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verschiedene: Die Gartenlaube (1857)

zu den Zeiten des ersten Napoleon, wo die werthvollsten Bilder aller Länder sich gezwungen hier zusammen fanden, mag der Anblick ein außerordentlicher gewesen sein und aus jenen Tagen noch der andauernde Ruhm der Gallerie des Louvre stammen. Seitdem sind aber viele Bilder in die Hände der rechtmäßigen Besitzer zurückgekehrt und das Museum, welches früher die Beute von ganz Europa enthielt, auf ein anständiges Maß beschränkt worden. Noch immer enthält der Louvre Meisterwerke der Kunst und besonders in seinen verschiedenen Sälen die interessantesten historischen Reliquien, zu denen wir vor Allen die Erinnerungen an den ersten Napoleon rechnen, das weltgeschichtliche Hütchen, welches den größten Kopf seines Jahrhunderts bedeckte, den Degen, welcher in unzähligen Schlachten den Sieg erkämpfte. Mit einem natürlichen Schauer der Ehrfurcht betrachteten wir diese sorgsam bewahrten und ausgestellten Gegenstände. Darunter befand sich auch ein prachtvoller türkischer Säbel und eine orientalische Pferdedecke, über und über mit Gold, Perlen und Edelsteinen in einer Verschwendung bedeckt, die unseren ganzen europäischen Luxus dagegen nur ärmlich erscheinen läßt. Das Ganze erinnerte an die fabelhaften Schätze der Tausend und eine Nacht, an den Orient mit seinen Wundern und an den Zug des Consuls nach Egypten, wo er den tausendjährigen Pyramiden gegenüberstand und mit arabischen Priestern unter Palmen über die Weisheit des Korans sich unterhielt.

Der neue Louvre und die Tuilerien aus der Vogelperspective.

Wo man hier hinblickt, tritt einem sein Bild entgegen, als General der Republik mit scharfen Zügen, abgemagert von geistiger Anstrengung und vom Ehrgeiz verzehrt, mit glühendem Adlerblick und feinen, verschlossenen Lippen, das Geheimniß der Zukunft tief vor aller Welt verbergend. Als Kaiser, von dem berühmten Gérard gemalt, dem Einzigen, der, wie Napoleon selber sagte, ihn zu malen verstand, zeigt sein Portrait eine festere Haltung; die antiken Formen sind plastisch mehr abgerundet und eine classische Ruhe spricht aus dem festen Imperatorengesicht.

Am meisten dürfte aber den Beschauer das Bild des sechszehnjährigen Knaben Napoleon, von einem Jugendfreunde mit Kreide gezeichnet, beschäftigen; es trägt die einfache rührende Inschrift: „Mio caro amico Buonaparte, Ajaccio 1785. Die jugendlichen Züge haben bereits den Stempel des Genius, aber über das Ganze ist ein wunderbarer Hauch von weicher Schwärmerei gegossen, der im Feuer der Kanonen und im Weltgewühl sich in harten Menschen verachtenden Stahl verwandelt hat. Den Schluß dieser Reihe bildet Napoleon auf Longwood, mit Rothstift gezeichnet und mit der Unterschrift: Antomarchi 1821. St. Helena. Dieses Portrait wurde vom Arzte des Kaisers skizzirt, während derselbe sein Testament niederschrieb, nur wenige Monate vor seinem Tode. Welch ein Unterschied zwischen dem Sechszehnjährigen voll Hoffnung und dem gefangenen Kaiser am Ende seiner Laufbahn, verrathen von seinen Freunden, eingekerkert auf einer wüsten Insel, wie Prometheus an einen Felsen geschmiedet und von dem Geier der Erinnerung zernagt.

Noch zwei historische Gemälde zogen uns im höchsten Grade an; Mirabeau, von David gezeichnet, und die unglückliche Königin Maria Antoinette von de Ville, Hofmaler Ludwig des Sechzehnten. Die ganze französische Revolution trat uns aus

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verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 307. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_307.jpg&oldid=- (Version vom 11.9.2022)