums fast ausschließlich bezogen wurden, eben so groß, wenn nicht noch größer waren, als die, welche Europa und Nordamerika jetzt an China und Indien für Seide, Thee und Gewürze zahlen. Aus Indien bezogen übrigens auch, wie hier gleich erwähnt sei, die Blumenhändlerinnen die seltensten und schönsten Blumen, mit denen die Römerinnen sich beim Gastmahl oder während der Saturnalien schmückten. Wie jetzt die Camelie eine Lieblingsblume unserer Modewelt ist, so war es bei den vornehmen Damen des alten Roms die indische Lotosblume, deren Kelch zugleich auch groß genug war, um ein feines, beschriebenes Pergamentstreifchen d. h. einen Liebesbrief in griechischer Sprache zu verbergen … Indessen nahmen sich die in träger Ueppigkeit hinlebenden reichen Römerinnen gewöhnlich nicht Zeit zum Schreiben parfumirter Pergament-Billet-doux. Vasen mit zärtlichen Inschriften, die man gleich fertig kaufte, angebissene Aepfelchen und verwelkte Blumenkränze, die man bei irgend einer Festlichkeit getragen, waren in der Regel die Liebeszeichen, die sich Frauen und Männer gegenseitig schickten. Es ist dies eine Sitte, die lebhaft an die Selams des Morgenlandes erinnert, an jene geheimnißvolle Blumensprache des Orients, deren sich die Schönen des Harems bedienen, um dem Geliebten ihre glühende Leidenschaft, ihre Hoffnungen und Wünsche mitzutheilen.

Mit dem Schminken, dem Augenbrauenmalen, dem Zähneputzen und der Vollendung des Lockenbaues sind nun die Hauptgeschäfte der täglichen Morgentoilette vorüber und nachdem noch zwei Sklavinnen der Dame mit kleinen silbernen Zangen und Messerchen die Finger- und Fußnägel geglättet und eine andere ihr die blendend weiße Tunica aus der feinsten milesischen Wolle übergeworfen, ein Gewand, das so künstlich und durchsichtig gewebt war, daß es die schönen Formen des Körpers durchschimmern ließ, befahl die Dame, ihr das Frühstück zu bringen. Es würde hier zu weit führen, die Kleiderpracht der römischen Damen der Kaiserzeit zu schildern; vielleicht wird man sich einen Begriff davon machen können, wenn man erfährt, was jener Cato Censorius, dessen: ceterum censeo Carthaginem esse delendam (übrigens bin ich der Meinung, daß Karthago zerstört werden muß) ein weltberühmtes Wort geworden, über die Kleidung der Frauen seiner Zeit sagt, das ist ungefähr 200 Jahre vor Christi Geburt. „Die Frauen,“ spricht er, „sind mit Purpur und Gold überdeckt; Diademe, goldene Kronen, ein rothgemaltes Gesicht, rother Staub, der ihre Haare bedeckt, Alles dies ist ihnen nichts Fremdes mehr.“ Und das war in einer Periode, wo man noch von der Sitteneinfachheit der Republik sprach, wenige Jahre vor dem Gesetzesvorschlag des Volkstribun C. Oppius, welcher den Frauen das Tragen von goldenem Schmuck über eine halbe Unze an Werth, bunte Kleider, sowie das Fahren in Wagen verbot. Das spätere Schicksal dieses an die Kleiderverordnungen der deutschen Reichsstädte erinnernden Luxusgesetzes, welches Livius in den ersten Kapiteln des vierunddreißigsten Buchs seiner römischen Geschichte erzählt, ist übrigens so interessant, daß es hier wohl erzählt zu werden verdient.

Fünfundzwanzig Jahre lang hatte das Verbot gegen die Kleiderpracht gedauert, als die Matronen, unter welcher Bezeichnung man bei den Römern nicht wie bei uns alte Frauen, sondern vorzugsweise legal verheirathete, vornehme Damen verstand, müde dieser strengen Einfachheit ihre Männer aufreizten, das Gesetz umzustoßen. Die Volkstribunen Fundanius und Valerius stellten hierauf einen Antrag auf Abschaffung des Gesetzes und es wurde ein Tag zur Verhandlung darüber anberaumt. Der entschiedenste Vertheidiger des angegriffenen Gesetzes war jener obenerwähnte Marcus Portius Cato, der gerade Konsul war. Die Frauen wußten dies und an dem Tage, wo in der Volksversammlung darüber abgestimmt werden sollte, konnten, wie Livius sagt, die Männer ihre Frauen weder durch ihr Ansehen, noch Beschämung, noch Befehl in den Häusern zurückhalten („Matronae, nulla nec auctoritate, nec verecundia, nec imperio virorum contineri limine poterant“ Liv. hist. XXXIV. Lib. 1 cap. 5,); schaarenweise eilten sie auf die Straßen, begleiteten ihre Männer unter flehentlichen Zureden nach dem Versammlungsort und belagerten förmlich die Zugänge zum Markt und Kapitolium. Die Debatten zogen sich in die Länge und mit jedem Tage kamen wahre Freischaarenzüge vornehmer Damen aus einer Menge von Städten und Flecken Italiens, um ihre Schwestern in Rom zu unterstützen. Was half des strengen Cato donnernde

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verschiedene: Die Gartenlaube (1856). Ernst Keil, Leipzig 1856, Seite 683. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1856)_683.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)