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verschiedene: Die Gartenlaube (1857)

sich also immer nur ein Drittheil sämmtlicher Dorobantzen im activen öffentlichen Dienst, während zwei Drittheile ihren Privatverrichtungen nachgehen; doch werden sie außergewöhnlich einberufen, wenn besondere Veranlassungen: die Verfolgung von Räubern, Mordbrennern und anderen Uebelthätern, die Begleitung vornehmer Privatpersonen oder Staatsbeamten auf Reisen etc., dies erfordern.

In ihrer äußeren Erscheinung gleichen sie den russischen Kosaken, unterscheiden sich aber in der Farbe ihrer Bekleidung von jenen. En grande tenue tragen sie schwarze Röcke mit grünen Aufschlägen und schwarze weite Beinkleider, an den äußeren Seiten mit einem breiten, grünen Tuchstreifen besetzt. Eine zottige Lammfellmütze beschattet ihre meist jugendlichen, bartlosen Gesichter und sieht aus einiger Entfernung einem sehr üppig wuchernden, jedoch minder sorgfältig gepflegten und in Zotteln zusammengeklebten Haarwuchse nicht unähnlich. – Ihre Sommermontur dagegen besteht aus einem weißzwillichenen, sehr eng anliegenden – ohne Zweifel erst durch häufiges Waschen eingelaufenen – Rocke und zwillichenen Beinkleidern. Die ordinäre Winterkleidung bildet ein weißer grobtuchener Militärmantel, dessen lange und schwere Schöße sie sowohl beim Reiten als beim Exerciren zu Fuß rückwärts zusammenknöpfen. Im kleinen Dienst und für gewöhnlich tragen sie runde Mützen von grünem Tuch und ohne Schirm, was alles nach russischem Schnitt ist. Ihre Bewaffnung besteht aus einem Säbel mit dem Fabrikzeichen „Solingen“ auf der Klinge, aus einem Karabiner mit Feuerschloß aus „Tula“ und einer Patronentasche, die so hoch auf dem linken Schulterblatte hängt, daß ich nie begreifen konnte, wie die Leute hinein zu langen vermögen. Das Hauptstück der Ausrüstung aber ist die – Knute! In allen möglichen Combinationen und Variationen, welche die drei Anzüge für Winter, Sommer und Parade zulassen, sieht man Dorobantzen kreuz und quer im Lande herumreiten.

Ihre Pferde sind, wie die walachischen überhaupt, klein, schmächtig, dafür aber mit starken, gesunden Knochen, eisernen Sehnen und Muskeln begabt. Ihr Temperament ist gutmüthig, voll Zutrauen zum Menschen und zu allen Hausthieren, daher man nie von einem bissigen oder schlagenden Pferde hört. Mit dem geringsten Futter zufrieden, mit dem sybaritischen Hafer gänzlich unbekannt, leisten sie das Unglaublichste, tragen ihren Reiter bei Hitze, Kälte, Staub, Regen und Sturm in einem vollkommen gleichmäßigen Paßgange, jagen, wenn nöthig durch Knute, Hackenstöße und Geschrei angefeuert, in wilder Carrière querfeldein und halten sehr lange ohne Futter und Wasser aus. Obwohl, wie überall auf der Erde, auch unter den walachischen Pferden die braune Farbe am häufigsten vorkommt, so sieht man doch unverhältnißmäßig viel bizarre Pferdefarben und darunter solche, die selbst ein geübter Pferdekenner nicht ohne Zaudern und näheres Studium zu classificiren versteht. Manche Leute behaupten, daß die Dorobantzenpferde zuweilen geputzt werden – was den Bauernpferden nie widerfährt –, doch möchte ich die Bürgschaft für ein so gewagtes Gerücht nicht übernehmen.

Das Sattelzeug ist wie bei den Kosakenpferden mit dem Hauptmerkmal, daß ein schwarzledernes Sitzpolster auf dem sehr primitiven Sattelbocke durch einen Obergurt festgehalten wird. Die bald hölzernen, bald eisernen, in letzterem Falle stets rostigen Steigbügel sind so kurz geschnallt, daß, wie im Orient allgemein, die Kniee des Reiters sehr hoch und nach vorwärts zu liegen kommen. Der abendländische Reiter, der gewöhnt ist, seine Beine sans gêne auszustrecken, geräth dabei in Verzweiflung. Die Steigriemen lassen sich nicht – und wenn ja, doch nur der eine – verlängern, was die Sache nur schlimmer machen würde.

So reiten denn die Dorobantzen im Lande umher, theils als Träger von Dienstschreiben, theils als Begleiter von Amtspersonen, theils patrouillirend, und können als das Ideal einer schnellen, wenn auch nicht eben gerechten Executive in Polizei- und Justizsachen angesehen werden. Jedermann, der nicht Bojare, Geistlicher oder Beamter ist, also Bauer und Bürger, untersteht – russischen Traditionen gemäß – ihrer Knute und hat deren ungesäumte und ausgiebigste Anwendung unfehlbar zu erwarten, sobald er sich des Geringsten unterfängt, was dem Dorobantzen als vorschriftswidrig erscheint. Ich sah, wie einmal ein weißbärtiger Greis von einem Dorobantzen geprügelt wurde, weil er während der glühenden Julihitze in dem Schatten der Kolyba (d. h. der Hütte, worin die Tag- und Nachtwächter des Dorfes ihren Aufenthalt haben) sich niedergelegt hatte. Dem herbeikommenden Dorobantzen erschien das als eine Entweihung des Heiligthums, und ohne ein Wort zu sprechen, schlug er mit der Knute auf den Greis in einer Weise los, die ein Herz von Stein zum Erbarmen erweichen konnte. Der Mißhandelte nahm lautlos, mit devot und furchtsam gekrümmtem Rücken, die abgezogene Pelzmütze in der Hand, diese grausame und unverdiente Züchtigung hin. Umsonst bemühte ich mich durch Zureden und ein angebotenes Geldstück, den unzeitigen Diensteifer des Dorobantzen zu beschwichtigen; sein Zorn war so entbrannt, daß er auf nichts achtete, und mir blieb nichts übrig, als die von dem Diener der Gewalt verschmähte Gabe dem unglücklichen Opfer desselben als Schmerzensgeld zu reichen.

So schwer es für Reisende in der Walachei auf Nebenrouten, wo keine Posten bestehen, ist, Reitpferde oder Gespann, Nachtquartier, Speise und Trank zu bekommen, oder Hülfe zu erhalten, wenn etwas am Wagen gebrochen ist, so macht sich doch das Alles leicht und schnell, sobald man einen Dorobantzen zur Begleitung hat. Ist der Ortsvorstand zur Hand, so wendet er sich an diesen; außerdem schreitet er nach Willkür ein, dringt in das erste beste Haus, nimmt Wagen und Pferde vom Hofe, zwingt den Bauer, wenn er nicht willfährig ist, mit Scheltworten oder Knutenhieben Zügel und Peitsche zu ergreifen, sich auf den Wagen zu schwingen und den Reisenden zu befördern. (Ist es zu wundern, wenn die privilegirten Classen, denen an Aufrechthaltung solcher Zustände gelegen ist, dahin gravitiren, wo ähnliche Verhältnisse bestehen?)

In Walachisch-Fokschau sah ich eine Abtheilung von etwa vierzig Dorobantzen zu Fuß exerciren, wobei mir die nichts zu wünschen übrig lassende Präcision in den Gewehrgriffen und Wendungen, besonders aber der Umstand sehr auffiel, daß die ganze Truppe nach Erschallen des Commandoworts die Tempos des Griffes mit lauter Stimme sich vorzählte. Der Commandant stand, nichts als eine Knute in der Hand, vor der Fronte. – Von einem Exercitium zu Pferde, oder gar von einem halbwegs systematischen Reiten in einer Reitschule ist bei den Dorobantzen, wie überhaupt bei der walachischen Cavallerie, keine Rede.“




Die Leipziger Messe und ihre Sehenswürdigkeiten
vor hundertundfünfzig Jahren.

Daß die eigentlichen Handelsgeschäfte der Leipziger Messen jetzt weit bedeutender und großartiger sind, als sie es vor hundertundfünfzig Jahren waren, steht außer allem Zweifel; dagegen besaßen sie zu jener Zeit einen romantischen Nimbus, der ihnen in unserer Zeit des Realismus und Materialismus gänzlich gebricht.

Der Hauptgrund dieses Nimbus lag in dem Besuche vieler vornehmer Personen, welche die Leipziger Messe zu ihrem Vergnügen mit ihrer Gegenwart beehrten.

Den Hauptanlaß hierzu gab wohl der prachtliebende König August der Starke, welcher sich den Besuch der Leipziger Messen zu einem Haupt- und Staatsvergnügen machte. Regelmäßig, wenn er gerade in Dresden war, bereiste er mit glänzendem Gefolge die Neujahrs-, Oster- und Michaelismesse, wo gewöhnlich auch andere fürstliche Personen, geladen oder ungeladen, sich einfanden, die er alsdann als Meßvater, wie er sich oft nannte, glänzend bewirthete. Mehrmals beschleunigte er seine Abreise aus Warschau, um noch zu rechter Meßzeit in Leipzig einzutreffen und man konnte die Kosten seiner Reisen zur Leipziger Messe, die man damals „Versammlungen der durchlauchtigsten Welt“ nannte, auf jährlich mehr als hunderttausend Thaler anschlagen. Keine der mitanwesenden hohen Meßfremden blieb ohne Geschenk, und daß die Cosel und die Königsmark dabei nicht zu kurz kamen, kann man sich leicht denken.

Ein besonders interessantes Schauspiel war der jetzt schon seit vielen Jahren nicht mehr stattfindende Durchgang der Koppelpferde durch die Stadt.

Leipzigs Roßmarkt hatte sich nämlich schon damals zu einer

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verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 270. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_270.jpg&oldid=- (Version vom 12.9.2022)