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verschiedene: Die Gartenlaube (1857)

seinen Bart in fieberhafter Erregung durch durch die Finger seiner Hand gleiten, „bewahre, im Gegentheil, nur Gutes und Liebes – nur darfst Du nicht so blöde sein.“

„O, gnädigster Herr,“ entgegnete, die Hände gegen ihn aufhebend und mit einem rührenden Ausdruck von Unschuld und Herzenseinfalt das junge Weib, „wenn Ihr nur Gutes mir erweisen wollt, so gebt mir den Gatten wieder frei, und mein Lebelang will ich für Euch beten, und meinem Kinde ein Gleiches zu thun lehren.“

Ueber des Freiherrn Züge flog ein seltsames Lächeln.

„Kind, ich bin mein Lebelang ein gottloser Patron gewesen, und habe es nicht viel mit dem Beten gehalten, aber desto mehr mit dem Küssen. Das Beten will ich Dir deshalb erlassen, wenn Du mich aber küssen und ein wenig lieb haben willst, so gebe ich Dir mein Wort, daß Dein Gatte noch morgen Abend sein Gefängniß verlassen soll.“

Die dunkle Röthe der Scham verdrängte bei diesen leichtfertigen Worten des Landvogts die bleiche Farbe der Angst aus Elsbeth’s Gesicht und mit leiser, aber fester Stimme entgegnete sie: „Herr Landvogt, Ihr könnt nicht verlangen, daß ich so Böses gegen meinen Gatten thue. Seid Ihr nicht des Herrn Herzogs Statthalter und uns von ihm zur Obrigkeit verordnet, wie dürft Ihr also Solches von mir verlangen?“

„Närrchen, ich verlange ja nichts Böses, sondern nur Liebes von Dir!“ rief ungeduldig der Freiherr, indem er seinen Arm nach der jungen Frau ausstreckte, „und nun sträubt Euch nicht länger, denn ich bin nicht gewohnt, so lange um ein Weibsbild zu girren.“

Bei dieser dreisten Geberde und Rede des Landvogts stieß Elsbeth einen lauten Angstschrei aus und zugleich schrie das Kind, aus dem Schlafe geweckt, laut auf.

„Um dieses unschuldigen Kindes willen habt Barmherzigkeit mit mir, gnädiger Herr,“ wimmerte die geängstigte Elsbeth, indem sie das Kind, das weinend seine Aermchen um der Mutter Hals schlang, wie einen Schild, der sie schützen sollte, an ihre Brust drückte. Aber noch ehe der Landvogt etwas entgegnen konnte, legte sich eine breite Hand schwer und fest auf seine Schulter und eine tiefe ernste Stimme sprach hinter seinem Rücken: „Laß Dich nicht gelüsten nach Deines Nächsten Weib, spricht der Herr.“

Bei dem Klänge dieser Stimme stieß die junge Frau, indem sie sich rasch nach der Richtung, von der sie kam, umdrehte, einen Freudenschrei aus, der Landvogt aber drehte sich mit hastiger, zorniger Geberde nach dem Störer seines Zwiegesprächs mit Elsbeth um, während seine Rechte mit jäher Bewegung nach der Waffe an seinem Gürtel griff. Aber er stieß die Klinge wieder in die Scheide zurück, als er das Gesicht des Eingetretenen erblickt hatte. Es war der Waffenschmied, der jungen Frau Schwager, der vor ihm stand, das Gesicht geröthet von eiligem Lauf und innerer Aufregung, mit wirrem, von Blut und Schweiß auf der Stirn zusammengeklebtem Haar. Betroffen von dem Anblick wich der Freiherr unter dem Eindruck der ersten Ueberraschung einen halben Schritt zurück, doch bald faßte er sich wieder und sprach mit rauhem, hartem Tone: „Was führt Euch zu so später Stunde noch hierher, Meister Schmied, habt Ihr“ und ein höhnisches abscheuliches Lächeln spielte um seinen Mund, „vielleicht auch ein Auge auf Eure Schwägerin geworfen, oder,“ und seine Stimme wurde drohender und seine Stirn zog sich in Falten, „oder spürt Ihr mir nach und seid mir vielleicht gar nachgeschlichen? Dann hütet Euch, hütet Euch, denn ich habe manchen Kopf fallen lassen, der so fest wie der Eure zwischen seinen Schultern saß.“

„Es ist meines Bruders Haus, den Eure Soldaten in den Thurm gesperrt, wo wir sind; was führt Euch hierher, Herr Landvogt?“ entgegnete der Waffenschmied ernst und ohne irgend welche Furcht vor des Landvogts Drohung zu zeigen.

Der Freiherr antwortete dem Bürger nicht sogleich, aber er maß ihn mit einem so stolzen und verächtlichen Blick, daß ein weniger entschlossener Mann, als der Waffenschmied, ihn kaum würde ertragen haben; dann sprach er, nach seinem Baret greifend und dicht an den Meister herantretend, kalt und geringschätzend:

„Wisset, mein Bursche, daß ich noch niemals Eures Gleichen Rede und Antwort gestanden und zu Gott hoffe, daß es auch niemals geschehen werde.“

Und ohne eine Entgegnung abzuwarten, schritt er an dem Waffenschmied vorbei zur Thüre hinaus; der Meister aber blickte ihm mit einem düsteren Blicke nach und sprach für sich:

„Wahrlich, Landvogt, dies wird eher geschehen, als Du Dir träumen läßt.“

Dann wendete er sich zu Elsbeth, die, das Kind in den Armen, stumm und zitternd dem Ende dieses Auftrittes entgegengeharrt, und erzählte ihr, wie er, eben von seinem Gange über Land in die Stadt zurückgekommen, Licht in dem Erkerfenster gesehen; um ihr Trost einzusprechen, wäre er heraufgekommen, gerade zur rechten Zeit, um dem Landvogt eine neue Frevelthat zu ersparen –

„Und nun gute Nacht, Elsbeth,“ sprach der Waffenschmied, der jungen Frau die Hand zum Abschied reichend, „gute Nacht, und grämt Euch nicht allzu sehr um den Heinrich. Zum Osterfeste wird er wieder frei, dessen seid versichert – und bis dahin ist keine Ewigkeit mehr. – Und nun gute Nacht und schließt Euer Haus wohl zu.“

Er ging, und nachdem die junge Frau die Hausthür hinter ihm geschlossen, eilte sie wieder zur Wiege ihres Kindes, wo sie auf die Kniee niedersank und in heißem Gebet Gott für die unerwartete Hülfe, die er ihr gesandt, dankte und ihn um die Befreiung ihres Mannes bat. Die Stirn auf das Kissen ihres Kindes gedrückt, blieb sie in dieser Stellung, bis ein sanfter Schlaf ihre Augenlider schloß.




IV.

Am anderen Tage – es war der Sonnabend vor dem Feste – liefen dunkle, beängstigende Gerüchte durch die Stadt. Die Abreise der beiden Barone von Hewdorf und Eptingen zum Herzog Karl von Burgund, so geheim sie auch gehalten worden, war dennoch bekannt geworden, und diese Nachricht vernichtete die letzte Hoffnung des Volks auf eine friedliche Aenderung der Zustände. Man kannte den Haß der Herren von Hewdorf und Eptingen gegen die Eidgenossenschaft und die Städte der niederen Vereinigung und wußte nur zu gut, daß die Berner Gesandtschaft, welche dem Herzog Vorstellungen wegen des harten, rücksichtslosen Waltens seines Statthalters sowohl gegen das Volk in den Vorlanden, als gegen die benachbarte Schweiz machen sollte, wenig oder nichts ausrichten würde, wenn es den beiden Baronen gelingen sollte, vor den Berner und Straßburger Herren zu dem Herzog zu gelangen. Man wußte, wie Hagenbach und die beiden Barone, so wie ein Theil des Adels Alles aufboten, um einen Krieg zwischen der Eidgenossenschaft und dem mächtigen Burgunderherzog herbeizuführen, und die Stimmung war deshalb eine sehr gedrückte, beklemmende. Zugleich munkelte man, daß Erzherzog Sigismund von Oesterreich, den das Loos seines Volkes in den Vorlanden jammerte und der vergebens dem Herzog Karl die Einlösung gegen Rückerstattung des Pfandschillings angeboten, mit Bern und den übrigen eidgenössischen Orten einen heimlichen Vertrag zum Schutz und Trutz wider Burgund geschlossen – ein Gerücht, welches durch die von Jobst von Sillinen, Administrator des Hochstifts zu Grenoble und Propst des Beromünsters in Luzern, bewirkte Aussöhnung zwischen der Eidgenossenschaft und dem Hause Oesterreich an Wahrscheinlichkeit gewann – daß der französische König Ludwig XI., der noch von der Schlacht bei St. Jacob an der Birs her die eidgenössische Tapferkeit kenne, das Feuer der Zwietracht durch schlaue Intriguen schüre, um dadurch Burgund zu schwächen und ihm ein Theil seines Gebiets abzunehmen, und daß endlich der Landvogt einen neuen Gewaltstreich gegen die Bürger von Breisach im Schilde führe –

Dieses letzte Gerücht erzeugte vor Allen am meisten böses Blut unter der Bürgerschaft, und in den Wirthshäusern und Weinschenken sprachen sich einige hitzige Köpfe ungescheut dahin aus, daß nun der Zeitpunkt gekommen sei, wo man Gewalt mit Gewalt vertreiben müßte.

So verstrich der Tag und die Nacht und der Morgen des ersten Ostertags 1474 brach an – Es war ein heiterer, sonniger Frühlingsmorgen; ein reiner, blauer Himmel wölbte sich über der Landschaft, warme Frühlingsluft wehte in den Straßen und in den Fluthen des Rheins funkelte und glitzerte hell und goldig das Sonnenlicht. Das Gebetbuch in der Hand, eilten schon aus dem und jenem Hause Frauen und Mädchen nach der Frühmetten und vom Dome klang ein frohes Ostergeläute weit

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verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 147. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_147.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)