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verschiedene: Die Gartenlaube (1857)

Ist die Masse ganz gleichmäßig geschmolzen, was 36–40 Stunden dauert, so sperrt man das Feuer mehrere Stunden lang ganz ab, damit die Masse, welche sich während dieser Zeit etwas abkühlt, die gehörige Consistenz erlangt und sich klärt; dann wird die auf der Glasmasse schwimmende sogenannte Glasgalle (das ist überschüssig angewendetes Glaubersalz) abgeschöpft, das Feuer wieder zugeleitet und nun können die Glasmacher ihre Arbeit beginnen. Die Schmelzarbeit steht unter der Leitung eines besonderen Schmelzers, der auch seinen Gehülfen hat. Die Entstehung der Glasmasse beim Schmelzen beruht auf folgenden chemischen Einwirkungen: In der Gluthhitze wirkt zunächst die vorhandene Kohle auf das Glaubersalz (schwefelsaure Natron) und verwandelt dieses, indem sie ihm etwas Sauerstoff entzieht, in schwefligsaures Natron; aus letzterem treibt sodann ein Theil der Kieselsäure (Sand) die schweflige Säure aus, welche entweicht, und bildet kieselsaures Natron. Der andere Theil der Kieselsäure vereinigt sich mit dem Kalk zu kieselsaurem Kalk und indem sich endlich das kieselsaure Natron mit dem kieselsauren Kalk vermengt und verbindet, entsteht die Substanz, die wir Glas und zwar in diesem Falle Natronglas nennen.

Nach beendigtem Schmelzen beginnen die Glasmacher mit dem Blasen. Jeder Glasmacher stellt sich auf ein um den Ofen angebrachtes Gerüst zu seinem, mit glühend-flüssiger Glasmasse gefüllten Glashafen, den er nach 12–15stündiger anhaltender Arbeit aufarbeitet. Jeder Hafen hält ungefähr 3 Centner Glasmasse und liefert 30 Bunt Glastafeln. Das Hauptinstrument des Glasmachers, welches derselbe mit wahrer Virtuosität zu benutzen versteht, ist die Pfeife, ein fünf Fuß langes, ein Zoll dickes, schmiedeisernes

Die Pfeife

Blasrohr, das an beiden Enden mit Knöpfen versehen ist, von denen der eine bei a als Mundstück dient, der andere bei b dagegen das zu blasende Glas annimmt. In der Nähe des Mundstücks ist die Pfeife mit einem hölzernen Handgriffe h versehen.

Der Marbel

Außerdem ist auf dem Gerüst ein viereckiges Stück Holz, der sogenannte Marbel befestigt, welcher vorn mit mehreren runden Vertiefungen versehen ist, zum Abrunden des an der Pfeife sitzenden Glasballens dient und (um ihn vor dem Anbrennen zu schützen) stets naß gehalten wird. Durch eine im Ofen befindliche Oeffnung, das sogenannte Arbeitsloch, führt der Glasmacher das untere Ende der Pfeife so in den Glashafen ein, daß eine genügende Menge Glasmasse daran hängen bleibt; dann bringt er den anhängenden weichen Glasklumpen durch Rollen auf dem Marbel ganz an das Ende der Pfeife, erzeugt erst durch starkes Hineinblasen eine kleine Höhlung in demselben, die er durch fortwährendes Blasen erweitert, wobei er zugleich den hohlen Glaskörper, damit derselbe den gehörigen Grad der Weichheit behalte, von Zeit zu Zeit in dem Arbeitsloche von Neuem anwärmt. Durch fortdauerndes Blasen, gleichzeitiges Drehen und pendelartiges Hin- und Herschwingen der Pfeife weiß der Glasmacher mit überraschender Geschicklichkeit und Sicherheit den erst birnförmig-runden Glastörper immer mehr aufzublasen, zu erweitern und zu verlängern, bis derselbe endlich die Form eines an beiden Enden kugelförmig abgerundeten Cylinders (siehe die punktirten Linien an der oben abgebildeten Pfeife) hat. Um nun die untere Seite dieses Cylinders zu öffnen, übergiebt der Glasmacher die Pfeife seinem Gehülfen, befestigt mittelst eines in das geschmolzene Glas eingetauchten eisernen Stabes ein Klümpchen Glas auf der Mitte der unteren Wölbung des Cylinders; der Gehülfe verdichtet hieraus durch kräftiges Einblasen die Luft in demselben, verschließt das Mundstück der Pfeife mit dem Finger und hält den Cylinder dem Arbeitsloche entgegen. Durch die aus diesem ausströmende Gluth dehnt sich die Luft im Cylinder aus und durchbricht ihn an der Stelle, wo das Glasklümpchen sitzt, mit einem schwachen Knall. Die so entstandene Oeffnung wird mit einer Glasscheere unter beständigem Drehen des Cylinders so vollständig erweitert, daß eine unten offene cylindrische Glasglocke entsteht. Diese wird durch Anhalten eines kalten Eisens von dem Kopfe der Pfeife abgesprengt und endlich durch Absprengung der oberen Rundung in einen gleichmäßigen, auf beiden Seiten offenen Cylinder verwandelt. Alle diese Operationen zeigt das Hauptbild im Zusammenhange, wie dieselben auf einander folgen.

Dem Blasen folgt das Strecken, wobei der Cylinder, den man der Länge nach erst aussprengt, zur Glastafel ausgebreitet wird. Man legt nämlich den Glascylinder mit dem Sprung

Gesprengter Glascylinder

nach oben, auf

Ausbreitung zu Tafeln (Streckung)

eine flache Unterlage und erhitzt ihn auf dieser in einem besonderen Ofen - dem Streckofen — so stark, daß das Glas wieder weich wird. Die cylindrischen Glasflächen sinken nun, vermöge ihres Gewichtes, allmählich wieder und werden mit Hülfe einer glatten hölzernen Stange oder einer im Ofen selbst angebrachten mechanischen Vorrichtung, ganz flach auf ihre ebene Unterlage ausgebreitet. Mit dem Streckofen steht der Kühlofen in unmittelbarer Verbindung. Die fertigen Glastafeln werden aus dem Streckofen sogleich in den Kühlofen geschoben, erkalten in diesem sehr langsam und gleichmäßig, werden nachdem sie sich vollständig abgekühlt haben, herausgenommen, in kleinere rechtwinklige Tafeln zerschnitten und diese endlich zu Bunten gepackt und in das Magazin abgeliefert. In Fikentschers Glashütte streckt, kühlt, schneidet und packt jeder Glasmacher das Glas, welches er bläst, selbst.


Die Saline

oder Salzfabrik liegt 8-10 Minuten von der chemischen Fabrik und Glashütte entfernt und steht in Bezug auf ihre Einrichtung einzig in ihrer Art da. Das gewöhnliche Salz (Kochsalz, Küchensalz, Chlornatrium) ist bekanntlich eine unentbehrliche Würze zu unseren Speisen, hat aber zugleich auch in der chemischen Technik vielfache bedeutende Anwendung gesunden. Auf unserer Erde ist das Salz sehr verbreitet. An manchen Orten finden wir dasselbe im festen Zustande in den Schichten des Erdkörpers als sogenanntes Steinsalz und zwar oft so rein, daß es bergmännisch zu Tage gefördert wird und zu vielen Zwecken ohne vorherige Reinigung in Verwendung kommen kann. An anderen Orten brechen salzhaltige Quellen, sogenannte Salzsoolen hervor oder werden künstlich aus der Tiefe aus die Erdoberfläche gehoben. Je nachdem diese mehr oder weniger Salz in Lösung enthalten, werden sie verschieden behandelt. Ganz schwache Salzsoolen, die unter 3 Procent Salz führen, hält man meistens einer Benutzung zum Behufe der Salzgewinnung nicht werth. Finden sich dagegen in der Soole 4-16 Procente Salz, so läßt man die Soole erst über hohe Dornenwände (Gradirwerke) fließen, um sie concentrirter zu erhalten (während des Herabfließens vertheilt sich die Soole auf den Dornen aus eine große Oberfläche und ein Theil des in ihr enthaltenen Wassers verdunstet hierbei), und versiedet sie dann, bis sich das Salz ausscheidet. Sehr starke Soolen mit 16-25 Procent Salz können sogleich versotten werden. Auch das Meerwasser ist eine ungeheure Salzsoole mit 2½ bis 4 Procent Salz und in den warmen Ländern benutzt man es häufig zur Gewinnung des sogenannten Seesalzes. Man läßt nämlich Meerwasser in eine Reihe flacher Bassins, die zusammen einen Salzgarten bilden, eintreten, so daß der Boden des Bassins nur 2-3 Zoll hoch von dem Wasser bedeckt wird. Das warme Klima gestattet eine rasche Verdunstung des Wassers und das Salz scheidet sich in Krusten aus.

Die Soole, welche auf der Saline des Herrn Fikentscher zur Abdampfung kommt, ist nur das „Grubenwasser“ aus dem Bürgerschacht bei Zwickau, in welchem 1¼ Procent Kochsalz, ungefähr

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verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 295. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_295.jpg&oldid=- (Version vom 11.9.2022)