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verschiedene: Die Gartenlaube (1857)

sie vor der Fäulniß zu schützen. Auch die Bleikammern, deren Unterhaltung sehr viel kostet, da die Dämpfe der Salpetersäure das Blei ziemlich rasch zerstören und mürbe machen, ersetzt er jetzt durch Thoncylinder. Die selbstbereitete Schwefelsäure wird nun größtentheils in der Fabrik selbst wieder verbraucht. Zunächst wird ein Theil derselben, um Glaubersalz darzustellen, in besonderen Räumen mit Kochsalz (einer Verbindung von Natrium und Chlor) erhitzt. Das Glaubersalz bleibt als weiße Salzmasse zurück, während zugleich Salzsäure (eine Verbindung von Chlor mit Wasserstoff) entweicht und in einer ganzen Reihe großer Thonflaschen aufgesammelt wird. Um diese Salzsäure zweckmäßig zu verwenden, wurde sodann die Chlorkalk-(Bleichkalk-)fabrikation eingerichtet. Braunstein (eine Verbindung von Mangan mit Sauerstoff) wird nämlich in großen Thonretorten mit der Salzsäure erwärmt, und das sich hierbei entwickelnde Chlorgas zu frisch gelöschtem, gebranntem Kalke geleitet, der auf einem breiten, gemauerten, überdeckten Raume ausgebreitet ist, das Chlorgas begierig aufnimmt, und sich in Chlorkalk verwandelt. Ein anderer Theil der selbstbereiteten Schwefelsäure wird zur Fabrikation von Salpetersäure (Scheidewasser) benutzt, welche selbst wieder zur Schwefelsäuregewinnung nothwendig ist. Zu diesem Behufe wird Chilisalpeter mit Schwefelsäure erhitzt und die Salpetersäure, welche entweicht, aufgefangen, während

Die Saline von Fikentscher in Zwickau.

zugleich schwefelsaures Natron zurückbleibt. Ein großer Theil der Schwefelsäure wird ferner zur Fabrikation von Alaun aus Thon und zur Abscheidung der Weinsäure oder Weinsteinsäure aus rohem oder gereinigtem Weinstein benutzt; auch zur Bereitung einiger Quecksilberpräparate wird Schwefelsäure verwendet. Besonders berühmt ist Fikentscher’s chemische Fabrik durch den prachtvollen Zinnober (eine Verbindung von Schwefel mit Quecksilber), welchen sie liefert. Ferner läßt Herr Fikentscher ein ganz vorzügliches Wasserglas (kieselsaures Kali oder kieselsaures Natron) darstellen, und im Jahre 1855 eröffnete er seine höchst merkwürdige und interessante Saline, über welche wir unten noch einige ausführlichere Mittheilungen geben wollen.

Nachdem wir nun in gedrängter Uebersicht erfahren haben, was für Substanzen und chemische Verbindungen besonders in diesem ausgezeichneten Etablissement dargestellt werden, wollen wir nur zwei Fabrikationszweige des Etablissements noch etwas näher betrachten, nämlich die Glashütte und die Saline.


Die Glashütte

liefert zur Zeit nur Fensterglas. Von den andern Gegenständen werden nur die Retorten und Glasgefäße fabricirt, welche die chemische Fabrik gebraucht. Der geräumige Glasofen, in welchem das Glas geschmolzen und sogleich verarbeitet wird, wie unser Bild zeigt, wird mit Gas geheizt; welches in einem besonderen Schachtofen aus Ruskohle bereitet wird. Die Vortheile der Gasfeuerung vor der früher allein gebräuchlichen directen Feuerung mit Holz sind sehr bedeutend und beruhen besonders darauf, daß man, je nachdem mitttelst einer Klappe das Zuströmen

Glashafen.

des Gases regulirt wird, jeden beliebigen Hitzegrad hervorbringen und längere Zeit gleichmäßig erhalten kann. Auch wird das Glas nicht durch Flugasche, die bei directer Holzfeuerung nicht abzuhalten ist, verunreinigt. In jedem Glasofen stehen acht Glashäfen, welche mit großer Sorgfalt aus dem besten feuerfesten Thon mit der Hand geformt, und so lange täglich geschlagen werden, bis sie keinen Eindruck mehr annehmen. Hierauf läßt man sie an der Luft gut austrocknen, brennt sie in starker Hitze und schafft sie aus dem Thonbrennofen sogleich glühend in den Glasofen. Trotz aller Sorgfalt halten sie aber dennoch gewöhnlich nur sechs Wochen, oft nicht einmal so lange. Jeder Hafen hat seinen Arbeiter oder Glasmacher und jeder Glasmacher hat seinen Gehülfen, der ganz unter ihm steht. Die Arbeit der Glasmacher ist blos Accordarbeit; dennoch kann ein Glasmacher jährlich 600–700 Thaler, in Belgien sogar bis 1500 Thaler verdienen. Ein Ofen wird gewöhnlich so lange continuirlich geheizt, bis er nicht mehr geht, was ungefähr 1–1½ Jahr dauert; dann muß ein neuer Ofen gebaut werden.

Die hauptsächlichsten Operationen bei der Fensterglasfabrikation sind nun folgende: Zuerst das Mengen, welches in einem besonderen Raume, der sogenannten Gemengkammer geschieht. Die einzelnen Stoffe, welche zu Glas verschmolzen werden sollen, werden zuerst äußerst fein gemahlen und dann auf das Innigste mit einander gemengt. Fikentscher läßt sein Glas aus Sand (Kieselsäure), Glaubersalz, gelöschtem und gesiebtem Kalk und Holzkohle bereiten. (Ein günstiges Verhältniß hierzu ist eine Mischung von 100 Gewichtstheilen Sand, 50 Glaubersalz, 4 Kohle und 25 Kalk). Dann folgt das Schmelzen. Die bereitete Mischung wird zu diesem Behufe portionenweise (gewöhnlich zu drei Malen) in die Glashäfen eingetragen, und ist nach heftigem Erhitzen die Masse ziemlich ausgeschmolzen, so füllt man mit Glasscherben (aufgekauftem Glas) oder sogenanntem fein gemahlenem Heerdglas auf, um den Hafen ganz voll Glasmasse zu erhalten; damit das Glas farbloser werde, setzt man zugleich etwas arsenige Säure (weißen Arsenik) zu.

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verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 294. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_294.jpg&oldid=- (Version vom 11.9.2022)