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verschiedene: Die Gartenlaube (1857)

sehen kann, zu Tage aus. Die Hirten nun sollen ein Feuer, das sie sich angezündet hatten, mit dort herumliegenden Kohlen umstellt und dabei verwundert bemerkt haben, daß die schwarzen Steine selbst in Brand gerathen waren. Ein großer Werth konnte freilich dem nun aufgefundenen Brennmaterial nicht beigemessen werden zu einer Zeit, die Holz in Hülle und Fülle hatte, so daß man noch i. J. 1514 in Zwickau die Klafter hartes Holz für 6 gGr. und die Klafter weiches für 2½ gGr. kaufen konnte. Nur nach und nach erhielten die Steinkohlen mit dem Steigen der Holzpreise einen etwas höhern Werth und es wurden hauptsächlich die Feuerarbeiter der näheren und ferneren Umgebung von Zwickau je länger, desto bessere Kohlenabnehmer.

Der erste Abbau der Kohlen war, da dieselben zu Tag auslagen, nur Tagebau; als man sie aber endlich bei dem steten Fallen der Kohlenflötze nach der Tiefe durch den Tagebau nicht mehr gewinnen konnte, stellte sich das Abteufen von Schächten, – senkrecht niedergebrachten, mit Holz ausgefütterten, länglich viereckigen Löchern – von selbst ein. Auch in Nieder-Cainsdorf, in dem der Bockwaer Commun zugehörigen Walde konnten die ersten dort ebenfalls zu Tage ausstreichenden Kohlen durch Tagebau gewonnen werden. Wann man damit begonnen hat, darüber gibt es keine zuverlässigen Nachrichten, nur so viel läßt sich mit Sicherheit angeben, daß der Kohlenbau dort in der Mitte des 16. Jahrhunderts schon über 100 Jahre im Gange war. Denn ein Zwickauer Bürger sagt in einer Bittschrift v. J. 1551 ausdrücklich, daß sein Schwager, ein gewisser Müller in Bockwa, sowie dessen Vater und Großvater „schon länger als 100 Jahre“ Kohlen dort gefördert hätten.

Freilich brachte der Abbau, da das Bedürfniß nach Kohlen noch keine wesentliche Steigerung erfahren hatte, nur sehr bescheidenen Gewinn, und je mehr die Grundbesitzer in Bockwa Schächte zum Abbau der Kohlen unter ihren Grundstücken niederbrachten, desto mehr mußte die Befürchtung rege werden, es möchte der Kohlenpreis nach und nach so weit herabsinken, daß sich die Kohlenförderung zuletzt gar nicht mehr der Mühe verlohne. Um nun der völligen Entwerthung der Kohle vorzubeugen, vereinbarten sich der Besitzer des Rittergutes Planitz und die Kohlengrubenbesitzer in Bockwa um das Jahr 1520 dahin, daß die Kohle von Keinem von ihnen unter einem bestimmten Preise verkauft werden dürfte und daß die Reiheladung eingeführt werden solle, d. h. es sollte die Verladung von Kohlen allemal nur bei einem Grubenbesitzer erfolgen und dabei war genau geordnet, in welcher Reihe die Besitzer aufeinander folgen sollten, und welches Quantum sie nach Verhältniß ihres Grundbesitzes abgeben durften. Als nun die Auffindung von Kohlen in Oberhohendorf i. J. 1530 und in Reinsdorf i. J. 1540 erfolgt war, übten die dortigen Besitzer zuerst eine Zeit lang freien Kohlenverkauf, sahen sich aber bald genöthigt, sich der Planitz-Bockwaer Kohlenordnung anzuschließen. Es wurden zwar zu verschiedenen Malen Versuche gemacht, die das freie Verfügen über das Eigenthum aufhebende Reiheladung abzuschaffen; aber gewöhnlich dauerte der freie Verkauf nicht lange, weil man bald erkennen mußte, daß er von zwei unvermeidlichen Uebeln das größere sei. Nun bemühte man sich, der Kohlenordnung solche Gestaltung zu geben, daß die bei der Reiheladung immer vorkommende Bevortheilung möglichst in Wegfall gebracht würde; denn wer einmal an der Reiheladung war, suchte dieselbe thunlichst weit auszudehnen, und wendete allerhand Mittel an, um die zur Beaufsichtigung der Verladungen angestellten Beamten über das abgegebene Kohlenquantum zu täuschen. So entstanden nach und nach neun Kohlenordnungen, von denen die letzte v. J. 1740 bis 1823 in Geltung blieb. Dann aber wurde der Kohlenverkauf völlig freigegeben. Denn der Kohlenbedarf war inzwischen so gewachsen, daß die Aufhebung der Reiheladung, welche die Benutzung des Grundeigenthums der Kohlenwerksbesitzer monopolistisch beschränkte, zur unumgänglichen Nothwendigkeit geworden war.

Die Straßen waren in guten Zustand gekommen, und ermöglichten das Verfahren der Kohlen in weitere Entfernung; der Preis des Holzes war so gestiegen, daß ein dasselbe ersetzendes billigeres Brennmaterial nur angenehm sein mußte; die bessere Herrichtung der Oefen hatte den Leuten deutlich gemacht, daß das Brennen der Kohlen auch ohne üblen Geruch geschehen, und mit den Forderungen der Reinlichkeit recht wohl in Einklang gebracht werden könne, und den Ausschlag gab die Erfindung der Dampfmaschine und deren Verwendung als fortbewegende Kraft auf eisernen Bahnen.

Die Dampfmaschine war es auch, welche allein die Kraft hatte, den Feind des Kohlenbergbaues siegreich niederzuwerfen, dem er sonst in nicht zu weiter Ferne hätte ganz erliegen müssen. Dieser mächtige Feind war das Wasser. Es konnte natürlich nicht ausbleiben, daß die Schächte im Laufe der Jahrhunderte immer tiefer und tiefer niedergebracht werden mußten, bis endlich der Zudrang des Wassers so heftig wurde, daß ein Tiefergehen nicht mehr möglich war. Zu Planitz und Hohendorf, die beide auf ansehnlichen Höhen liegen, sicherte man sich den Abbau der Kohlen bis auf eine Tiefe von 50 bis gegen 70 Ellen durch Anlegung von Stollen, d. h. man trieb vom Fuße der Berge aus wagrecht gehende Löcher in deren Inneres bis zu den zu entwässernden Schächten, setzte diese mit den Stollen in Verbindung und ließ die Wasser in ihnen abfließen. Die Kohlen aber, die unterhalb des Stollens und im Thale lagen, waren für jene Zeit kaum abbaubar. Die Lösung der Aufgabe, ganze Bäche voll Wasser aus der Erde zu heben, und dem Bergmann die Kohlenförderung aus jeder Tiefe zu ermöglichen, blieb der Dampfmaschine vorbehalten. Ihre erste Verwendung zur Wasserhaltung bei dem Kohlenbergbau fand sie in Oberhohendorf im Jahre 1826, doch bald folgten auch andere Kohlenbergwerksbesitzer dem gegebenen Beispiele nach.

Der jetzt erzielte Gewinn bei dem Kohlenbergbau war sehr bedeutend, und mehrte sich noch, als i. J. 1830 die Cokbrennerei Eingang fand. Denn durch diese wurden die klaren Kohlen, welche früher fast werthlos waren, eine gesuchte Waare. So wuchs der Wohlstand und Reichthum der Bergherren zusehends.

Bei solchen Ergebnissen des Steinkohlenbergbaues lag der Gedanke, die Planitz und Bockwa zunächst liegenden Fluren behufs ihrer Kohlenführung zu untersuchen, sehr nahe; und doch mußte der Anstoß hierzu erst von außen her durch Herrn Professor Breithaupt aus Freiberg gegeben werden. Dieser stellte im Jahre 1837 das Gesuch, auf den bei Niederplanitz liegenden, der Commun Zwickau zugehörigen Feldern des Pietzschischen Gutes und des rothen Vorwerkes, unter welchen er Kohlen erwartete, Bohrversuche anstellen zu dürfen. Dadurch wurde plötzlich den Zwickauern der Staar gestochen: sie unternahmen unter starker Betheiligung der Commun selbst auf jenen Feldern zwei Bohrversuche, die glücklich zur Auffindung von zwei 12 und 14 Fuß mächtigen Kohlenflötzen führten, von denen das erstere – ein Rußkohlenflötz – in einer Tiefe von 80 Lachter – 1 Lachter gleich 7 Fuß, – das andere – ein Pechkohlenflötz – in einer Tiefe von 110 Lachter erbohrt wurde. Auf solche Grundlage hin wurde der „Zwickauer Steinkohlenbauverein“ gegründet, der mit so glänzenden Erfolgen arbeitete, daß seine Actien, auf welche im Ganzen 46 Thlr. eingezahlt worden sind, jetzt schon einen Werth von 340 Thlr. haben. Dieser Verein hat jetzt zwei große Schächte in vollem Betrieb, die Schächte „Vereinsglück“ und „Aurora.“ Jeder derselben hatte zur Wasserhaltung eine Dampfmaschine von 20 Pferdekräften und zur Kohlenförderung eine dergleichen von 16 Pferdekräften; beide sind bis auf die beiden erbohrten Flötze niedergebracht und bei dem Abteufen der Aurora war man noch so glücklich, bei 75 Lachter Tiefe das vier Fuß mächtige sogenannte Schichtenkohlenflötz anzuhauen.

Das Kohlenfeld des Vereins umfaßt jetzt, nachdem zu dem ursprünglichen Felde noch mehrere Grundstücke erworben worden sind, 513 Scheffel. Die Kohlenförderung ist im Jahre 1856 bis auf 182,802 Karren – eine Karre gleich fünf Dresdner Scheffeln – gestiegen, wird sich aber fast verdoppeln, wenn der dritte im Abteufen begriffene, auf Doppelförderung eingerichtete Schacht, der „Glückauf-Schacht“ in vollen Betrieb gebracht sein wird. Das Werk beschäftigt jetzt 400 Arbeiter und hat im Jahre 1856 an Arbeitslöhnen 63,688 Thlr. ausgezahlt.

Professor Breithaupt ließ sich dadurch, daß sein erster Versuch zur Gründung eines großen Steinkohlenwerkes wenigstens für ihn nicht gelungen war, nicht von der weiteren Verfolgung seines Planes abhalten. Er erwarb mit zwei anderen Herren auf Lichtentanner-Planitzer-Marienthaler Flur, westlich von der Stadt Zwickau, das Kohlenunterirdische von 3000 Scheffeln Areal und gründete im Jahre 1840 den „erzgebirgischen Steinkohlen-Actien-Verein,“ welcher sodann im Jahre 1841 beinahe die ganzen Fluren von dem Dorfe Schedewitz, – 250 Scheffel lauter mächtige Kohlenflötze führendes Feld – an sich brachte. Der erste Versuch auf Lichtentanner Flur verunglückte, denn der Bohrer traf das Urgebirge, unter welchem niemals Kohlen lagern. Dagegen wurden im Jahre 1841 auf Niederplanitzer Flur 2 Pechkohlenflötze von 9 Fuß 10 Zoll und 20 Fuß 5 Zoll Mächtigkeit erbohrt. Der

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verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 471. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_471.jpg&oldid=- (Version vom 7.9.2022)