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verschiedene: Die Gartenlaube (1857)

Das Flußpferd (Hippopotamos)
und die Arten, wie es erlegt wird.

Kein Mensch ist miserabler dran, als der einmal populär war, auf den Schultern des souverainen Volks getragen, mit Ehrenpforten, weißgekleideten Jungfrauen, Gedichten, Kränzen, Fackelzügen empfangen, befestgegessen und als goldenes Kalb des Tages von Fete zu Fete triumphirt ward. Wenn’s vorbei ist, ist’s schrecklich und auch während der Glorie selbst sehr angreifend und außer dem Kopfe auch den Verdauungs-Organen sehr schädlich. Diese Popularität dauert nie lange, und es folgt nicht selten eine Art von spöttischer Verachtung. Man citirt solche Helden, um in denselben Kreisen, wo sie einst abgöttisch verehrt wurden, Lachen zu erregen. Die verbrauchten Helden selbst nehmen gewöhnlich gewisse Ansprüche auf Geltung mit in ihr lebendiges Grab, und peinigen sich und Andere mit denselben und abgethanen Hoffnungen. Dadurch werden sie nicht selten ihren besten Freunden lästig und aller Welt ein Stein des Anstoßes und zum Wetzen ihres abgestumpften Witzes. Ich habe viele solche Helden mit ihrem lebendigen Grabe gesehen und sie herzlich bedauert, mir aber Glück gewünscht, daß ich niemals ein Held des Tages war.

Jagd auf Flußpferde.

Niemand aber hat mir traurigere Geschichten von der schnellen Vergänglichkeit der Volksgunst erzählt, als das riesige Nilpferd im zoologischen Garten des Regents-Parkes zu London. Der Held des heutigen Tages ist ein Paria, ein Flüchtling, ein gehetztes Wild, ein gemiedener Aussätziger morgen. Dieses riesige, oxhoftleibige Phänomen war einst der Enthusiasmus von ganz London, und die Correspondenten verbreiteten seinen Ruhm in alle Welt. Talentvolle Künstler portraitirten unsern Hippopotamos, renommirte Schriftsteller schrieben dessen Biographie und Charakteristik. Die Volksmassen zerbrachen sich die Rippen um dessen massives eisernes Geländer herum und die amphitheatralisch um seinen Teich und seinen Spaziergang herumgebauten Bänkereihen waren stets zum Erdrücken gefüllt. Die Königin und der Hof und die höchste Aristokratie des Landes machten ihm Extravisiten. Jede seiner ungeschlachten und zum Theil schauderhaft abstoßenden Bewegungen – zumal wenn er in seiner ihm ganz eigenen Manier mit seinen eigenthümlich geübten Steißmuskeln den Unrath mächtig nach allen Seiten schleuderte – ward eifrig studirt und bewundert. Er und sein kohlschwarzer nubischer Wärter Hamet waren die Begeisterungswuth des Tages. Jetzt ist das Theater um ihn stets ziemlich leer, und Tausende eilen an dem ungeheuern Helden früherer Tage vorbei, ohne ihn nur anzusehen. Erst war’s ein aristokratisches Schwein (Choiropotamos) und dann der Ameisenfresser mit seiner abenteuerlich zugespitzten Schnauze und seinem merkwürdigen Schwanze, welche ihm seine Popularität wegstahlen, dann kamen fliegende Füchse, fremde Potentaten u. s. w., welche wieder den Ameisenfresser u. s. w. stürzten. Riesenschmeerbauch „Hippo“ kann sich jetzt in sein Bad stürzen, daß die Wellen hoch herausspritzen, und herauftauchen wie eine fette Schlamminsel aus dem Meere, und sich hervorschroten und sein ungeheures Maul am Eisengitter aufreißen, daß ein halb Dutzend Kinder darin auf seinen breiten Zähnen aufrecht stehen könnten – Alles umsonst. Er macht keinen Effect mehr.

Wir kehren uns nicht daran, und finden den Helden Hippo immer noch interessant. Er ist der in unsere geologische Schicht heraufgeschmuggelte Repräsentant einer vorsündfluthlichen Schöpfung mit ihren ungeschlachten, nicht für das menschliche Auge berechneten Gestaltungstypen (auch den Elephanten und das Nashorn rechnet ein Zoologe dazu). Dabei ist er in seiner Heimath eben so nützlich wie malerisch als Staffage üppiger, gewaltiger, uralt culturhistorischer Nilufer. In ganz Afrika hält sein alter Ruhm noch frisch und fest aus, wie das Leder, das man von seiner Haut macht, und die Elfenbeingeräthe und Schmucksachen, die man aus seinen glorreichen Zähnen zu schnitzen weiß. Und sein Fleisch – jedes Flußpferd gibt so viel Fleisch, wie 40 bis 50 Schweine – vereinigt alle Gaumenreize des Kalbs-, Schweine- und Rinderbratens in sich. Man kann sich daher auch leicht denken, welch’ ein populärer Gegenstand der Jagd unser Freund Hippo für die schwarzen und braunen Bewohner Afrika’s sein muß.

Die Hippopotamos-Jagd ist jedoch keine Hasenjagd. Der dicke und tückische Kerl mit den großen, stieren, stets wüthenden Augen fürchtet sich vor Niemand, und stürzt sich zermalmend auf jeden Feind, der ihm als solcher erscheint. Es gehört daher mehr Courage dazu, und ist etwas großartiger und aufregender, auf die Nilpferdjagd zu gehen, als zum Rebhühnerschießen. Die Afrikaner wissen es aus Erfahrung, daß man sein Leben einsetzen muß, um dem Hippopotamos das seinige abzugewinnen. Sie sind daher auf diplomatische Wege gekommen, ihm die Haut abzuziehen, die Zähne auszureißen und die Fleischtöpfe Egyptens mit seinen Muskeln zu füllen. Sie fangen ihn durch Fallen, die ebenso einfach eingerichtet sind, als unsere Mausefallen. An vielen afrikanischen Flußufern wächst ein tödtliches Pflanzengift, womit man in Kriegszeiten die Pfeile zu bestreichen pflegt. Mit solchem Gifte bestreichen sie ein schweres, zugespitztes Stück Eisen. Dies hängen sie von dem überhängenden Aste eines Baumes über die Flußstellen auf, welche als Tummelplätze der Flußpferde bekannt sind. Unter dem aufgehangenen vergifteten Riesenpfeile wird ein einfacher Schlagbaum quer über den Fluß angebracht und der Querbalken mit dem Spieße oben verbunden. Die Diplomaten warten nun an einer sichern Stelle im hohen Schilfe, bis Meister Hippo heimkommt. Unser fetter Freund sieht den Schlagbaum, den er noch weniger liebt, als

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verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 329. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_329.jpg&oldid=- (Version vom 19.2.2017)