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verschiedene: Die Gartenlaube (1857)

über 16,000 Dollars Gold bei mir, und das war den Kerlen wahrscheinlich von meinen eigenen Treibern, von denen zwei mit ihnen verbunden zu sein schienen, denn nach dem mißglückten Angriff liefen sie uns noch in derselben Nacht fort, verrathen worden. Glücklicher Weise waren aber mein Hansen, die beiden deutschen Gehülfen und noch drei heimkehrende Goldgräber, ein Deutscher, ein Franzose und ein Irländer, sämmtlich gut bewaffnet, bei mir, so daß wir unser sieben Mann stark waren und so es schon vollkommen mit 14 Mexicanern aufnehmen konnten. Die Räuber hatten uns heimlich in der Nacht, als wir um unser Bivouakfeuer lagen, überfallen wollen, allein die Wachsamkeit eines kleinen Dachshundes, den ich besaß, vereitelte ihre Absicht. Mit wildem Geschrei kamen sie nun auf uns losgaloppirt und schossen ihre Flinten in der Entfernung von einigen zwanzig Schritten ab, wobei der eine Deutsche am Fuße verwundet und mir ein sehr guter Maulesel getödtet wurde. Die Kerle hatten geglaubt, daß wir ebenfalls eine so feige Natur wie sie selbst hätten und, von ihrer Ueberzahl erschreckt, davon laufen würden, wie dies auch meine sämmtlichen mexicanischen Treiber thaten. Sie kamen aber diesmal an unrechte Leute, holten sich blutige Köpfe und mußten mit leeren Händen wieder abziehen. So wie die Räuber ihre erste Salve abgefeuert hatten, rief ich meinen Leuten zu, aus dem Scheine des Feuers fortzuspringen, da wir, von demselben beleuchtet, gute Zielpunkte abgaben, während unsere Feinde in der Dunkelheit waren. Wir feuerten nun einzeln auf die Angreifer, die trotz ihrer Ueberlegenheit nicht wagten, ohne Weiteres auf uns loszureiten, sondern in der tiefen Dunkelheit hin und her jagten, so daß sie schwer zu treffen waren. Einige unserer Schüsse mußten jedoch getroffen haben, denn wir hörten mehrfach einen Schmerzensruf oder ein wildes spanisches Fluchwort, einmal auch einen schweren Fall, als ob ein getroffener Reiter vom Pferde stürzte. Endlich wurde mir das Hin- und Herschießen zu langweilig und ich rief meinen Leuten zu: „Jungens, drauflos, laßt uns die Hunde zusammenhauen.“ Mit einem „Hurrah Deutschland!“ stürmten wir nun drauf, der Franzose rief sein „vive la France!“ und kam auch mit, der Irländer aber lachte vor Freude laut auf, denn so ein rechtes Handgemenge wird stets nach dem Geschmacke eines Paddy sein, und war nicht der Letzte. So wie die Mexicaner sahen, daß wir ihnen nun ernstlich zu Leibe rückten, flohen sie auf die feigste Weise. Einen der Räuber holte mein Hansen noch ein und riß ihn mit seiner gewaltigen Kraft aus dem Sattel, einen anderen fanden wir schwerverwundet am Boden liegen und der Irländer gab ihm den Gnadenschuß durch den Kopf, so daß er augenblicklich todt war.

Ueber unseren Gefangenen, der ein rechtes Galgengesicht hatte, wurde nun an unserem Feuer ein förmliches Kriegsgericht abgehalten. Ich trug darauf an, ihn einigemal tüchtig durchzuhauen und dann laufen zu lassen, der deutsche Goldgräber aber, den die Schußwunde, die er im dicken Fleisch der Hüfte erhalten hatte, sehr wüthend machte, wollte den Kerl auf der Stelle gehängt wissen. Wir stimmten nach echt californischer Sitte hierüber ab, ich, Hansen und der frühere schleswig-holsteinische Soldat waren für eine gehörige Prügelstrafe, die andern vier Beisitzer aber für das augenblickliche Aufhängen, und so war das Schicksal des gefangenen Räubers entschieden. Ich selbst wollte mit der Execution nichts zu schaffen haben und so zogen denn der Franzose, der Irländer und der verwundete deutsche Goldgräber, dem mein Hansen unterdeß die Kugel aus dem Fleisch herausgeschnitten hatte und der stark hinkte, mit dem Gefangenen nach dem nächsten Baume ab. Der Mexicaner, der es jetzt wohl ahnen mochte, welches Schicksal ihm bevorstand, fing kläglich zu winseln und zu bitten an, traf aber nur taube Ohren. Komisch war das Benehmen des Irländers bei dieser Gelegenheit, der sich mit seinem Gefangenen, den er in der nächsten Viertelstunde selbst aufhängen wollte, auf die freundschaftlichste Weise von der Welt unterhielt. „Schneiden Sie nur keine solchen Gesichter, mein Herr Räuber,“ meinte er in seiner kauderwelschen Sprache, „soll ein ganz angenehmes Vergnügen sein, das Hängen, wie mein Vater, der auch richtig am Galgen gestorben ist, stets sagte: ein Hops in die Luft und aus ist es und ich will schon dafür sorgen, daß Ew. Gnaden dabei den rechten Schwung kriegen. Kommen Sie, lassen Sie uns noch einen Schluck auf Ihre glückliche Reise trinken.“ Dabei reichte der kleine lustige Irländer dem Mexicaner seine Flasche mit Brandy hin und dieser, um wohl seine Todesangst zu betäuben, trank dieselbe in einem Zuge aus, so daß der Irländer brummte und meinte: „By Jesus, einen guten Fall in seiner Kehle hat der Kerl und es ist eigentlich schade, daß er aufgehängt werden soll.“

Unterdeß hatten der Franzose und der frühere preußische Soldat einen Eichbaum in der Nähe ausgekundschaftet, der ihnen passend schien, und ein Feuer unter demselben angezündet, damit sie bei ihrem Geschäfte besser sehen konnten. Der Franzose kletterte auf den Baum und legte einen Strick mit einer Schleife über einen Ast desselben, während der Irländer und der deutsche Goldgräber jetzt den Gefangenen, dem sie unterdeß die Hände auf dem Rücken fest geschlungen hatten, nach dem verhängnißvollen Baume hinzerrten. Sei es in Folge der Todesangst oder des zu viel genossenen Branntweins, der mexicanische Räuber konnte sich kaum noch auf den Füßen halten und schwankte hin und her, während der Irländer ihm noch stets Witzeleien und Scherzworte zurief, und ihm Beispiele davon erzählte, auf welche vergnügliche Weise mehrere seiner eigenen Verwandten und Bekannten, auch sein Vater, die den Tod am Galgen gefunden hätten, gestorben wären. Am Baume angekommen, war die Schlinge im Augenblick um den Hals des Delinquenten gelegt, die beiden Deutschen und der Irländer zogen mit einem „all hands“ (alle Hände) an, so daß der Körper wohl an sechs Fuß hoch über dem Boden hing, und der Franzose sprang ihm nun von einem Aste herab auf den Nacken, damit er das Genick brach und der Gehenkte sogleich enden konnte.

Als sei weiter nichts vorgefallen, kamen die Menschen bald darauf wieder zurück, legten sich um das Feuer und schliefen ruhig ein. Leider war uns bei dieser Gelegenheit außer dem erschossenen Maulesel noch ein anderer davon gelaufen, der sich nicht wieder fand, so daß mein Verlust sich auf einige hundert Dollars belief, denn sehr große und starke Maulesel, wie ich sie zu meinem Geschäfte benutzte, waren in Californien damals sehr theuer.

Das dritte Mal, daß ich zu den Waffen greifen mußte, um mein Eigenthum zu vertheidigen, war kurze Zeit vor meiner Abreise, unweit Goodyear-Bar. Ich schlief mit Hansen in einer kleinen Erdhütte, die wir uns gemacht hatten, während meine übrigen deutschen Gehülfen und die mexicanischen Treiber abwesend waren, um einen Mehltransport durch die tief verschneiten Felsschluchten herauf zu bringen, was ein unbeschreiblich mühseliges und langwieriges Geschäft ist.

Mitten in der Nacht wurden wir Beide durch das Gebell meines wachsamen Dachshundes aufgeweckt; wir sprangen schnell auf und sahen, wie drei bewaffnete Männer beschäftigt waren, die Hauptstange, die unsere Hütte hielt, abzusägen, so daß sie uns über dem Kopfe zusammengestürzt wäre. Ohne uns lange zu besinnen, zogen wir Beide zugleich unsere Revolvers, die wir Tag und Nacht scharf geladen im Gürtel trugen, hervor und feuerten sie auf die Kerle ab. Der eine stürzte leblos zu Boden, die andern zwei sprangen davon, doch mußte noch Einer eine Wunde erhalten haben, denn man konnte die Blutspuren am anderen Morgen noch ziemlich weit im Schnee verfolgen. Der Erschossene, der sehr gut bewaffnet war, schien unzweifelhaft ein Yankee zu sein und hatte gegen dreißig Golddoublonen in seiner Tasche, so daß ihn die Noth nicht zu diesem Raubversuch getrieben haben konnte.

Wir begruben am Morgen die Leiche ohne Weiteres, machten auch sonst keine Anzeige von dem Vorfall bei den Gerichten, da uns dies nur nutzlose Mühe verursacht hätte, und schenkten das bei der Leiche gefundene Geld dem Hospital in San Francisco, wo es gewiß zur Pflege von Kranken gut angewendet worden ist. Durch Zufall erfuhr ich einige Wochen später, daß der von uns Erschossene ein berüchtigter Raufbold und Räuber von Profession gewesen sei.



Nicht zu übersehen!

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Leipzig.

Ernst Keil. 

Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
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verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 336. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_336.jpg&oldid=- (Version vom 11.9.2022)