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verschiedene: Die Gartenlaube (1857)

immer nur erst durch Auffindung des Bandwurmkopfes bestimmen.

Das beste Mittel, um zu probiren, ob ein Wurm vorhanden sei, ist die Kousso, ein uraltes Volksmittel in Ostafrika, welches ziemlich sicher und ohne Beschwerden einzelne Glieder und Stücke desselben, desto seltener aber den Kopf abtreibt. Um sich vor dem Bandwurme zu hüten, vermeide man die Schweinefinne (im rohen und halbrohen Schweinefleische, in Würsten); um sich von demselben zu befreien, ziehe man einen Arzt zu Rathe, der zu erwägen versteht, welche Abtreibungs-Methode im vorliegenden Falle zu wählen ist und wie viel der Patient vertragen kann; denn alle Fälle über einen Leisten zu behandeln ist hier eben so unstatthaft, wie bei andern Uebeln. Zum Abtreiben des Wurmes wählt man am besten eine Zeit, wo ohnedies Wurmstücke abgegangen sind, das Thier also voraussichtlich in der Mauser und tiefer unten im Darmkanale befindlich ist. Die Kur muß stets rasch, kräftig und consequent durchgeführt werden, ehe der Wurm Zeit findet, sich zu erholen und wieder anzusaugen. Als Vorkur, um den Bandwurm schwach zu machen, dient am besten sehr schmale Kost und reichliches Trinken heißen Wassers. Von den wurmwidrigen Mitteln verdient die Granatwurzelrinde in Gemeinschaft mit Farrnkrautwurzel das meiste Vertrauen. Sobald der Wurm keine besonderen Beschwerden verursacht und die Ernährung nicht beeinträchtigt, ist es am besten, unter Anordnung einer zweckmäßigen Diät, seine Entfernung der Zeit zu überlassen. Und was thut denn nun der Homöopath beim Bandwurme? Er gesteht die Wirkungslosigkeit seiner Arzneien ganz ruhig ein und sagt: das Abtreiben des Wurmes ist mit homöopathischen Mitteln mit Sicherheit nicht (!?! d. h. gar nicht) zu erzielen. – Schließlich richten wir an die Aerzte und Bandwurmbesitzer noch den Wunsch, dem armen Wurme nicht alle die Leiden sofort in die Schuhe zu schieben, welche bei einem Wurmkranken zu Tage treten, aber den heimtückischen Schmarotzer auch nicht gar zu gering zu achten.

Bock.




Erinnerungen von der deutschen Flotte.
I.

Die schönste Zeit in jedes Menschen Leben ist die Zeit seiner ersten Liebe; „das Auge sieht den Himmel offen; es schwelgt das Herz in Seligkeit.“ Ihr Zauber wird auch niemals ganz gebrochen; selbst das lang erkaltete Herz des Bejahrten vermag sie neu zu erwärmen, so daß er mit jugendlicher Begeisterung von der einst so heiß Geliebten spricht. Jawohl, auch

„Erinnerung der Liebe
Ist wie die Liebe Glück.“

Und nicht blos einzelne Menschen, sondern ganze Völker haben solche glückselige Liebeszeit. War nicht eine solche Deutschland’s schwärmerisches Entzücken über seine junge Flotte? Wer zählt all’ die rosenfarbenen Pläne, die es in seinem Jubel ersann? Und wie tief war sein Schmerz, wie grimmig sein Zorn, als man ihm sagte, sie dürfe nicht die seine werden, es sei zu viel an ihr auszusetzen, es könne sie nicht standesmäßig erhalten, und wie die Redensarten weiter lauten, mit denen Väter und Vormünder kaltherzig ein Liebesband zerreißen. Trauernd sah dann Deutschland die Geliebte sich entreißen, mit Thränen endlich gar sie begraben, aber vergessen wird es sie nie, vielmehr immerdar, was ihm auch noch beschieden sein mag, mit Begeisterung reden und erzählen von der Theuern, die es einst sein zu nennen hoffte, und in innigster Sehnsucht mit seinem Dichter seufzen:

„Ach, daß sie ewig grünen bliebe
Die schöne Zeit der jungen Liebe!“

Um ihretwillen werden auch meine schlichten Mittheilungen freundliche Theilnahme finden.

Fünf Schiffe waren es bekanntlich, welche die Grundlage der deutschen Flotte bilden sollten: zwei Segelschiffe, „Deutschland“ und „Franklin,“ dann die drei Dampfer „Hamburg,“ „Bremen“ und „Lübeck.“ Sie standen nicht mehr in der ersten Jugend und waren von Hamburger reichen Kaufleuten hergegeben, d. h. verkauft worden, um zu Kriegsschiffen umgebaut zu werden.

Stolz hatte ich zum ersten Male meine deutsche Seekadetten-Uniform angelegt. Ich steckte einen Empfehlungsbrief an den ersten Lieutenant der „Fregatte Deutschland“ in die Tasche; mit starkem Herzklopfen stieg ich die Fallreepstreppe hinauf und oben fragte ich einen Matrosen, ob der Lieutenant an Bord sei. Der Mann sah mit einem Blicke an, aus welchem ich erkannte, er wisse nicht, was er aus mir machen solle, zeigte dann aber auf zwei Offiziere, welche auf dem Hinterdecke hin- und hergingen und – auf dem deutschen Schiffe! – Englisch miteinander redeten. Der Eine war lang und hager, mochte in der Mitte der vierziger Jahre stehen, und gab sich auf den ersten Blick als Engländer zu erkennen. Der Andere zählte etwa dreißig Jahre, hatte ein sonnengebräuntes Gesicht, in dem jeder Zug von Entschlossenheit und Festigkeit sprach und ließ in jeder seiner Bewegungen den Seemann errathen. Dieser Letztere war der Weisung des Matrosen nach der von mir gesuchte Lieutenant Reinert; ich trat deshalb auf ihn zu und überreichte ihm meinen „Empfehlungsbrief.“

„Ah,“ redete mich der Lieutenant an, ehe er noch den Brief erbrochen und gelesen hatte, „ich weiß, Sie sind –. Sprechen Sie Englisch?“

Als ich dies bejahet hatte, fuhr er fort: „So werde ich Sie gleich dem Herrn da, Ihrem Kapitain, vorstellen.“

Dies geschah; der Herr Kapitain ermahnte mich in einigen recht freundlichen Worten, stets pünktlich und gewissenhaft im Dienste zu sein, und entließ mich. Da stand ich, mir selbst und meinen eigenen Betrachtungen überlassen. Von den zehn Seekadetten, welche die deutsche Flotte im Anfange, im Jahre 1848, zählte, kannte ich noch keinen einzigen. Die Offiziere waren damals fast ausschließlich ehemalige Kauffahrer-Kapitaine, die vom Seekriegsdienste so viel, d. h. so wenig verstanden als ich. Erst später traten Marineoffiziere aus Belgien ein und die eigentliche Diensteinrichtung erfolgte nach der Ankunft unseres „ersten deutschen“ Admirals.

Die Schiffe, denen sich unterdeß das auf Kosten der Bürger der Vorstadt St. Pauli erbaute Kanonenboot beigesellt hatte, lagen unthätig an ihrem Platze in Hamburg bis zum Herbst. Da verbreitete sich die Nachricht, es sei von Frankfurt eine Commission angekommen, welche die Schiffe besichtigen und übernehmen werde. Ich ward eines Morgens mit einem Boote an das Land geschickt, die Herren abzuholen. Es waren zwei Offiziere, ein österreichischer und ein preußischer, denen sich die Herren des Hamburger Committé anschlossen, weil sie doch sobald als möglich erfahren wollten, wie sich „das Geschäft“ machen werde. Bei der nun folgenden Untersuchung, die, so viel ich beurtheilen konnte, eine ganz gründliche war, da man ja in jedem Schiffe mehrere Balken anbohrte, um sich von dem Zustande des Holzes zu überzeugen, wurde nur die Corvette „Franklin“ als untauglich zurückgewiesen. Wenige Tage darauf erfolgte eine Feierlichkeit, welche einen so freudigen Enthusiasmus erregte, wie ich ihn in meinem Leben wahrscheinlich nie wieder empfinde und nie wieder empfinden sehe. Daß die Hoffnungen, die damals so frisch und viel versprechend entstanden, so schnell und so vollständig gebrochen wurden, frißt wohl Niemandem in Deutschland so schmerzlich am Leben, als einem jungen deutschen Seemanne!

Unsere Schiffe hatten bis dahin die Hamburger Flagge geführt; jetzt sollte auf den deutschen Reichskriegsschiffen die deutsche Flagge aufgehißt werden. Eine übersehbare Menge von fröhlich und freudig erregten Menschen drängte sich in zahllosen Booten in der Nähe der Schiffe, um zum ersten Male die deutschen Farben auf deutschen Kriegsschiffen frei und stolz sich entfalten zu sehen. Die Offiziere und Mannschaften waren vollzählig und in voller Parade; die Kanonen standen bereit, das ersehnte Schwarz Roth Gold mit ihrer Donnerstimme zu begrüßen. Es war gegen Mittag als die Boote mit den Herren der Commission und des Committé erschienen. Alle unsere Offiziere begaben sich an Bord der „Deutschland,“ um da dem deutschen Reiche den Eid der Treue zu schwören. Es geschah dies unter so lautem und so rührendem Jubel, daß mir heute noch, wenn ich dieses Tages gedenke, die Thränen in die Augen treten. Dann kehrten die Offiziere auf ihre Schiffe zurück. Auf ein gegebenes Zeichen wurde gleich darauf auf allen Schiffen gleichzeitig die Hamburger Flagge gestrichen und gleichzeitig auf allen Schiffen entfaltete sich an den Gaffeln und Toppen der Masten unter dem Donner sämmtlicher Kanonen zum

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verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 9. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_009.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)