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verschiedene: Die Gartenlaube (1857)

und selbst von Metall oder Stein. Sorgsame Hausfrauen haben in dem Wasserglas ein ausgezeichnetes Mittel, zersprungene oder zerborstene Gefäße und Geräthschaften dieser Art, besonders wenn die Bruchflächen noch frisch sind, nicht allein ungemein dauerhaft, sondern auch so zu kitten, daß die Bruchstelle kaum wahrnehmbar ist. In manchen Fällen findet die Kittung durch Wasserglas nicht allein in Folge der durch Kitt bedingten Adhäsionsverhältnisse, sondern auch in Folge einer chemischen Durchdringung zwischen dem Wasserglas und der Masse des zerborstenen Gegenstandes statt, und in solchen Fällen ist dann der Zusammenhang so innig, daß beim absichtlichen oder zufälligen Bruch nicht die alte Stelle davon getroffen wird.

Ganz besonders wichtig ist auch die Verwendung der Wasserglaslösung als Bindemittel für viele Anstrichfarben. Die verschiedenartigsten Gegenstände von Holz, Metall, Glas, Porzellan, Stein u. s. w., Mauerwerk, Tapeten, Coulissen, Holzgetäfel und andere Bekleidungen lassen sich mit dauerhaften, nicht abstäubenden und abfärbenden, durch reines oder Seifenwasser leicht zu reinigenden Farbenanstrichen unter Zuziehung des Wasserglases überziehen. Wenn die Farbematerialien auf die Zusammensetzung des Wasserglases keine Veränderung ausüben, so erhält man den bestimmten Farbenton, ohne befürchten zu müssen, daß derselbe sich wie beim Oelanstrich mit der Zeit ändere. Ganz unberechenbar sind die Vortheile, welche das Wasserglas dem Oel gegenüber darbietet. Ich will nur hier anführen: die Billigkeit des Materials, die Leichtigkeit, mit welcher schadhafte Stellen genau restaurirt werden können, die größere Reinlichkeit, die völlige Geruchlosigkeit und Beständigkeit des Wasserglases, endlich aber und ganz besonders die Sicherheit, welche mit Wasserglasfarben überzogene Gegenstände von Holz, Leinwand, Stroh und dergl. gegen Feuersgefahr, Schwamm und Wurmfraß gewähren. Diese Vortheile fehlen dem Oelanstrich, während durch ihn die Feuergefährlichkeit ungemein erhöht wird, da er die Entflammung brennbarer Körper sehr begünstigt und leicht die Flamme weiter trägt.

Glasgegenstände mit farbigem Wasserglasüberzug sind durchscheinend, und können in manchen Fällen und Formen die aus wirklich farbigem Glase verfertigten ersetzen, wie z. B. so überzogene Glastafeln bei der Anfertigung von farbigen Fenstern. Aber auch zum Einbrennen von Farben auf Glas, Porzellan und Irdenwaare eignet sich das Wasserglas sehr gut, indem es mit den Farbenmaterialien eine leicht verglasende Masse bildet. Man hat jedoch für letztere Anwendung genau zu berücksichtigen, welchen Farbenton das Farbematerial bei der Verglasung annimmt.

Von hohem Interesse für die Baukunst und Erhaltung von Monumenten und Ruinen ist die Eigenschaft des Wasserglases, mit der Masse salzartig zusammengesetzter und leicht verwitternder Bau- und Monumentalsteine, so wie auch mit dem Talkmörtel selbst, sehr feste chemische Verbindungen einzugehen und dieselben gleichsam zu verkieseln. Mit Wasserglas überzogene oder getränkte Bausteine und Mörtelarten widerstehen dem Einfluß der Atmosphärilien, d. h. der Einwirkung von Kohlensäure, Feuchtigkeit und wechselnden Witterungsverhältnissen in einem Grade, wie man diesen durch kein bekanntes Mittel bis jetzt erzielen konnte, und es erhalten Rohbauten aus leicht verwitternden Steinen und der Mörtelabputz durch das Ueberziehen mit Wasserglas eine bis jetzt noch gar nicht bestimmbare Dauerhaftigkeit. Selbst die begonnene und mehr oder weniger weit vorgeschrittene Verwitterung an Baudenkmälern aus Stein wird durch die geeignete Behandlung mit Wasserglas unterbrochen und der Erhaltung werthe Ruinen können durch Anwendung desselben noch für lange Zeit den Alterthumsfreund erfreuen. Pulveriges Wasserglas mit Kalk und Wasser giebt einen ausgezeichneten hydraulischen Mörtel und die Technik wird sich gewiß noch weiter bestreben, unter Mithülfe von Wasserglas künstliche Steine der verschiedenartigsten Form und Farbe herzustellen.

Endlich will ich noch die Hausfrauen auf die reinigende Kraft des Wasserglases besonders aufmerksam machen und dieselben darauf hinweisen, daß das Wasserglas, wenn auch nicht in allen, doch in vielen Fällen zum Waschen statt der Seife verwendet werden kann. Gewebe aus Linnen und Baumwolle, aus Schafwolle und Seide, Leder lassen sich sehr leicht durch Einlegen in verdünnte Wasserglaslösung und nachheriges Spülen mit Wasser vollständig reinigen, wobei die etwaigen Farben nicht mehr als durch Seife leiden. Große Wäschen dürften sich aber bei Anwendung von Wasserglas nur unter Anwendung von Waschmaschinen ausführen lassen, da das feste Wasserglas nicht wie Seife zum Einreiben brauchbar und seine Lösung für die gewöhnliche Handarbeit so wenig praktisch wie Seifenwasser ist. Es ist fast mit Sicherheit anzunehmen, daß in den großen Wollwäschen und Tuchfabriken ebenfalls das Wasserglas mit Vortheil anwendbar sein wird, da bei einem gehörigen Verhältniß von Kieselerde das Kali oder Natron in demselben genau eben so seine zerstörenden Wirkungen auf thierische Stoffe verloren hat, wie dieses bei den verschiedenen Seifenarten der Fall ist.

Ich muß hier nochmals darauf hinweisen, daß das für späteren Gebrauch bestimmte Wasserglas in seiner Lösung stets in gut verschlossenen Gläsern oder Flaschen aufbewahrt werden muß, weil diese Lösung an der Luft nach und nach Kohlensäure anzieht, in Folge dieser die Kieselerde fallen läßt und sich endlich in eine Lösung von kohlensaurem Kali oder Natron – Pottasche oder Soda – verwandelt. Eben so muß man die Lösung und Verdünnung des Wasserglases, wenn damit reine und durchsichtige glasige Ueberzüge erzielt werden sollen, mit reinem Wasser, also mit Regen- oder Schneewasser oder doch mit weichem Flußwasser vornehmen, weil die sogen. harten Wässer wegen ihres Gehaltes an Kalk- und Magnesiasalzen die Wasserglaslösung zum Theil zersetzen und feste Absonderungen von kieselsaurer Magnesia und Kalkerde geben, die beim Eintrocknen der Lösung den glasigen Ueberzug trübe machen.

Bei der Mannichfaltigkeit der Verwendungen, welche das Wasserglas bereits gefunden hat und deren es noch weiter fähig ist, würde es für diese Blätter zu umfangreich sein, jene alle im Besondern näher anzuführen. Die obigen Andeutungen sollen nur ein Bild davon geben, und ich hoffe, in einem demnächst erscheinenden besonderen Schriftchen über das Wasserglas die Art der Verwendung desselben so ausführlich und umfassend niederlegen zu können, daß sie für Jedermann belehrend und ausführbar sein wird. Hier will ich schließlich nur noch einige Betrachtungen aufstellen, die sich auf den volkswirthschaftlichen Standpunkt, welchen das Wasserglas einnehmen wird, beziehen.

Eine der wichtigsten Folgen, welche wir von einer allgemeineren Benutzung des Wasserglases haben werden, ist die einer größeren Dauerhaftigkeit des Holzes und hiermit also eine Ersparniß dieses von Tag zu Tag im Preise steigenden Materiales. Werden auch bei denjenigen Bauten und bei der Verfertigung solcher häuslichen und gewerklichen Geräthschasten, die in Holz auszuführen sind, die Kosten augenblicklich durch die Zuziehung des Wasserglases erhöht, so gleicht sich diese Preiserhöhung nicht allein durch die Dauerhaftigkeit, sondern auch und ganz besonders durch bedeutend erhöhte Sicherung gegen die Verbreitung von Feuersbrünsten aus. Es wird also das Nutzholz unserer Forsten mehr geschont und der Beitrag für Feuerschäden vermindert. Die Feuerversicherungsgesellschaften würden gewiß zum Besten ihrer Interessenten handeln, wenn sie die Anwendung des Wasserglases als Feuerschutzmittel dadurch möglichst zu verbreiten suchten, daß sie die Beiträge für solche Gebäulichkeiten, deren Holzwerk und sonstiger Inhalt von Holz durch Wasserglas geschützt ist, niedriger stellen. Durch die Anwendung des Wasserglases werden gewiß die Gefahren paralysirt, die wir in Folge einiger Unglücksfälle von der Anwendung der Photogens und ähnlicher Leuchtmaterialien befürchten. Die Holzgefäße, in welchen derartige Leuchtstoffe und andere leichtbrennbare Flüssigkeiten, wie Weingeist, Terpentinöl, Theer u. s. w., aufbewahrt werden, lassen sich durch Tränken oder Ueberziehen mit Wasserglas für das Durchgehen der Dämpfe undurchdringlich machen und gewähren demnach neben der größeren Sicherheit gegen Entzündung zugleich vollkommen dichten Verschluß.

Endlich kann man nicht umhin, dem Wasserglas einen gewissen Einfluß auf die Landwirthschaft einzuräumen. Kommt es allgemein als Bindemittel für Anstrichfarben statt des Oeles in Gebrauch und findet seine Verwendung als Reinigungsmittel statt der Seife Anklang, so muß auch die Cultur gewisser Oelfrüchte in den Hintergrund treten und es kann ein großer Theil der jetzt davon in Anspruch genommenen Ackerflächen zum Anbau anderer Feldfrüchte verwendet werden. Aber auch als Düngematerial dürfte vielleicht das Wasserglas eine Rolle spielen und besonders von günstigem Erfolg auf die Wiesengräser und eigentlichen Getreidarten sein. Wir wissen von diesen Pflanzen, daß sie zu einer gehörigen Entwickelung außer anderen mineralischen Stoffen auch Kali oder Natron und Kieselerde bedürfen; diese letztere findet sich im Wasserglas neben Kali oder Natron in der gelösten Form und deshalb am leichtesten zur Aufsaugung in die Pflanzen geeignet. Es ist mir

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verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 279. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_279.jpg&oldid=- (Version vom 12.9.2022)