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verschiedene: Die Gartenlaube (1857)

„In Pforta gewiß nicht,“ lautete meine Antwort.

Um ihn hiervon zu überzeugen, führte ich ihn denn nach dem Hauptportale der „königlichen Landesschule,“ die im officiellen Styl gegenwärtig die alte Fürstenschule genannt wird.

Die ganze Anstalt, mit Einschluß der Oekonomie-Gebäude, der Papier- und Mahlmühle, der Bäckerei, der Brauerei, des großen und kleinen Schulgartens u. s. w. wird von einer noch aus der Klosterzeit stammenden steinernen, 12 Fuß hohen Mauer umschlossen, die auf der Südseite am Walde 1577 Fuß lang ist. Sie hat gegen Westen, also nach Kösen zu, den Haupteingang: ein doppeltes, gewölbtes Thor.

Vor diesem Thore erheben sich auf einem Bergabhange – dicht an der Landstraße – die Gebäude der Oberförsterei, welche Blumenhagen der Schauplatz seiner bekannten historischen Novelle „Luther’s Ring“ sein läßt. Der erste Blick des in den Hofraum eintretenden Besuchers fällt auf das Kirchenportal.

Dasselbe, erst vor einigen Jahren restaurirt, hat einen hohen architektonischen Werth, indem seine Verhältnisse besonders rein und edel gehalten sind. Die Kirche selbst, dieses schöne Denkmal gothischen Baustyles, ist in den Jahren 1268 vollendet worden. Sie

Die Fürstenschule Pforta.

hat die Form eines Kreuzes. Ihr Inneres wird jetzt ebenfalls restaurirt. Und dies that Noth; denn die abscheulichen Zwischenbauten, wie wir solche leider in so vielen evangelischen Kirchen vorfinden, hatten dem herrlichen Gebäude viel von seiner ursprünglichen Schönheit geraubt. Ja, Professor Riese in Pforte hat Recht, wenn er in Bezug auf dergleichen Verunstaltungen ausruft: „Wo sich an dem Reinen und Schönen einmal ungestraft vergangen worden ist, da kannst du sicher sein, daß sich im Laufe der Zeiten an das Häßliche nur noch immer Häßlicheres reihen wird.“

In der Kirche und zwar in der in sehr edlem Styl erbauten „Evangelistencapelle“ befindet sich auch die gegen 6000 Bände starke Schulbibliothek.

Hinter den Kreuzflügeln der Kirche liegt, wie in einem stillen Versteck, der Gottesacker.

Durch die alten Kreuzgänge wird das Gotteshaus mit dem Schulhause verbunden. Letzteres ist in den Jahren 1803 und 4 in seiner jetzigen Gestalt aufgeführt worden. In den Parterreräumen befinden sich die Auditorien, der Betsaal und der Speisesaal; im zweiten Stock die „Zellen“ der Alumnen und im dritten die Schlafsäle.

Die Krankenstuben befinden sich neben den Wohnungen der beiden Schulärzte, in den dem Schulhause gegenüberliegenden Oekonomiegebäuden.

Das Fürstenhaus, ein stattliches schloßähnliches Gebäude, schließt den Pfortenhof von Osten und hält in der Länge 172 Fuß. Es ist vom Kurfürsten August, Moritzen’s Nachfolger, erbaut worden, um bei seinem öftern Aufenthalt hier eine passende Wohnung zu haben. Gegenwärtig dient es, mit Ausnahme der sogenannten Commissionszimmer, die seit 1821 zur Aufnahme von Mitgliedern hoher vorgesetzter Behörden als königlicher Commissarien bestimmt und deshalb stattlich decorirt und möblirt sind, einigen Lehrern und andern Beamten zur Wohnung. Hinter diesen Gebäuden sind die Gärten. In einem der Schulgärten befindet sich der Spielplatz der Alumnen, welche hier auch eine Turnanstalt und mehrere Kegelbahnen haben.

In einem andern Garten erstreckt sich auf 50 Fuß Länge eine kleine Kirche aus Quadern, die im edelsten byzantinischen Rundstyl erbaut ist. Ihr Schiff hat zwei Kreuzgewölbe, die zu beiden Seiten von drei gleichfalls dreifachen und mit herrlichen Capitälern gezierten Säulenbündeln getragen werden. Wahrscheinlich hat dieses interessante Gebäude, dessen Erbauung – wie Puttrich andeutet – in die Zeit von 1136 bis 40 fallen mag, den Aebten als Privatcapelle gedient.

Ja: die Pforte hat einst Aebte gehabt! Wie es jetzt durch Rectoren regiert wird, so ward es einst von mächtigen Obern beherrscht, die sogar das Recht über Leben und Tod hatten. Pforta war früher ein Kloster.

Mit seiner Gründung verhält es sich folgendermaßen:

In der Landschaft Pleißen, im heutigen Altenburgischen, lebte zu Anfange des zwölften Jahrhunderts ein reich begüterter Graf, Namens Bruno. Der hatte in seinen alten Tagen das Unglück, seinen einzigen Sohn Edwin auf der Jagd durch einen wüthenden Eber zu verlieren. Dieser harte Schlag beugte ihn gewaltig und alles Weltliche verlor bei ihm fortan seinen Werth. Um seine beträchtlichen Güter so fromm als möglich anzulegen, gründete er 1127 zu Schmölln im Altenburgischen ein Nonnenkloster, das er überaus reichlich ausstattete. Demungeachtet wollte seine Stiftung nicht gedeihen; denn die Himmelsbräute führten ein so weltliches Leben, daß er sich endlich genöthigt sah, sie mit schwarzen Benediktinern zu vertauschen. Diese frommen Väter trieben es aber leider fast noch

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verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 253. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_253.jpg&oldid=- (Version vom 12.9.2022)