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verschiedene: Die Gartenlaube (1857)

stets zu würdigen wissen, darauf kann man sich sicher verlassen.

Am andern Morgen kam dieser Herr, der große Güter in Virginien besaß, zu mir, und bot mir unter sehr günstigen pekuniären Bedingungen eine Verwalterstelle auf denselben an. Ohne mich weiter zu bedenken, schlug ich dies Anerbieten aus, denn es schien mir, daß ich in solcher Stellung in eine größere Abhängigkeit gerathen würde, wie jetzt als Omnibuskutscher, denn ich brauche mich um meinen Dienstherrn nicht im Geringsten zu bekümmern; auch hatte ich damals schon den festen Entschluß gefaßt, mich nicht in den nordamerikanischen Freistaaten für immer niederzulassen, denn je mehr ich die Geldgier und den gänzlichen Mangel an jeder Gemüthlichkeit, der daselbst herrschte, erkannte, desto mißfälliger wurden mir die dortigen Verhältnisse. Ein wohlhabender Mann wäre ich wahrscheinlich in nicht zu langer Zeit auch in Nordamerika geworden, aber dies schien mir doch mit dem Aufgeben aller sonstigen Annehmlichkeit zu theuer erkauft zu sein.

Ich hatte damals den Entschluß gefaßt, nach Kalifornien zu gehen, und gefielen mir, wie sehr wahrscheinlich war, auch die dortigen Zustände nicht, nach Chili oder einem anderen südamerikanischen Staate mich zu begeben. Dort waren doch wenigstens mehr Romantik und freiere, naturwüchsigere Zustände, und ich brauchte nicht täglich mit diesen mir widerwärtigen Yankees, die nur immer und ewig von ihren Dollars den Mund voll haben, zu verkehren. Es ward mir übrigens die Freude, meinem virginischen Freunde, dem es Leid zu thun schien, daß ich sein gewiß gut gemeintes Anerbieten ausschlug, zwei ehemalige schleswig-holsteinische Unteroffiziere, wirklich brave Leute, die hier in bedrängten Verhältnissen lebten, zur Mitnahme anempfehlen zu können, was er denn auch that, so daß diese beiden Männer eine gute Stellung bekamen.

Ich hatte mir eigentlich vorgenommen, gerade ein Jahr als Omnibuskutscher zu fahren, allein nach Verlauf von zehn Monaten trat ein Ereigniß ein, welches mich früher von meinem Kutscherbocke vertrieb. Zu den mancherlei Unannehmlichkeiten, die das Straßenleben in New-York darbietet, gehört auch mit das zuchtlose Treiben mancher sogenannter Feuerlöschkompagnien. Brände kommen fast täglich in dieser Riesenstadt vor, und es gehört mit zu den Belustigungen der jungen Burschen, welche vielfach die Mannschaft dieser Spritzen bilden, dann in rasender Eile mit denselben durch die Straßen zu jagen. Alles überzufahren, was ihnen nicht schleunigst aus dem Wege geht, und überhaupt dabei jeden nur möglichen Unfug zu treiben. Menschenfreundlichkeit ist bei diesem Eifer zu retten, nicht im Mindesten ein Beweggrund, denn es wird mit den Spritzen eben so gejagt, wenn sie von der Brandstätte zurückkehren. Das nichtsnutzigste Gesindel von der Welt ist oft bei diesen Spritzen vereinigt, und wer Rohheit und Brutalität so recht in einem Menschen vereinigt finden will, der sieht nur zu viele Exemplare hiervon unter der Spritzenmannschaft. Ich hatte mich schon wiederholt geärgert, wenn ich als Kutscher mit meinem schweren Omnibus diesen ganz unnöthig daher rasenden Spritzen ausweichen mußte, und es war schon oft zu Zänkereien und Drohungen zwischen mir und manchem dieser Burschen gekommen.

Eines Abends ziemlich spät war wieder eine solche Spritze, die zu einem brennenden Hause hinjagte, fast in die Räder meines Wagens gerathen, obgleich ich weit genug ausbog; es hatte einen deftigen Wortwechsel zwischen mir und der Spritzenmannschaft gegeben. Eine Stunde später, als die Spritze von dem inzwischen gelöschten Brande zurückkehrte, begegne ich derselben wieder auf dem Broadway, und obgleich ich auch diesmal weit genug auswich, um eine genügende Passage frei zu lassen, merkte ich recht wohl, daß die größtentheils stark betrunkenen Spritzenleute absichtlich auf mich zufuhren, um einen Streit herbeizuführen. Jetzt ging auch mir die Geduld aus, und ich schämte mich, diesen übermüthigen Burschen zum Gegenstand ihrer Laune dienen zu sollen. Die Passagiere des Omnibus bestanden nur aus fünf bis sechs deutschen Eisenarbeitern, unter denen mein Hansen sich zufällig auch befand; der Kondukteur war ein streitlustiger, kleiner krausköpfiger Irländer, der gleich mir einen gerechten Haß gegen diese Spritzenleute hegte. Mein Gespann bestand aus zwei sehr kräftigen, feurigen Rossen, die schon etwas aushalten konnten. So beschloß ich denn, es auf einen tüchtigen Zusammenstoß ankommen zu lassen, wich nicht weiter, als bis zur Hälfte aus, und hieb mit meiner Peitsche zwischen die Pferde drein, so daß diese im vollen Galopp ansprangen.

Wie ich gedacht, geschah es auch; mein schwerer, stark gebauter Omnibus faßte die leichte Spritze von der Seite, und fuhr sie dann in Trümmern. Ein Wuthgeschrei entstand unter der gesammten Spritzenmannschaft, die wohl an dreißig Köpfe stark sein mochte, und Einige sprangen vor, um meinen Pferden in die Zügel zu fallen, während ein Bursche sogleich ein Pistol aus der Tasche zog, und auf mich abfeuerte, so daß mir die Kugel den rechten Oberarm leicht verletzte. Ich hieb aber jetzt noch mehr auf meine Pferde ein, diese bäumten sich auf, rissen die Menschen, die sie am Zügel halten wollten, zu Boden, so daß Einer derselben vom Rade überfahren wurde, und im vollen Galopp jagte ich nun die schon ziemlich leere Broadwaystraße entlang, hinter mir her der wüthende Haufe der Spritzenmannschaft, von denen noch Einige ihre Pistolen uns nachfeuerten. An der Ecke, wo unsere Stallgebäude sich befanden, mußte ich anhalten, und hier entspann sich ein heftiger Kampf zwischen uns und unsern Verfolgern, die uns bis dahin nachgestürzt waren.

Die Kutscher, Stallleute, Schmiedegesellen, die in der Nähe waren, kamen uns mit eisernen Stangen, Knitteln, Wagenspeichen und ähnlichen Geräthschaften, mit denen sich schon ein guter Schlag führen läßt, zu Hülfe. Nach hartnäckiger Gegenwehr, wobei es auf beiden Seiten an blutigen Köpfen und zerschlagenen Gliedern nicht fehlte, glückte es uns endlich, unsere Angreifer in die Flucht zu schlagen, bei welcher Gelegenheit ich noch einen Messerstich in den Unterleib erhielt, der glücklicher Weise aber wegen der dicken Kleidung, die ich trug, nicht tief eindrang, und mir weiter nicht viel schadete. Meinem Feind aber schlug ich mit dem dicken Ende meines sehr starken Peitschenstieles so über den Kopf, daß er auf der Stelle zu Boden stürzte, und gewiß lange Zeit zu seiner Heilung bedurft haben wird.

Die Konstabler, die anfänglich zu schwach waren, um die erbitterten Parteien von einander trennen zu können, sammelten sich endlich in so großer Zahl, daß sie die Ruhe wieder herstellen und uns auseinander bringen konnten. Sie versuchten zwar Einige von uns zu arretiren, allein wir entkamen ihnen und erreichten glücklich unsere Quartiere.

Zwei Tage mußte ich zu Hause bleiben, um meine Verletzungen wieder etwas ausheilen zu lassen, erst dann konnte ich ausgehen. Der Besitzer des Omnibus-Etablissements kündigte mir sogleich den Dienst, weil er befürchtete, ich würde noch mehr Streit mit diesen Spritzenkompagnien bekommen, und zog mir als echter Amerikaner zugleich die sechs Dollars ab, die ich von ihm zu fordern hätte, indem er behauptete, sein Wagen habe bei diesem Tumult einige Beschädigung erhalten. Mir war diese Kündigung ganz gleichgültig, da ich doch schon selbst den Entschluß gefaßt hatte, sowohl meinen Kutscherposten wie auch New-York zu verlassen. Ich wollte vorerst nach Kalifornien gehen, um mir die dortigen Zustände zu besehen, dann aber, wenn dieselben mir nicht gefielen, die südamerikanischen Republiken besuchen, um mir in diesen irgend einen Platz zur festen Niederlassung auszuwählen. Mein alter Hansen wollte sich nicht von mir trennen und gab sogleich seine gute Beschäftigung auf, bei der er schon täglich an zwei Dollars verdienen konnte. Er hatte sich in den zehn Monaten, die wir in New-York verlebt, nahe an hundert Dollars gespart, während bei mir, der ich doch einige höhere Ansprüche an das Leben machte, die Ausgaben den Einnahmen gleichgekommen waren.




Ein Stück Weges in Persien.

In Persien wird jetzt viel marschirt. Einige fürchten eine neue Auflage des östlich-westlichen Krieges. Persien soll, heißt es, den russischen Weg nach Indien bahnen durch das „Thor“ Herat. Frankreich macht auf die Insel Karrack an der Mündung des Euphrat Anspruch. Die Engländer wollten sie zur Operationsbasis gegen Persien machen. Die Russen an der persischen Grenze

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verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 83. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_083.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)