Seite:Die Gartenlaube (1857) 376.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1857)

und bewarfen damit den anstürmenden Feind von der Mauer herab so tapfer, daß dieser sich genöthigt sah, seinen Rückzug zu nehmen.

Ein angenehmer Spaziergang führt an dem Klodeitz-Canal nach der Hütte. Längs dem Ufer erheben sich stattliche Gebäude, meist mit Niederlagen für Steinkohlen, Zink und Eisen verbunden. Fortwährend werden Schiffe ein- und abgeladen, welche diese Güter bis nach Oppeln bringen, wo sie dann weiter befördert werden. Ein eben so großer Theil geht jedoch direct mit der Eisenbahn nach Breslau. Um sich einen Begriff von der Großartigkeit dieses Verkehrs zu machen, braucht man nur daran zu denken, daß jährlich Millionen Centner Kohlen und andere Bergwerksproducte hier verladen werden, so daß die oberschlesische Eisenbahn hauptsächlich diesem Umstande ihre große Rentabilität verdankt. Die Hütte besteht aus einer Reihe von Gebäuden, in denen das Eisenerz theils geschmolzen, theils verarbeitet wird. Schon von Weitem verkündigt ein lautes Getöse und dröhnender Hammerschlag die geschäftige Nähe derselben. Den Mittelpunkt bildet der riesige Hohofen, wo das rohe Material geschmolzen wird. Eine der größten Dampfmaschinen mit einem Gebläsewerk verbunden unterhält die nöthige Zuströmung von frischer Luft. So groß ist das Geräusch des sausenden Zuges, daß man beim Vorübergehen taub zu werden fürchtet und kaum einen kurzen Augenblick zu verweilen vermag. Drinnen kocht und siedet die feurige Masse, „der Funke sprüht, die Bälge blasen, als gält’ es Felsen zu verglasen.“ Einen besonders interessanten Anblick gewährt das Abstechen des Hohofens, welchem ich in Gesellchaft meines Freundes beiwohnen durfte. So bald das Erz hinlänglich geschmolzen ist, werden die bisher verschlossenen Pforten von den Arbeitern mit großen Stangen geöffnet. Plötzlich füllt sich der dunkle Raum mit hellem Licht und ein glühender Eisenstrom windet sich, einer Schlange gleich, im feuchten Sande, wo er allmählich erkaltet. Die dabei ausströmende Hitze ist so groß, daß der Boden unter unseren Sohlen zu brennen scheint und die Arbeiter nur mit Hemde und leichter Hose bekleidet ihr schwieriges Tagewerk vollführen. Das so gewonnene Eisen bedarf jedoch noch eines vielfachen Läuterungsprocesses, ehe es zu jedem Gebrauche angewendet werden kann. Meist wird dieses sogenannte Roheisen in den Kaupelöfen und Frischfeuern von den ihm noch anhängenden fremden Bestandtheilen gereinigt und von seiner Brüchigkeit befreit.

Von dem Hohofen treten wir in die Gießerei. Hier arbeiten die Former zuerst die Form der zu gießenden Gegenstände nach bestimmten Modellen, riesige Maschinentheile, kolossale Räder und Walzen, Hausgeräthe aller Art, Töpfe, Kochgeschirr und daneben wahrhafte Kunstgegenstände, prachtvolle Kirchenleuchter, Statuen und selbst die zierlichsten Nippsachen für das Boudoir der Damen. Aus kleineren Oefen strömt dann das Erz in die fertige Form; dazwischen laufen und rennen von Ruß und Kohlenstaub geschwärzte Arbeiter mit größeren und kleineren Gefäßen, worin das flüssige, glühende Eisen getragen wird. Man muß sich in Acht nehmen und es heißt: Vorgesehn! wenn man nicht verbrannt werden will. Während in der einen Ecke ein wahres Ungeheuer von einem Cylinder aus der Erde emporgehoben wird, fällt an einer anderen Stelle die Hülle von einem edlen Bildniß, schält sich hier ein zierliches Gefäß, dort ein luftiges Gitter zu einer Brücke aus der kunstreichen Form. Aber noch bedarf das so erhaltene Product der letzten Vollendung, der Abglättung und Politur, wenn es seinem Zwecke entsprechen soll. Doch auch dafür ist gesorgt durch die mächtigen Drehbänke und Schleifereien. Hier erblicken wir durch ein einziges kolossales Rad unzählige kleinere Räder in Bewegung gesetzt, welche die verschiedenen Gußstücke mit scharfen und schneidenden Messern, Stahlmeißeln und Bohrern in Berührung bringen. Als wäre es weiches Wachs oder Holz, so wird das harte Eisen von dem noch härteren Stahle geschnitten, angebohrt und von seiner rauhen Oberfläche befreit, daß es im hellen Glanze blinkt. Glühend heiß sind die abfallenden Eisenspähne, welche allein durch ihren Wärmegrad die angewendete Kraft und den geleisteten Widerstand verrathen.

Die Zeit drängt und wir haben noch so viel zu sehn: die Schmiede, wo vor unsern Augen der Dampfkessel entsteht, welcher vielleicht schon in wenig Wochen eine Maschine von zweihundert Pferdekraft in Bewegung setzen wird. Wir glauben, in die Werkstätte der Cyklopen zu treten. Die schwieligen Fäuste der kräftigen Männer treiben unter wuchtigen Hammerschlägen fußlange Nägel durch das mehrere Zoll dicke Eisenblech. Der betäubende Lärm und das Getöse verscheucht uns fort nach den stilleren Räumen, wo der Ciseleur den kunstreichen Gebilden des Formers die letzte Vollendung gibt. Aus den Reihen dieser Arbeiter sind schon geniale Künstler hervorgegangen, und der berühmte Bildhauer Kiß, der die Amazonengruppe in Berlin geschaffen, so wie Kallide sind Kinder und auch Zöglinge der Gleiwitzer Hütte.

Endlich gehen wir, nachdem wir den wunderbaren Verwandlungsproceß angestaunt, der vor unseren Augen sich entfaltet hat, die Metamorphose des rohen Erzes zur feinsten Schöpfung des künstlerischen Fleißes anzusehen. Hier feiert der menschliche Gedanke und die Arbeit ihre schönsten Triumphe, indem sie in einer fortlaufenden Reihenfolge das Eisen als den modernen Proteus erscheinen lassen, bald in Gestalt des segensreichen Pfluges, bald als zerstörende Kanonenkugel, bald als Maschine und Hebel der modernen Industrie. – Was ich hier gesehen, machte mich nur begierig, auch die übrigen Hütten und Werke kennen zu lernen, an denen die Umgegend von Gleiwitz und die benachbarten Kreise so überaus reich sind. Mein nächster Ausflug galt den reichen Kohlenlagern von Zabrze, welche mit der Eisenbahn in einer Viertelstunde zu erreichen sind. Nach allen Richtungen erstrecken sich bald in größerer bald in geringerer Tiefe die ungeheueren Steinkohlenflötze in einer Mächtigkeit, welche den Schätzen dieser Art in Wales gleich kommt. Ein Bekannter meines Freundes, der daselbst das Amt eines Obersteigers bekleidete, erschloß mir diese unterirdische Welt, die ich unter seiner Führung betrat. Mit dem schwarzen Kittel des Bergmannes angethan fuhren wir in den Hauptstollen nieder, der sich in ungemessener Ausdehnung unter der Erde erstreckt. Damals war von einem Plane die Rede, diesen Gang bis nach der zwei bis drei Meilen noch entfernten Königshütte fortzutreiben und mit den dortigen Gruben zu verbinden. Mich überkam ein ganz eigenes wunderbares Gefühl, als ich so in der dunklen Tiefe einherwanderte und die Bergleute mit ihrem Lämpchen am Gurt wie irrende Schatten an mir mit ihrem sinnigen „Glück auf!“ vorüberschlüpften. Schwarze Wände bildeten von beiden Seiten ein finsteres Gewölbe, von dem das sickernde Wasser niedertropfte. Geschäftig pochte die Hacke an den Stein und löste die Kohle oft in großen, mächtigen Stücken ab, welche polternd und dröhnend mit dumpfem Falle niederfuhren.

Zuweilen hörten wir ein erschütterndes Krachen, das von einer Pulvermine herrührte, durch die ein größeres Flötz gesprengt wurde. Ein Erdbeben schien im Anzuge zu sein und der Boden zitterte oft wörtlich unter unseren Füßen. Die Unbefangenheit meines Begleiters flößte auch mir Muth ein und ich schritt an seiner Seite rüstig fort, bis wir zu einem unterirdischen Canal gelangten, der von den strömenden Wassern der Tiefe gebildet wird. Wer hätte da nicht an den Styx der Unterwelt gedacht, und richtig, da wiegte sich auch schon Charons Nachen auf der schwarzen Fluth. Mein Führer winkte und der Schiffer, der allerdings nicht griechisch, sondern nur wasserpolnisch sprach, ruderte uns eine ziemliche Strecke auf dem dunklen Gewässer. Unterwegs erzählte mir der Herr Obersteiger von den verschiedenen Gefahren, welchen die Bergleute in den Kohlengruben ausgesetzt sind, unter denen die sogenannten „schlimmen Wetter“, verdorbene und schädliche Gase, welche sich leicht entzünden und durch Explosion tödten, die erste Stelle einnehmen. Außerdem gehören Verschüttungen, Verletzungen beim Sprengen und Anzünden der Minen, Tödtung durch herabgefallene Balken und Gefäße keineswegs zu den Seltenheiten. Die Zahl der jährlich Verunglückten ist ziemlich bedeutend, und erst gestern wurde ein Bergmann, der am Morgen rüstig eingefahren, am Abend mit zerschmetterten Gliedern den armen Seinigen in’s Haus getragen. Dabei ist der Lohn äußerst gering und doch sind die Leute meist mit ihrem Loose zufrieden; selbst zur Zeit der Revolution im Jahre 1848 verhielten sich gerade diese Arbeüer weit ruhiger, als die meisten ihrer Brüder, und verlangten nur in seltenen und vereinzelten Fällen eine Lohnerhöhung. Mein freundlicher Führer unterrichtete mich auch bei dieser Fahrt über die Beschaffenheit und Güte der verschiedenen Kohlensorten, welche hauptsächlich von ihrer Reinheit abhängt, so wie von der Eintheilung in Stück-, Würfel- und Staubkohle, die sich nach dem Volumen und Umfang richtet. Der Preis der ersteren ist ungefähr doppelt so hoch als der letzteren. Der Transport im Bergwerke selbst geschieht auf Eisenbahnschienen und in viereckigen Karren, aus denen sie in Kasten gebracht und so hinaufgewunden werden. Einen derartigen Kasten, nicht eben das angenehmste und reinlichste Fuhrwerk,

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 376. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_376.jpg&oldid=- (Version vom 10.9.2022)