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verschiedene: Die Gartenlaube (1857)

unsern Augen lächerlich aus. Sie haben zu viel flatteriges, burlesk zugeschnittenes und besetztes Zeug um sich, gefranzte Umschlagetücher um den Leib gewickelt, hinten einen Panzer auf dem Allerwerthesten, dann wieder oben um die Schultern eine Art von Umschlagetuch, darunter lederne und bei Officieren reich gestickte Panzer an Brust und Leib und mancherlei seltsame Kopfbedeckungen, darunter auch eine Art von Helm mit Federbusch, der an den preußischen erinnern würde, wenn er nicht kleiner, kappenartiger und geschmackvoller wäre. Andere Kopfbedeckungen gleichen der Nachtmütze unserer guten Tante, nur daß sie von Leder sind, andere nehmen die Figuren von Drachen und andern Ungeheuern an, die über den Gesichtern der Soldaten gar gräßliche Fratzen in die Luft hineinschneiden und den Feind schon in der Ferne zu fürchten machen sollen.

Unsere Abbildung, Copie einer Zeichnung von einem chinesischen Maler, die Martin mitbrachte, gibt eine Anschauung von diesem Militärcostüm, wenigstens der Officiere. Sämmtliche Figuren stellen Uniformen verschiedener Officiergattungen dar und sind, nach Martin’s Zeugniß, getreu nach der Wirklichkeit. Die üblichsten Waffen sind Lanzen, Bogen, Schwerter, sensenartige, aber gerade aufstehende und in der Scheide fünffach gebugte und gespitzte Lanzensäbel (wie die der mittelsten Figur im Vordergrunde) und Luntenflinten, die wie Kanonen mit der Lunte abgefeuert werden. Letztere finden wir mit unserer hohen Mordgewehrcultur lächerlich. Aber auf dem Standpunkte der Leben begünstigenden und erfreuenden, statt en gros mörderischen Civilisation müßte dies just bei dem Volke, welches das Pulver, wie die Buchdruckerkunst u. s. w. ein Paar Jahrtausende früher erfand, wie wir, als Ruhm gelten. Dabei sind sie besonders geübt und gefürchtet mit dem kurzen Schwerte und der Tartsche, dem alten Schilde, so daß sie wie Homerische Helden und wie Männer fechten. Ein Gewehr kann jeder Feigling losschießen und Männer damit durchlöchern aus weiterer, sicherer Ferne. Sie stehen also, nach dem Handschwert und der Tartsche, als ihren Hauptwaffen, zu schließen, moralisch höher als Krieger, wie wir mit unsern weithintragenden Mordgewehren. Auch in der Taktik und Strategie sind sie nicht zu verachten. In ihren Ein- und Abtheilungen herrscht die Zahl Fünf, wie in ihrer Philosophie und Mythologie (der chinesische Maler hat auch fünf Figuren gezeichnet, wie dies auch sonst Styl sein soll). Die Soldaten gruppiren sich in je fünf. Zweimal fünf solcher Fünfen sind, was wir eine Compagnie nennen würden. Dreimal fünf Compagnieen heißen eine „Chin“ (Bataillon). Die Officiere vertheilen sich ebenfalls in Gruppen und Rangstufen zu fünf. Ein Bataillon besteht mit Officieren aus 450 Mann. Im Felde und beim Manövriren gehören je dreißig Compagnien zusammen, die in bestimmten Figuren sich aufstellen und bewegen. Diese Figuren haben einen gemeinschaftlichen Namen „fliegender Drache,“ „zerstörende Wolke“ u. s. w. Jede solche Figur hat acht Spitzen, entsprechend den acht „Kwa“ ihrer Philosophie, den Grundstoffen der Elemente (unser Militär frägt nicht nach Philosophie). Acht Bataillone bilden für Schlachten ein solides Carré mit den commandirenden Officieren in der Mitte. Dreimal acht Bataillone mit der Hälfte disciplinarisch ausgebildeter Soldaten formiren sich vor diesem lebendigen Quadrat und der Basis zu zwei halbcirkelförmigen Linien. Die erste hat in der Schlacht den ersten Angriff zu machen oder dem Feinde Trotz zu bieten, während die zweite Linie und das Quadrat der Basis ruhig stehen bleiben. Zwölf Bataillone greifen an oder halten dem Feinde Stand. So wie eine der zwölf zurückgetrieben oder kampfunfähig wird, rückt ein frisches aus dem zweiten Halbkreise hervor. Es wurde der alten römischen Strategie nachgerühmt, daß sie jeden Feind drei Mal mit frischen Truppen angriff. Die Chinesen greifen aber, nach obigen Aufstellungen zu schließen, vierundzwanzig Mal mit ganz frischen Truppen an, ehe es dem Feinde gelingen kann, den Kern, das Carré, selbst zu attakiren.

Die Engländer werden trotz des Tadelvotums gegen Palmerston den Kampf gegen China fortsetzen oder erneuern. Mit Bomben aus den schwimmenden Kriegspalästen ist’s weder eine Kunst, noch eine Ehre. Wir wollen sehen, wie sich Engländer und Chinesen auf festem Boden und in ordentlicher Schlacht einander gegenüber bewähren werden.




Naturbetrachtungen im Zimmer.
Von Berth. Sigismund.
Am Fenster.
III.     Vom Gefrieren der Fenster.

Mit welcher schwungvollen Umschreibung würde der poetische Hindu oder Araber, der es zum ersten Male sähe, das Fenstereis bezeichnen! Vielleicht würde er sagen: „Gott ist groß! Er läßt die Oase grünen mitten im Wüstensande und Blumen blühen auf der gläsernen Thüre des Nordländers. Bei meinem Barte, keine Damascenerklinge und kein Teppich von Mosul ist prächtiger gemustert, als dieser erstarrte Hauch, der vor der Sonne verschwindet, wie ein Trugbild der Wüste!“

Doch bedarf das Fenstereis keineswegs des Reizes der Neuheit, den es für solche Südländer haben würde, um Interesse und Wohlgefallen zu erwecken. Auch der Deutsche bewundert immer auf’s Neue die schönen Gestalten, in welche sich das Wasser verkleidet. Dabei fragt man sich wohl, warum die modernen Sprachen nicht eine schönere, oder doch richtigere Bezeichnung für den Vorgang gewählt haben mögen. Denn, daß man nicht mit gleichem Rechte sagt: die Fenster gefrieren, wie man spricht: der Fluß gefriert, liegt auf der Hand.

Sind auch die Gestalten, in denen das Wasser an der innern Fläche der Fenster erstarrt, nicht so regelmäßig schön und zierlich, wie die Gebilde des Reifes und Schnees, so ersetzt das Fenstereis durch seine freieren, gewissermaßen launigen Formen das, was ihm an fester Regelmäßigkeit abgeht. Man wünscht sich, da die froststarren Finger das Zeichnen, welches ohnehin nur unvollkommene Abbilder gibt, nicht erlauben, gar oft einen Daguerre’schen Apparat, um manche dieser vergänglichen Kunstwerke der Natur aufzubewahren. Gewiß gibt es unter allen „nachahmenden Gestalten,“ in welchen es der unorganischen Natur beliebt die organische zu parodiren, keine, die an Schönheit die des Fenstereises übertrifft. Das oft in moosähnlichen Fädchen vorkommende Silber und die auf Kalkplatten häufigen braunen oder schwarzen baumartigen Zeichnungen aus Eisen- und Braunsteinoxyd (Dendriten) stehen wenigstens an Reichthum der Formen dem gefrorenen Fenster nach. Ist es doch, als wollte das Wasser zeigen, daß es halb und halb organischer Natur ist, da es in keinem lebenden Wesen fehlt.

Die mannichfaltigen, von mir bis jetzt beobachteten Formen des Fenstereises lassen sich auf fünf Hauptformen zurückführen.

1) Die größtentheils eisfreie Glasscheibe ist nur an einzelnen Stellen mit Eissternen aus drei bis sechs Strahlen besetzt, welche letztere wieder kleine Fiederblätter tragen. Gleichzeitig trifft man nicht selten weiße, ziemlich gerade, zuweilen sich kreuzende Linien, welche mit kurzen weißen Eiszacken besetzt sind, so daß sie einem bereiften Strohhalme, einem schlaffen Moosstengel oder einer kurzästigen Tanne gleichen.

2) Die Glastafel trägt einzelne Gestalten, welche den Wedeln des Farrnkrautes oder dem Barte einer Schreibfeder ähneln.

3) Ein scheinbar gleichartiger, nebelähnlicher mattweißer Anflug, dessen Rand da, wo er an die unbeeisten Stellen angrenzt, dem Saume eines fernen Nadelwaldes gleicht, oder einem mit Schilf bewachsenen Ufer ähnlich ist. Jener scheinbar gleichartige matte Grund ist, wie man durch die Loupe erkennt, aus sehr kleinen anliegenden Eissäulchen gebildet, welche in ihrer Gruppirung oft an die Fußstapfen der Vögel im Schnee, also an unregelmäßige Sterne erinnern.

4) Die Glastafel ist von einem Gewebe mit unregelmäßigen Maschen bedeckt, welches dem Tüll ähnelt. Die Maschen sind stets am oberen Theile der Tafel feiner, als unten. Der freie Rand des Gewebes zeigt gewöhnlich, wenn nicht die ganze Tafel bedeckt

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verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 178. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_178.jpg&oldid=- (Version vom 13.9.2022)