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verschiedene: Die Gartenlaube (1857)

beschuldigt; es ist wahr und das tröstet mich, daß ich hierin Shakespeare und Molière ähnle.“

Diesem Grundsatz getreu florirt das Haus Dumas und Kompagnie. –

Bei Gelegenheit eines glänzenden Künstlerfestes, zu welchem ich eingeladen war, sah ich inmitten der gefeierten Maler eine Dame von etwa neunundzwanzig Jahren, von mittelmäßigem Wuchs, aber mit den interessantesten Augen, die sich denken lassen.

„Wer ist denn diese Dame hier inmitten der Künstler?“ fragte ich einen meiner Freunde, der eben mit ihr gesprochen.

„Sie kennen sie nicht? O das ist einer der liebenswürdigsten und gefeiertsten Pinsel Frankreichs, Rosa Bonheur.“

Diese seit mehreren Jahren schon berühmte und durch ihre Thierstücke gefeierte Malerin hatte sehr regelmäßige, doch etwas harte und strenge Züge; auf ihrer schönen Stirn aber thronte der Geist als alleiniger Herrscher. Die Linien ihres Profils drückten eine hervorragende Stärke des Charakters aus; die braunen Augen glänzten in sanftem Feuer und die Hände waren klein, aber nervig. Ueberdies war ihre Toilette ebenso einfach, als originell. Sie trug über einem dunkeln Rock eine Art lange englische Jacke, einen feinen Hemdkragen darauf, der ihren Hals ziemlich frei ließ und dem Kopfe mit einer liebenswürdigen Frisur à la Titus sofort etwas Künstlerisches verlieh.

Rosa Bonheur war zuerst im Jahre 1843 mit kleinen Thierstücken aufgetreten und das Glück begünstigte diesen Debut so sehr, daß ihre Gemälde weit und breit begehrt wurden. Ihr Talent, sorgsam von ihrem alten Vater gepflegt, ist eins der natürlichsten und naivsten, welche je den Pinsel geführt; ihre einfachen Gemälde überraschen durch die Natürlichkeit, welche sie beseelt, und man kann sich nichts Wahrheitsgetreueres denken, als ihre Ochsen und Pferde, die friedlich weidenden Hammelheerden, oder die lagernden Kühe, welche ihr genialer Pinsel malt. Es scheint, als lehre ihr Pinsel uns in dem Buche der Natur lesen, aber man muß auch die Leidenschaft kennen, welche dieses ganz der Kunst sich widmende Mädchen für die Natur, den Wald, das Feld und die Landschaften empfindet, die sie häufig Tage lang, als Mann gekleidet, durchstreift.

Für diese Excursionen zieht Rosa Bonheur ganz tüchtige Männerstiefel auf ihre kleinen Füße, nimmt Zuflucht zu männlichen Unaussprechlichen, legt um ihre schlanke Brust das profane Gewand eines Ueberrocks und stülpt einen anständigen Cylinder von Belpel, jenen Fluch des Männergeschlechts, auf ihren reizenden Kopf. Rosa Bonheur ist in dieser Tracht ein junger Mann comme il faut, sogar ein sehr hübscher junger Mann, dem drolliger Weise manches hübsche Kind holde Sehnsuchtsblicke zuwerfen mag; aber es ist sehr wohl anzunehmen, daß Rosa Bonheur unempfindlich für diese Verfänglichkeiten ist, um so mehr, als sie der Kunst zur Liebe in die Männergarderobe flüchtet.

Ohne daß man vermag, auf der Straße ihr Geschlecht zu errathen, geht sie mit festem und schnellem Schritt, den Kopf gesenkt, ohne Jemanden anzusehen, und stets mit irgend einem Gedanken beschäftigt. Zwei große Hunde begleiten sie, und machen mit ihrer Gebieterin die Landparthieen, welche Rosa Bonheur unternimmt, um die Felder zu besuchen, die Meiereien, die Ställe und Schäfereien, die Pferdemärkte und Pachthöfe. Ein solches Studium würde in Frauentracht unternommen, mannigfache Unbequemlichkeiten und Unannehmlichkeiten darbieten, während ein junger Maler, so hübsch wie Rosa, überall Wohlwollen bei den Bauern findet und noch bei weitem mehr bei den Bäuerinnen. Aus diesem Grunde geht die geniale Malerin niemals außerhalb der Befestigungen von Paris, als in Männertracht.

Die kleine ländliche Wohnung, welche Rosa Bonheur inne hatte, zeigte ihre Vorliebe für die Natur schon durch den kleinen, reich mit Blumen gezierten Garten. Ein Affe und ein Papagei hießen den Besucher willkommen. Das Atelier wies alle die seltsamen weiblichen Koketterieen auf, die den Frauen allein bei der Möblirung und Dekorirung ihrer Zimmer zu Gebote stehen, und zwischen denen sich die aufgehängten Croquis und Skizzen sonderbar contrastirend ausnahmen. Nur an einem einzigen Tage der Woche gestattete die überaus fleißige Künstlerin Besuche in ihrem Heiligthume, und auch dann selbst gab sie ihrem Pinsel keine Ruhe. Indem sie auf das Liebenswürdigste empfängt und sich mit dem Besuche unterhält, arbeitet sie fort und zwar mit einer Ausdauer, die in Erstaunen setzen muß, und welche keineswegs aus der Sucht nach Geldgewinn sich motivirte, wie bei den drei Marschällen der Literatur.

E. Schmidt-Weißenfels.




Ueber die Selbstverunstaltung der jetzigen jungen Männerwelt.

Schreiber dieses dankt dem Himmel, daß er kein junges Mädchen geworden, das sich, à tout prix, hätte verlieben müssen in einen Helden, irgend einen der heutigen Mode, wie sie sich auf Straßen und Plätzen, in Salons und Tabagien sehen lassen. Wir dürfen es mit diesen hochgebietenden Herren nicht verderben, daher wollen wir nur ganz leise auf ihre Schwächen antippen, immer nur in dem edlen Bestreben, ihnen zu zeigen, wie viel mehr Eindruck sie machen würden, wenn sie sich bestreben wollten, nur ein weniges von der albernen Unsitte der Mode, die das Häßliche auf den Thron setzt, der der Schönheit gebührt. Wir wollen uns erkühnen gegen drei Dinge zu Felde zu ziehen, gegen die „Brillen,“ die „Bärte“ und die „Cigarren!“ Der Himmel und alle schönen Frauen – ein zweiter Himmel also – mögen uns beistehen.

Ein vernünftiges Menschenantlitz.

Erstlich die Brille. Es ist eine unleugbare Thatsache, daß Viele, die jetzt Brillen tragen, es nicht thun, um besser sehen zu können, sondern lediglich, um eine Modethorheit mitzumachen. Wer wirklich eine Brille nöthig hat, verschiebt den Zeitpunkt, wo er sie aufsetzt, so lange wie möglich und aus sehr weisen Gründen, weil jedes schwachsehende Auge, so lange es nur irgend geht, nicht durch künstliche Mittel nicht noch schwächer gemacht werden soll. Die siebzehnjährigen jungen Burschen, die wir mit Brillengläsern herumlaufen sehen, wollen sich dadurch ein Ansehen von Alter und Gereiftheit geben, das ihnen doch Niemand glaubt. Sie verunstalten nur ihr Gesicht und verderben, wenn wirklich optisch geschliffene Gläser in der Brille stecken, ihre Sehkraft. Eltern und Erzieher können nicht genug gegen diesen Unsinn zu Felde ziehen. Eine Brille verunziert das Gesicht auf das widerwärtigste. Goethe gestand offen ein, daß er keine Brille sehen könne, weil sie ihm den Spiegel der Seele, das Auge, raube und durch einen falschen Glasschein die ganze Fülle und Schönheit gerade dieses edelsten und sprechendsten Theiles des menschlichen Antlitzes verdecke. Dies war eine Brille damaliger Zeit, aber wie viel mehr verhäßlichen die Brillen, wie

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verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 124. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_124.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)