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verschiedene: Die Gartenlaube (1857)

Ostindisches Jagdleben.[1]

Es gibt gewiß keine angenehmere Lustpartieen, als diejenigen sind, welche von der gebildeten, englischen Gesellschaft in Bengalen zum Zwecke der Jagd veranstaltet werden. Namentlich war von jeher die angenehme Gegend, welche in einiger Entfernung vom Fort William liegt, besonders reich an Wild jeder Gattung, und es wurde deshalb vorzugsweise von Jagdliebhabern heimgesucht. Man pflegt dazu die Zeit zwischen den Monaten November und März zu wählen, denn gerade in dieser Jahreszeit ist das Klima am günstigsten, die Temperatur höchst angenehm, die Luft ruhig und klar, der Himmel fast ununterbrochen wolkenleer. Eine größere Jagdgesellschaft richtet sich aber zu einer Partie gehörig ein und hat die umständlichsten Vorbereitungen nöthig. –

Man bestimmt zunächst einen auserwählten, hübschen und einladenden grünen Platz, der im Schatten des Waldes und nahe bei einem Gewässer liegt, um hier das Jagdlager einzurichten. Zu diesem Zwecke borgt oder miethet sich die Gesellschaft Elephanten und Kameele, kleine Karren, Tragochsen und Coolie’s, d. h. Träger, welche man jeder Zeit für sehr mäßige Preise haben kann, um die Zelte, wie andere Jagd- und Bequemlichkeitsbedürfnisse nach dem ausgewählten Platze zu transportiren. Irgend einer der befehligenden Officiere dieser Gegend wird dann angesprochen, eine militairische Wache oder Escorte von Seapoy’s herzugeben, was immer mit Bereitwilligkeit erfüllt wird, da die Gesellschaft sich dieses bewaffneten Schutzes bedient, um im Falle des Hereinbrechens reißender Thiere gesichert zu sein, denn in allen Districten, wo der Wildstand bedeutend ist, findet man auch immer die Raubthiere zahlreicher versammelt. Vor fünfzig Jahren hatten die Jagdgesellschaften diese Seapoy’s namentlich auch zum Schutze gegen Räuberbanden nöthig, die in Bengalen umherstreiften und manche ungeschützte Jagdgesellschaft ausgeplündert haben.

Die Jagdgesellschaft bezieht förmlich ein Lager; die großen von derselben bewohnten Zelte werden gewöhnlich in einem Kreise aufgeschlagen, während diejenigen Zelte, welche für die Dienerschaft und die Bewachung bestimmt sind, rings um diesen Kreis gestellt werden und denselben einschließen. Jedes Zelt, das für eine Dame eingerichtet ist, hat drei Abtheilungen, einen Bettraum, einen Toilettenraum und ein Boudoir; der Boden wird mit Teppichen oder Rohrmatten belegt und, damit der Regen, der eintreten könnte, nicht in das Zelt dringen kann und die Sonnenstrahlen abgehalten werden und eine größere Kühlung erhalten wird, besteht jedes Zelt aus einer doppelten Bedeckung. Die Oeffnungen, welche demselben als Thüren und Fenster dienen, werden mit Matten behängt, die aus einem wohlriechenden Grase geflochten sind, und bei heißer Witterung beständig an ihrer Außenseite mit Wasser begossen werden. Es ist dieses Kühlungsmittel indessen selten erforderlich, da um diese Jahreszeit die Temperatur gewöhnlich eine gemäßigte, angenehme Wärme inne hält. – Mit dem Nutzen verbindet die englische vornehme Welt aber auch den Luxus, denn jedes Zelt ist in seinem Innern mit den schönsten Zitzstoffen, oft sehr kostbar gefüttert.

Für Lieferung der nöthigen Lebensmittel tragen die Mitglieder einer solchen Jagdgesellschaft nicht weniger Sorge. Ist der ausgewählte Lagerplatz gerade nicht in der Nähe eines Dorfes gelegen, so sorgen die einzelnen Familien, die zur Partie gehören, für ihren Bedarf; sie miethen zu diesem Zwecke „Banyanen,“ d. i. Haushofmeister, welche größtentheils Gemüsekrämer sind, und die Gesellschaft begleiten müssen. Diese Leute ergreifen gern eine solche Gelegenheit, um einen kleinen Nebengewinn zu verdienen, und liefern alle nöthigen Lebensmittel, während die Familien ihre Weine und verschiedenen Getränke selbst mitzubringen pflegen.

Bei solchen Jagdauszügen erscheinen die Herren zu Pferde, um in der galantesten Form die Damen nach dem Versammlungsorte zu begleiten. Die Damen nebst ihren Zofen reisen dabei gemächlich in zierlichen Palankeens (indischen Tragsesseln) und, wo der Weg es gestattet, in offenen englischen Wagen. Hat nun die Gesellschaft von ihren Zelten Besitz genommen, und ist die Jagdbelustigung eröffnet, so fängt sie mit Tagesanbruch an und vertreibt den Morgen damit, Eber, Wölfe, Antilopen, Moschusthiere, Damhirsche, rothe und andere Rehe, Hasen, Füchse und Schakals zu jagen. Außer dem gemeinen rothen, dem gefleckten und dem mäusefarbenen Rehe gibt es noch zehn bis zwölf andere Gattungen; wilde Schweine werden gewöhnlich in den neu angebauten Landstrichen und in den Zuckerrohrpflanzungen gefunden, und ihr Fleisch ist hier gerade am schmackhaftesten. Wölfe und Schakals sieht man bei Tagesanbruch um die einsamen oder entlegenen Dörfer herumschleichen, von wo sie sich dann in die Wälder, in ihre Höhlen oder in die Ebenen, in Gruben und Schluchten zurückziehen. Die Hasen lagern sich ebenso, wie in Europa. Das kleine Reh, das Moschus- oder Bisamthier und das gewöhnliche Reh verstecken sich in das dickste und höchste Gras, die Antilope und der Hirsch durchstreifen die Ebene.

Alle diese Thiere begeben sich jedoch in die „Jungle“ (so nennt man nämlich das sieben bis acht Fuß hohe, dicht verschlungene und fast undurchdringliche Gras, das überall auf unbebauten Landstrecken wächst), um zu weiden oder um Beute zu machen.

Aber einem so wildreichen Lande, wie Indien, kann es auch an reißenden Thieren nicht fehlen. Die hauptsächlichsten und gemeinsten Raubthiere, denen man hier begegnet, sind der große bengalische oder königliche Tiger, der Leopard, der in mehreren Gattungen vertreten ist, der Panther, die Tigerkatze, der Bär, der Wolf, der Schakal, der Fuchs, die Hyäne; außerdem gibt es hier das Rhinoceros, das aber nicht den Menschen gefährlich ist. – Wildpret und Raubthiere werden auf der Jagd vorgenommen; die Jäger schießen aber auch reichlich Geflügel, welches das Land in großer Auswahl darbietet; namentlich macht man Jagd auf Rebhühner, Felsen-Rebhühner, Hurrials oder grüne Tauben, Wachteln, Brachvögel, wilde Hähne und Hühner, Kibitze, schwarze, weiße und graue Pfauen, Florekins, Störche von verschiedenen Gattungen und Farben, Wasserhühner, braminische Gänse, Kraniche, wilde Gänse und Enten, Kriech-Enten, Pfeif-Enten, Wasserschnepfen und anderes Wassergeflügel in großer Zahl, von den seltsamsten Gestalten und glänzendsten Farben, wovon oft die Oberflächen des Wassers ganz bedeckt erscheinen und die im Auffliegen oft die Luft verfinstern.

Die Füchse sind klein, von zartem Gliederbau, mit feinen, braunen Haaren bedeckt, und haben keinen starken Geruch, da sie sich größtentheils von Getreide, Früchten, überhaupt Vegetabilien ernähren. Sie sind äußerst geschwind und gewandt, aber nicht stark und dauerhaft. Die Schakals sind etwas größer als die europäischen Füchse, aber von brauner Farbe und schwerfälligem Bau, auch ist ihre Nase stumpf; sie gleichen dem Wolfe mehr als dem Fuchse, und werden deshalb auch Goldwölfe genannt. Sie sind in großen Horden vorhanden.

Von den Rebhühnern gibt es verschiedene Gattungen, eine mit weißem Unterleibe, eine andere, die dem Haselhuhn gleicht, aber mehr gesprenkelt ist. Auch von den Kibitzen gibt es hier mehrere Arten. Wenn die Witterung recht warm ist, sieht man große Schwärme von Ortolanen über die Ebenen streichen. Fasanen findet man in Bengalens Wäldern fast nur an den Grenzen von Assam, bei Chittagong, so wie in den Bergen, welche Hindostan von Nepaul und Tibet trennen. Dort aber, besonders in der Umgebung von Moorung, sowie in Betiah sind sie groß und schön, man trifft dort den Gold- und den Silberfasan, den gefleckten, azurblauen, braunen und pfauenäugigen; dagegen gibt es Pfauen überall in vielen Arten und in erstaunlicher Menge.

Aus den Wäldern von Hindostan stammt sicherlich das gemeine, zahme Haushuhn her, das in Europa allgemein ist, denn man trifft sie hier in den indischen Wäldern und Landstrichen fast in jedem Gebüsche. Sie unterscheiden sich aber von ihrer zahmen Generation Europa’s dadurch, daß das Fleisch an ihrem Körper braun, das der Schenkel aber weiß ist, also umgekehrt wie beim zahmen Huhne. Die Hähne sind immer von einerlei Farbe, nämlich dunkelroth, sie haben einen sehr stolzen Gang und viel Kampflust; die Hühner sind alle braun. Es ist sehr unterhaltend, wenn man frühmorgens durch die Wälder reiset, die große Zahl Hähne krähen zu hören, ihren stolzen Spaziergang und ihre Gefechte anzusehen, während die Hennen mit ihren Küchlein zwischen Bäumen und Gebüschen umherschleichen. Sie werden aber wenig gejagt und gegessen, da ihr Fleisch weder so zart, noch schmackhaft ist, wie das

  1. Mit Genehmigung des Herrn Verlegers aus dem erst vor einigen Tagen in Leipzig ausgegebenen interessanten Werke: Ostindien, seine Geschichte, Cultur und seine Bewohner von Ph. v. Mökern. 2 Bde., über den wir in einer der nächsten Nummern ein Näheres berichten werden. D. Red.
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verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 446. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_446.jpg&oldid=- (Version vom 7.9.2022)