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verschiedene: Die Gartenlaube (1857)

wäre, die Matrosen mithin ein unentbehrliches Mitglied der menschlichen Gesellschaft sind und an dem Bestehen, Blühen und Wachsen bedeutender Seestädte mittelbar einen unberechenbar großen Antheil haben, will ich versuchen, ihr Thun und Treiben in der Zeit zu schildern, wo sie ausruhen von den Strapatzen langer Seereisen und wo sie sich am Lande zu neuen Mühen, zu neuen Kämpfen mit den empörten Elementen stärken.

Der Matrose germanischen Stammes, von welchem hier vorzugsweise die Rede ist, stellt ein ganz eigen geartetes Doppelwesen dar. Er ist ein Anderer am Bord seines Schiffes, ein Anderer am Lande. Dort hat er keinen eigenen Willen, er ist Unterthan der absoluten Herrschergewalt des Kapitains, welchem die Führung des Fahrzeuges anvertraut wurde. Mechanisch, schnell, mit aller ihm zu Gebote stehenden Kraft und Gewandtheit vollzieht er den Befehl des Kapitains. Er denkt nicht nach über das, was ihm geheißen wird und thut er es wirklich, so kleidet er seine Gedanken wenigstens nicht in Worte; denn blind muß der Gehorsam sein, soll ein Schiff glücklich die Weltmeere befahren, und Ordnung und Sitte aufrecht erhalten werden. In der ganzen Welt herrscht daher kein größerer Absolutismus, als auf einem in Fahrt gesetzten Schiffe, nirgend werden republikanische Tendenzen und die Weisheit der Vielregierungskunst lauter verlacht, als auf solch’ einem schwimmenden Holzbau. Leider artet der Absolutismus dieses Schiffsregimentes oft in Despotismus aus, was weder geschehen sollte, noch, wenn bekannt, gebilligt wird, immer aber dürfte der allerschlimmste Despotismus noch mehr zu empfehlen oder wenigstens mehr zu loben sein, als nachgiebiges, lässiges Regiment. Ein Kapitain, der auf seinem Fahrzeuge nicht unumschränkter Gebieter, nicht Selbstherrscher im weitesten Sinne des Wortes ist, also nur sich und seinem Gewissen Rechenschaft abzulegen hat über sein Thun, der würde eine höchst traurige, in den meisten Fällen sogar eine verächtliche Rolle spielen. Darum gehören Talente, gründliche Kenntnisse, ungewöhnliche Willenskraft, unerschrockenes Wesen und Geistesgegenwart, endlich größte Selbstbeherrschung verbunden mit angeborener oder anerzogener Humanität zu den vorzüglichsten und im Grunde unerläßlichen Eigenschaften eines guten, zuverlässigen, seiner wichtigen Stellung vollkommen genügenden Kapitains. Der Matrose weiß dies, und sollte er anfangs Zweifel hegen, so werden ihm diese schon während der ersten Seereise benommen. Das Leben auf See lehrt ihm, daß es nicht anders sein kann und darf, und diese Ueberzeugung allein läßt ihn oft sogar die härteste Behandlung schweigend ertragen. Er weiß, daß jede Widersetzlichkeit unnachsichtig geahndet wird. Darum gehorcht er blindlings und harrt, selbst unter den größten Entbehrungen, unter rauher Behandlung geduldig aus.

Schon diese Andeutungen werden genügen, unsern Lesern zu sagen, daß die Stellung eines Matrosen keineswegs eine beneidenswerthe genannt werden kann. Mancher glaubt, ein Matrose führe das freieste, interessanteste und lustigste Leben von der Welt, mache die lehrreichsten Reisen, ohne einen Kreuzer dafür ausgeben zu dürfen, und kehre alsbald mit Schätzen beladen zurück, um am heimischen Strande auszuruhen und in behaglichen Erinnerungen an das Vergangene sein Leben zu genießen. Die Wirklichkeit mischt diesem sonnig schönen Phantasiegemälde sehr viele harte Schlagschatten bei, eins nur bleibt auch dem entstelltesten solcher Bilder unverkürzt: die vielen Erfahrungen, das nie ermattende Interesse, eine Menge wunderbarer, angenehmer und unangenehmer, heiterer und grauenvoller Abenteuer.

Dies Abhängigkeitsverhältniß, das wohl zuweilen in eine drückende Sklaverei ausarten mag – wenigstens wollen dies Manche behaupten – hört auf, sobald das Schiff seinen Bestimmungsort erreicht hat und der Anker in den Grund rollt. Daher das laute Jauchzen aller Matrosen beim Erblicken des Hafens, der Jedem eine Heimath zu sein dünkt, daher das Grüßen und Jubeln, wenn das schwer beladene Fahrzeug in den Hafen legt und ungezählte Genüsse dem nach Leben und Freiheit, nach willkürlicher Bewegung und ausgelassenem Thun lüsternen Matrosen vom nahen Strande entgegenwinken. Er hat sich Wochen, Monden, vielleicht Jahr und Tag beherrschen, alle Leidenschaften in sich ertödten, jeder freien Willensregung sich begeben müssen, und es drängt ihn jetzt mit der ganzen Ursprünglichkeit eines an Geist und Körper gesunden Menschen, den so lange gefesselten Leidenschaften und Gelüsten den Zügel schießen zu lassen. Sehnsuchtsvoll aber schweigend harrt er des Augenblicks, wo der Kapitain das Zauberwort ausspricht, das ihn frei und unabhängig macht. Das Fallreep verschmäht er, um die Jolle zu erreichen, an einem Tauende läßt er sich herab vom Klüverbaum, um schon im Niederschweben ein paar Luftsprünge zu machen vor Lust und Freude. Dann legt er die Riemen ein, holt weit aus und treibt den schaukelnden Nachen mit langen Ruderschlägen dem Lande zu.

Da steht er nun, ein freier zwar, aber auch ein etwas herabgekommener Mann. Seine Kleidung empfiehlt ihn nicht. Sie sieht schäbig aus und trägt die Spuren vieler böser Tage. Die Zahl der Theerflecke auf den prall anliegenden Beinkleidern von ehedem weiß gewesenem englischen Leder ist nicht zu berechnen, die Mütze zeigt verschiedene Löcher auf, das grobe Hemd verdient nicht mehr die Wohlthat einer Wäsche. Auch mit dem Schuhwerk sieht es mißlich aus; denn von Sidney in Australien ist bis Hamburg, besonders wenn man unterwegs noch Shangai einen Besuch abstattet und auf der Rückreise ein paar fliegende Stürme zu überstehen hat, ein weiter Weg. Sturzseen über Deck sind böse Gäste, und wenn der Matrose Tag und Nacht derartigen Salzwasserbädern ausgesetzt war, muß zuletzt auch der sauberste Junge ein übles Aussehen bekommen.

Diesem Uebelstande weiß indeß ein Matrose echten Schlages sehr bald abzuhelfen. Kaum hat er den Fuß an’s Land gesetzt, so wird mit einigen Kameraden zuerst ein Schlafbaas aufgesucht, entweder ein Bekannter oder, ist der Matrose noch fremd, ein ihm empfohlener Mann. Der Schlafbaas ist aller Matrosen, die sich ihm anvertrauen, sorgender Vater und Vorsehung. Auf ihn verläßt sich der Sohn der Meere, ihm schenkt er unbedingtes Vertrauen. Heikel und schwer zu behandeln ist der Glückliche überhaupt nicht, den der Kiel des Schiffes mit heiler Haut in den Hafen bringt. Er trägt also, falls der umsichtige Baas dies nicht ohne Worte schon errathen sollte, diesem seine Wünsche vor, nennt ihm seine Bedürfnisse und drängt nebenbei zu größter Eile. Denn Zeit mag er nicht verlieren, um nur ja recht lustig und möglichst rasch leben zu können. Dazu bedarf er aber vor Allem schmucker Kleider, und diese dem gutherzigen Jungen zu verschaffen, der in kaum einem Jahre zwei Mal die Linie passirt ist, trifft der Baas sofort schleunige Anstalt.

(Schluß folgt.)




S’ is anderscht.

Du moanst wol, di Liab last si zwinga,
Du glaubst wol, i war so a Bua,
Du denkst wol, mi wikelst um d’ Finga,
Du moanst wol, i lach nur dazua?
Do glaub ma: s’ is anderscht, valaß di nur drauf;
Zatritst wo a Bleamle, steht ’s nimmermer auf.

Du moanst wol, i wurd di vagessn,
Du glaubst wol, dös gang a so leicht,
Du denkst wol, s’ is, wia mit an Bes’n
Ma d’ Vögerln vom Bam wekascheicht?
Do glaub ma: s’ is anderscht, di Liab baut si ir Nest
Und dukt si und bukt sie und hokerlt schön fest.

Du moanst wol, i wurd mi scho gwöna,
Und sagst wol, du warst nit aloan,
Und glaubst wol, s’ gibt Dirndeln, vil schöna,
Und denkst wol, i suchat mar ran?
Do glaub ma: s’ is anderscht, mei Liab hat an B’stand,
Laßt nit si wegwasch’n wie in Bacherl da Sand.



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verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 31. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_031.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)