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verschiedene: Die Gartenlaube (1857)

acht, zehn Grad; hier erhält plötzlich die Sohle des Flötzes, die sonst immer wagerecht geht, eine starke Neigung, und dort ist das Flötz auf einmal ganz weg. Im letzteren Falle ist es dann entweder ganz alle oder der Bergmann hat es nur mit einem Versetzen zu thun. Um das Flötz wieder zu erlangen, macht er Querschläge durch das taube Gebirge, wobei ihm die Lage und Richtung desselben und gar manche andere nur seinen Augen erkennbare Andeutungen den rechten Weg zeigen müssen. Er findet das Flötz schon wieder, aber einen guten Theil des Gewinns haben ihm die Versuchsarbeiten genommen.

Und die Wetter, wie viel Verdruß machen sie ihm! Er führt Luftkanäle – Lutten – von unten bis oben herauf; er heizt in verschiedenen Tiefen unausgesetzt Oefen und unterhält Feuer, um die Luftströmungen zu befördern; er läßt seine Ventilatoren klappern, und wenn die heißen, schwülen Sommermonate kommen, brennt es doch gleich Wochen lang nicht, mag er auch noch so verdrüßlich drein schauen.

Uns hat es geglückt; den ersten Tag, wo es nach langer Pause wieder brannte, sind wir angefahren; drum waren wir auch guten Muthes, als uns der flinke Hund der Finsternis wieder entrückte und wohlbehalten dem Lichte des Tages wiedergab. Glückauf!

Haben wir nun Gelegenheit genommen, die Gewinnung der Kohlen in der Tiefe der Erde anzusehen, so dürfen wir es wohl nicht verabsäumen, die mit dem Kohlenbergbau eng zusammenhängende Cokfabrikation kennen zu lernen.

Die Coköfen werden immer zusammengebaut und bilden eine ununterbrochene bald kürzere, bald längere Reihe. Der einzelne Ofen ist backofenähnlich und bildet ein längliches Viereck; im Innern hat er ungefähr eine Elle über dem Boden einen von vorn nach hinten sanft ansteigenden Heerd, und nicht nur das Gewölbe besteht ganz aus feuerbeständigen Thonziegeln, sondern es sind auch alle Seiten mit derartigen Ziegeln sorgsam ausgefüttert. Lehmziegel würden bei dem hohen Hitzgrade, welchen die Oefen auszuhalten haben, schmelzen und aus ihnen erbaute Oefen gar bald zusammenbrechen. An der hintern Seite wird mitten durch das Gewölbe eine Esse – Fuchs genannt – herausgeschleift und an der vordern Seite hat der Ofen eine etwa drei Fuß hohe und breite viereckige Oeffnung. Soll der Ofen gefüllt werden, so werden die Kohlen von oben durch den Fuchs hineingeworfen und mit leichten Krücken durch die vordere Oeffnung so lange gleichmäßig auf dem Heerde vertheilt, bis sie ungefähr eine Elle hoch liegen, wozu in den Regel zehn Karren Kohlen erforderlich sind. Wird der Ofen zum ersten Male gebraucht, so muß unter die Kohlen ein bedeutendes Holzfeuer gemacht werden, damit dadurch nicht nur die Kohlen entzündet, sondern auch hauptsächlich der Heerd in Hitze gebracht wird. Ist der Ofen aber schon in gehörigem Gang, so ist er noch über und über glühend, wenn die Kohle eingeworfen wird, und es entzündet sich diese selbst. Nach Beendigung des Einwerfens wird die vordere Oeffnung mit Ziegelsteinen ganz versetzt und die Fugen zwischen den Steinen mit Lehm verklebt. Es dauert nicht lange, so steigt aus dem Fuchs ein schwarzer, dicker, von gelben Schwefeladern durchzogener Qualm; dieser wird je länger, je lichter; die Flamme bricht durch und herrscht zuletzt allein; ihre erst gelbe Farbe wird weißer und weißer, verschwindet endlich ganz und nur die über dem Fuchs heftig erzitternde Luft zeugt von der aus dem Ofen drängenden Hitze. Nach zwei bis drei, auch vier Tagen, je nach der Größe des Ofens wird die an der vorderen Seite versetzte Oeffnung wieder geöffnet und nun der fertige Cok mit einer langen und starken eisernen Krücke, welche auf einem dicken, quer über die Oeffnung eingelegten eisernen Stabe ruht, stückweise losgebrochen und herausgezogen. Er bricht, wenn er gut ist, säulenartig und je schwächer die Säulen werden, um so lieber hat man ihn. So wie er aus dem Ofen fällt, wird er von schon mit gewaltigen Schaufeln bereit stehenden Arbeitern ausgenommen und dann zum Auskühlen ausgebreitet. Dieses Auskühlen geht mit ziemlicher Schnelligkeit vor sich; denn so wie die Oefen wieder mit Kohlen versorgt sind, wird auch schon der kaum erst ausgepackte Cok entweder in Körbe zum Versand durch die Eisenbahn oder auf die Wagen der Fuhrleute verladen. Die kleinen Stücken, welche liegen bleiben, geben den sogenannten Zünder, der für die Schmiedefeuer und für die Stubenöfen verwendet wird, während die großen Stücken zur Unterhaltung großer Maschinenfeuer und zum Schmelzen des Eisens und Silbers genommen werden.

Guter Cok sieht silbergrau aus und ist sehr hart; bisweilen finden sich Stückchen von solcher Härte, daß man mit ihnen wie mit einem Diamanten Glas schneiden kann. Bei genauerer Betrachtung wird man am Cok oft die prächtigsten Bildungen wahrnehmen. Hier sind ganze Seitenflächen mit kleinen runden, wellenförmig aufgehäuften Silberperlchen bedeckt, dort breitet ein Bäumchen seine feinen Aeste und Zweige aus, hier steht eine wohlgeordnete Säulengruppe, dort scheint eine wogende Silberfluth plötzlich erstarrt zu sein, hier baut sich ein Gebirge im Kleinen zackig und grotesk empor, dort steigt man auf sanften Wellenlinien zur Höhe, und wer möchte alle die wundersamen Bildungen nennen, die das schöpferische Element des Feuers in seinem Gluthofen an den unförmlichen Kohlen hervorzaubert!

Zum Cokbrennen werden nur klare Pechkohlen verwendet. Die Nußkohle gibt ein so schlechtes Product, daß man weitere Versuche, ihr einen leidlichen Cok abzugewinnen, aufgegeben hat. Bevor jedoch die Kohlen in den Ofen eingeworfen werden, müssen sie in einer besonders dazu hergerichteten Wäsche von Steinen, Schiefer und anderem Unrath mit Hülfe des Wassers gereinigt werden. Es werden nämlich die Kohlen in eine Rinne, durch welche Wasser gelassen werden kann, eingeworfen; dem Wasser wird darin gerade so viel Fall und Kraft gegeben, daß es die leichteren Kohlen mit fortnimmt in einen großen Kasten, in welchem sie sich ansammeln, während die schweren Steine und Schieferstücken in der Rinne liegen bleiben und der Kohlenstaub und Schmutz theilweise mit dem Wasser fortgeht.

Anlangend den chemischen Proceß, welchen die Kohle bei der Verwandlung in Cok erfährt, so ist derselbe auch für den Laien unschwer einzusehen. Die Kohle besteht nicht nur aus reinem Kohlenstoff, sondern es sind derselben auch viele harzige Fettigkeiten und Schwefeltheile, meist in Verbindung mit erdigen und metallischen Stoffen, beigemischt. Diese letzteren müssen ausgeschieden werden, wenn man die Kohle in Cok verwandeln will; denn guter Cok ist eben nur der reine Kohlenstoff. Zur Verbrennung des reinen Kohlenstoffes ist heftiger Zutritt von Sauerstoff nöthig, oder wie man im Leben sich ausdrückt, es muß viel Zug vorhanden sein, während die übrigen Theile der Kohle schon verbrennen oder als Gase ausscheiden bei geringem Zutritt von Sauerstoff. Ist der Cokofen nach Einwerfung frischer Kohlen an der vorderen Seite zugesetzt und mit Lehm verstrichen, so kann zuerst gar kein Sauerstoff in den Ofen treten. Aber schnell trocknet die Hitze den Lehm, so daß er zwischen den Steinen kleine Risse bekommt, durch welche schon so viel Sauerstoff zutreten kann, daß eine Verbrennung der Fett- und Schwefeltheile stattfindet. Ist aber der Zutritt des Sauerstoffes durch die selbstgewordenen Risse noch zu gering, so hilft der Cokser durch ein Loch, welches er zwischen zwei Ziegel macht, noch nach. Sind auf diese Weise je nach der Größe des Ofens in zwei bis vier Tagen die Anhängsel des Kohlenstoffes ausgeschieden, so bleibt der wegen Mangel an Sauerstoff nicht verbrannte Kohlenstoff übrig, und der Cok ist fertig. Dieser aber verbrennt auch, wenn die Feuerstätte, wo er verbrennen soll, starken Zufluß von Sauerstoff hat, und erzeugt dann höhere Hitze, als die Kohle, ohne noch Rauch entwickeln zu können.

Wie bedeutend die Cokfabrikation bei dem Zwickauer Bergbau ist, läßt sich daraus erkennen, daß weit über 200 Oefen im Gange sind, von denen jeder durchschnittlich in 3 Tagen 30 bis 32 Centner Cok bereitet.

Schließlich dürfte es doch wohl noch der Mühe werth sein, einen Blick auf die Männer zu werfen, die ihre beste Kraft und Leib und Leben daran wagen, um der Tiefe der Erde ihre schwarzen Schätze zu entreißen.

Des Bergmanns Leben ist ein Leben voll Mühe, Arbeit und Gefahr. Die kleinste Unvorsichtigkeit rächt sich bei ihm hier mit einer leichten Verwundung, dort mit Verstümmelung und augenblicklichem Tod, und sei er auch noch so vorsichtig, er weiß doch nicht, ob er die gesunden Glieder, die er in den Schacht mit hinabnimmt, auch wieder heraus bringt. Daraus ist erklärlich, daß der Bergmann in der Regel eine ernste Anschauung vom Leben erhält, und daß er, dem fortwährend unwiderstehlich wirkende Gewalten feindlich gegenüber stehen, seinen Leib und sein Leben unter den Schuh Gottes stellt, dessen Willen alle Gewalten dienen müssen. Der Bergmann ist religiös; Leichtsinn und Frivolität kommt wohl bei dem jüngeren Bergmann noch vor, aber hält nicht nach bis in die reiferen Jahre. Fährt er zur Grube hinab, so thut

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verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 507. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_507.jpg&oldid=- (Version vom 18.9.2022)