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verschiedene: Die Gartenlaube (1857)

General Dufour.


zur Besinnung komme! Das war ein harter Schlag!“ Dann stand er auf, ging in dem Zimmer auf und ab, um seine volle Fassung, die volle Klarheit des Geistes wieder zu gewinnen. Die unglückliche Frau blieb mit verhülltem Gesichte auf dem Sopha sitzen. Gefaßter nahete er sich ihr wieder, trat vor sie hin und sagte ernst, aber gütig:

„Marie, laß uns mit Ruhe und Besonnenheit unsere Lage betrachten, um dann eben so besonnen überlegen zu können, was zu thun ist.“ Nach diesen Worten schluchzte sie heftig auf unter dem Tuche, das ihr Gesicht verbarg.

„Du hast noch Güte, noch eine freundliche Stimme für mich?“ rief sie fragend. „Aber darf ich noch so zu Dir sprechen? Darf ich Dich noch „Du“ nennen? Darf ich den theuern Namen Hermann noch aussprechen?“

„Marie,“ fuhr er mit seiner Ruhe und Güte fort, „wir wollen uns diesen Augenblick nicht anders als für ein paar unglückliche, sehr unglückliche Gatten ansehen, die gemeinsam ihr hartes Schicksal überlegen.“

„O, wie verdiene ich das?“ Sie verhüllte ihr Gesicht, trocknete ihre Thränen. „Sprich,“ sagte sie dann, „frage, fordere Alles.“

„Die Vergangenheit,“ erwiederte der Major, „errathe und kenne ich; nur über die Gegenwart und Zukunft gestatte mir einige Fragen: was hat Dich veranlaßt, mir gerade heute diese fürchterliche Entdeckung zu machen?“

Sie erhob sich, ging an den Tisch, auf welchem noch das Zeitungsblatt lag, das er ihr gebracht hatte, übergab und zeigte ihm dann die Stelle über Gregoire Lauterbach. Er las sie.

„Antoinettens, Dein Verführer?“ rief er.

„Ja, mein Verführer; aber auch der Mann, dem ich freiwillig Jahre lang folgte. Nach den Gesetzen war er dem Tode verfallen und ich hatte ihn für todt gehalten, als ich hierher kam, und war bis zu dieser Stunde von seinem Tode überzeugt, bis Du mir heute dieses Blatt brachtest. Für mein Kind übernahm ich die Rolle meiner Schwester und begann den Betrug, den ich enden wollte, wenn die Zukunft desselben gesichert war – um meines Kindes willen allein. Ach, ich ahnete nicht, daß die Liebe

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verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 61. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_061.jpg&oldid=- (Version vom 19.2.2017)