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verschiedene: Die Gartenlaube (1857)

Ein Holzsturz am Königssee.

Lebensfaden abschnitt. Obwohl sie gut zu erreichen, und obwohl sie leicht zu fällen gewesen, ehe sie am marasmus senilis dahinstarben, blieben sie von der Axt verschont, weil es sich der Kosten, sie vom Platze zu schaffen, dorthin, wo sie noch von Nutzen sein konnten, nicht verlohnte. Wie sie daliegen, sind sie zu nichts nutze, als ihren jungen Nachsprößlingen zum Dünger zu dienen.

Doch nein, dies ist nicht ihr einziger Nutzen. Es gibt Maler, besonders unter den Landschaftsmalern, die fast der Meinung sind, die Rudera ehemaliger mächtiger Baumgeschlechter seien prädestinativ niedergeworfen, um ihnen zu malerischen Studien zu dienen, und wenn ein ganzer Gebirgswald voll himmelanstrebender schlanker Stämme kaum ihre Augen auf sich zieht, siedeln sie sich sofort bei jedem Baumskelett oder Cadaver mit Dreifuß, Sonnen- und Regenschirm in einer Person, mit Mappe und Malkasten und allem übrigen Mal- und Zeichnungsapparat an, sobald dieselben nur mit malerischem Anstande starben und hinsanken, um sie in ihrem Studien-Album aufzunehmen. –

Anders denkt und spricht von ihnen der Forstmann und Holzfäller, die sie mit souverainer Verachtung betrachten. Es scheint fast Hyperbel, wenn die Leute im Gebirge behaupten, daß mehr Holz, das den Transport nicht lohnt, verfault, als geschlagen wird. Andererseits aber, wenn man das Verzwickte der Gebirgsformationen, dieses unendliche Gewirr, Auf und Nieder von Zacken, Kämmen, von Wänden, Schluchten, Rissen in solcher Raumausdehnung in’s Auge faßt, wohin du nur mit Lebensgefahr gelangen kannst, gibt’s da nichts zu verwundern.

Im Gebirge geräth nicht leicht einer auf „Holzwege“, weil die Stellen, wo sie mit Nutzen angelegt werden können, sehr rar sind. Es ist leicht zu erachten, daß im Laufe der Zeiten, vor Allem aber in den letzten Jahren, wo sich Holzmangel bereits überall fühlbar macht, sich der Erfindungsgeist auch darauf verlegte, Mittel und Wege zu erschaffen, vermöge welcher sich das Gebirgsholz am nutzbarsten transportiren ließe, allein in diesem Punkte sind wir noch nicht viel klüger geworden, als unsere Väter. Mit der Dampfkraft ist da nichts zu machen, und sonstige Fahrstraßen sind meistens unmöglich, oder wenn möglich, rentiren sie sich nicht. Es ist daher

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verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 489. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_489.jpg&oldid=- (Version vom 19.2.2017)