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verschiedene: Die Gartenlaube (1857)

benutzten auch wir zur Auffahrt und mein erster Gedanke war: Es freue sich, wer da athmet im rosigen Licht!

Von Zabrze brachte uns die Eisenbahn im raschen Fluge nach Königshütte, einem Dorfe, das statt der erwarteten Hütten aus eleganten Häusern und selbst einzelnen palastähnlichen Gebäuden besteht. Das dortige Hotel stand in keiner Beziehung seinen großstädtischen Geschwistern, selbst nicht in der Rechnung, nach. Während wir unser Abendbrod in dem gemeinschaftlichen Speisesaale verzehrten, füllte sich derselbe mit Gästen, reichen Gutsbesitzern und Beamten aus dem Orte und der Umgegend, selbst an Ausländern fehlte es nicht, an Engländern, Franzosen und besonders Russen, welche entweder hier angestellt waren oder die Hüttenwerke und den Bergbau Oberschlesiens praktisch kennen lernen wollten. Es herrschte im Ganzen ein heiterer und ungebundener Ton, bald schäumte der Champagner, der Ungarwein floß, die Würfel klapperten und auch eine Bank mit hohem Einsatz wurde aufgelegt. Trotzdem die wunderbar gemischte Gesellschaft, unter der sich auch ein junger Prinz als angehender Bergmann befand, mir manche interessante Seite für meine Beobachtung bot, so zog ich es doch vor, zeitiger als gewöhnlich mein Bett aufzusuchen, ermüdet von den keineswegs unbedeutenden Anstrengungen des Tages. Als ich in das mir angewiesene Zimmer trat, wurde ich nicht wenig überrascht von einem hellen Glanz am Horizont, der mir von einer Illumination herzurühren schien. Ein Glanz von blauen, grünen und rothen Flammen schimmerte vor meinen Augen, als ich das Fenster öffnete und in die dunkle Nacht hinausblickte. Auf mein Befragen belehrte mich der Freund, daß dieser Schein, den ich für eine festliche Beleuchtung hielt, nur die aufsteigende Gluth unzähliger Hohöfen und Zinkhütten in der Umgegend sei. Ich konnte mich nicht schnell von dem eigenthümlichen Schauspiel trennen und blickte noch längere Zeit nach den Feuerzeichen, welche der unkundige Wanderer für wunderbare Meteore und glänzende Naturerscheinungen zu halten geneigt ist.

Am nächsten Morgen stattete ich der Gießerei und der an derselben gelegenen Zinkhütte meinen Besuch ab. Die Königshütte hat mit den Gleiwitzer Eisenwerken die größte Aehnlichkeit; beide sind königliches Eigenthum und dienten längere Zeit als Musteranstalten, sind aber gegenwärtig von der gestiegenen Privatindustrie fast in den Hintergrund gedrängt worden. In Königshütte bestiegen wir einen Wagen, der uns nach der nahen Laurahütte bringen sollte. Der ganze Weg führte uns fortwährend an Gruben, Dampfmaschinen und ähnlichen Etablissements vorüber. Wir befanden uns in dem eigentlichen Bergwerksdistricte, wo eine kaum geahnte Thätigkeit, ein reges Leben herrscht. Die Chaussee war mit Hunderten von Wagen bedeckt, welche Erze, Kohlen und ähnliche Producte fuhren. Der oberschlesische Bauer zieht es vor, durch diese Frachten statt durch den mühevollen Ackerbau auf leichtere Weise sein Brod zu verdienen. Im Leinwandkittel geht er neben dem Gespann, das aus zwei kleinen Pferden besteht, welche nicht selten kaum die Größe eines ausgewachsenen Kalbes erreichen, so daß man nicht begreift, wie sie die schweren Lasten fortschaffen können. Niemals glaubte ich ähnliche elende Thiere gesehen zu haben. Dabei geht die Feldwirthschaft natürlich zu Grunde, da der Bauer als sogenannter „Vecturant“ sich den ganzen Tag auf der Heerstraße herumtreibt und den schnell erworbenen Verdienst in den zahllosen Schenken durchbringt. Außerdem bleibt das Düngungsmaterial verloren und ungenutzt auf dem Wege liegen. In schlechten Jahren muß dann natürlich der Hunger und die Noth sich einstellen, da der Ertrag der so gänzlich vernachlässigten Felder nicht ausreichen kann. Durch Einführung von Pferdebahnen glaubt man diesem Uebelstande abzuhelfen, der jedoch tief in der Natur der Verhältnisse liegt und zum großen Theil in der Trägheit und dem Nomadensinn der polnischen Bevölkerung begründet ist.

An einzelnen Stellen liegt die Kohle vollkommen zu Tage, nur durch eine leichte Erdschicht bedeckt, so daß ein derartiges Bergwerk dem Beschauer einen offenen Einblick gestattet. Es gewährt dann ein lohnendes Schauspiel, diese Hunderte von Arbeitern bei ihrer Beschäftigung zu sehen, wie sie gleich einem Ameisenhaufen hier in der Erde wühlen. – Zuweilen geräth auch durch irgend einen Zufall ein mächtiges Kohlenflötz in Brand und kann trotz aller Anstrengungen, mächtiger Schutzmauern und Hinzuleitung von Gewässern nicht mehr gelöscht werden. Jahre lang wüthet die Flamme in der Tiefe der Erde, bis sie Alles verzehrt hat oder aus Mangel an Luftzutritt erstirbt. Eine solche Brandstätte ist in dieser Gegend die mächtige Fanny-Grube. In einer Ausdehnung von vielen hundert Morgen ist der Boden ausgedörrt und an einzelnen Stellen verglast. Man glaubt, auf einem Vulcane zu stehen: aus dem geborstenen Erdreich und den zerbrochenen Spalten bricht fortwährend ein schwefliger Dampf hervor, zuweilen mit rothen zuckenden Feuerflammen verbunden. Ringsumher scheint die Vegetation erstorben und die Gegend bietet besonders im Hochsommer einen traurigen Anblick dar. Kein Vogel singt in der verpesteten Luft, kein Thier nähert sich dem heißen Brodem, der unaufhörlich emporwirbelt und nur selten nähert sich ein Mensch dem gefährlichen, glühenden Aufenthalt der entfesselten Geister der Unterwelt. Das Schweigen des Todes herrscht an solchen Orten. Noch weit wunderbarer soll dies Schauspiel im Winter sein, wo die ganze Gegend mit Schnee bedeckt erscheint, während auf diesen Stellen die Wärme den Schnee fortschmilzt und hier in der weißen, erstarrten Ebene ein großer, schwarzer Fleck die unterirdische Gluth verkündet. Dann sprießt wohl auch im Februar wie in einem künstlichen Treibhause eine schnell wieder dahinwelkende Vegetation hervor, und der erstaunte Wanderer erblickt mitten im Winter grünenden Rasen und blühende Maßliebchen, während der eisige Nordwind alles übrige Leben tödtet.

Die Laurahütte ist von dem Grafen Henkel von Donnersmark und den Gebrüdern Oppenfeld begründet; sie liegt neben dem Dorfe Sziemanowitz, welches dem Ersteren zugehört. Auch hier finden wir statt eines eigentlichen Dorfes eine Reihe eleganter Wohnungen für das zahlreiche Beamtenpersonal, schöne Häuser im neuesten Baugeschmack, von Gärten umgeben und mit allem möglichen Comfort und selbst Luxus versehen. Die Hüttenwerke bieten einen imposanten Anblick dar in ihrer Ausdehnung und durch ihren soliden Bau. Wie Pyramiden steigen die gewaltigen Dampfschornsteine empor und gleich Thürmen ragen die verschiedenen Oefen, fortwährend in dunkle Rauchwolken gehüllt, in die Luft. In der Mitte des räumlich ungeheueren Hofes steht ein glänzender Cylinder von kolossaler Größe, welcher die nöthige erwärmte Luft dem Gebläse zuführt. Dampfmaschinen von der verschiedensten Pferdekraft bewegen unaufhörlich bei Tag und Nacht ihre Riesenarme und treiben die Arbeit von vielen tausend Menschenhänden. Laurahütte ist das oberschlesische Seraing und nicht minder bewunderungswerth wie dieser belgische Fabrikort, die Schöpfung des genialen Cockerill. In neuerer Zeit liefert es außer den verschiedenen Sorten von Schmiedeeisen und Blechen aller Art besonders auch Schienen für die Eisenbahnen, welche den englischen den Rang streitig machen. Unter den wuchtigen, centnerschweren Hämmern und Walzen nimmt das Eisen jede beliebige Form und Gestalt an und wird vor unseren Augen aus einer formlosen Masse zum starken, zolldicken Stabe, oder zum dünnen Blatte, so fein wie Postpapier, umgewandelt. Wie in Gleiwitz und Königshütte vorzugsweise geschmolzen und gegossen, so wird hier geläutert, geschmiedet und gewalzt. Der Hammer dröhnt, die Walze ächzt und drückt das sich sträubende Metall wie weiches Wachs zusammen, formt und preßt es so lange, bis es zum Hausgebrauch befähigt als Schmiede- und Schlossereisen nach allen Weltgegenden verschickt werden kann. Zwischen zwei Cylinder, deren Kraft hinreichen würde, einen Elephanten zu zermalmen und die festesten Knochen augenblicklich in Staub zu verwandeln, bringt der athletische Arbeiter ein Stück glühendes Eisen; man glaubt es unter dem gewaltigen Drucke stöhnen zu hören. Nach kurzer Zeit zieht er es glatt gedrückt hervor und von Neuem trägt er es zu dem Ofen, wo es wieder bis zur Glühhitze erwärmt wird. Jetzt steckt es der Arbeiter zwischen zwei andere Walzen, welche es ergreifen, packen, es dehnen und strecken, bis es um mehrere Fuß verlängert erscheint. Aber noch immer wird dem armen Eisen keine Ruhe gegönnt, von Walze zu Walze, von Cylinder zu Cylinder muß es wandern, um endlich als vollkommene Eisenbahnschiene hervorzugehen, jetzt erst geeignet, die schweren Lasten der dahin sausenden Locomotive, der unendlichen Güterzüge zu tragen, ohne zu brechen. Der Reisende, welcher im raschen Fluge darüber fährt, läßt sich gewiß nicht träumen, wie viele Schweißtropfen seine schnelle Beförderung und Sicherheit dem armen oberschlesischen Hüttenmann gekostet hat.

Die meisten dieser Arbeiter sind geborne Oberschlesier und mein Freund versicherte mich, daß dieser so verschrieene Volksstamm eine merkwürdige Geschicklichkeit und Anstelligkeit besitzt. Nehmt einen oberschlesischen Bauer und zeigt ihm eine Dampfmaschine

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verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 378. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_378.jpg&oldid=- (Version vom 10.9.2022)