Seite:Die Gartenlaube (1857) 516.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1857)

Das war eine köstliche Zeit der Genesung für Theodor. Wie schön kam ihm das Leben vor, wie freute er sich mit dem goldenen Sonnenschein, mit dem Duft der ersten Veilchen, mit der milden Frühlingsluft, wenn er in Begleitung Gertrud’s und seiner Mutter in’s Freie fuhr. Im Mai führte er seine liebliche Braut als glücklicher Gatte heim. Die Hochzeit wurde ganz im Stillen gefeiert; natürlich befand sich der Medicinalrath unter den geladenen Gästen; er ließ es nicht an dem üblichen Toast für das Brautpaar fehlen.

„Wohl dem,“ schloß er seine gehaltvolle Rede, „der noch zur rechten Zeit erwacht, dem die Wahrheit am Rande des Grabes noch die Augen öffnet, den die Liebe vor dem Tode rettet. Er feiert im eigentlichsten Sinne schon hienieden seine Auferstehung und zählt lebend zu den Seligen.“

Am Hochzeitstage schenkte die Commerzienräthin zehntausend Thaler zur Errichtung eines Leichenhauses für Scheintodte. Der Fall ihres Sohnes hatte die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich gezogen und eine Verbesserung des Leichenwesens herbeigeführt, wozu hauptsächlich die genannte Summe verwendet wurde.

Theodors frühere Braut nahm die Nachricht seiner Verheirathung ziemlich gleichgültig auf, da sie eben im Begriffe stand, ihre Hand dem Kammerherrn von Rummelskirch zu reichen. Sie lebt viel am Hofe, aber nicht glücklich mit dem ältlichen Gatten, der überdies häufige Anfälle von Podagra hat und in ziemlich zerrütteten Vermögensumständen sich befindet. Desto glücklicher ist der auferstandene Theodor mit seiner Gertrud, die ihn mit einem reizenden Knaben beschenkt hat, bei dessen Taufe die gute Großmutter mit dem alten Medicinalrath als Pathen standen.




Für Gartenfreunde.
II. Die alten Bäume.

Eisenbahnen, viele großartige gewerbliche Etablissements und in ihrem Gefolge die Menge, gleich über Nacht aufgeschossenen Pilzen entstandener Häuser und Stadttheile in allen Orten haben in unseren Tagen zwar den Sinn für Anlagen und Verschönerungen neu geweckt, leider aber auch den poetischen Hauch mancher idyllischen Landschaft hinweggenommen, den stillen Reiz kleiner Landstädte und Dörfer zerstört und die Anhänglichkeit an alte von den Voreltern ererbte Häuser und Grundstücke beeinträchtigt und vernichtet. Mit den alten Gebäuden, die uns durch tausendfältige Erinnerungen und Erzählungen lieb geworden waren, in denen wir uns heimisch fühlten, weil wir sie durch und durch kannten und von ihnen gekannt zu sein meinten, sind auch die vielen alten Bäume verschwunden, die unsere Spielplätze der Knabenzeit beschatteten, unter denen wir nach vollbrachter Arbeit Abends mit Freunden und Freundinnen plaudernd saßen, die aufmerksam dem ernsteren Gespräch der älteren Nachbarn auf den Bänken vor ihren Häusern zuhörten und heimliche Lauscher und Zeugen waren, wenn der Bursch in schöner Sommernacht verstohlen Abschied nahm von der Meisterstochter, Treue gelobte auf der anzutretenden Wanderschaft, oder wiederkehrend nach langjähriger Trennung in’s alte, liebe, heißersehnte Heimathhaus singend und jubelnd einzog.

Die poetische Seite ist es jedoch nicht allein, die hier in Betrachtung kommt. Es ist erwiesen, daß Baumanlagen, namentlich in größeren Städten, der Gesundheit dienlich sind, und es ist daher wünschenswerth, daß die Pietät für alte Bäume lebhafter würde und bei neuen Anlagen und Bauten auf deren Schonung mehr gebührende Rücksicht genommen werde, als jetzt geschieht, wo so oft die herrlichsten Exemplare von Bäumen aufgeopfert werden, lediglich um den einmal entworfenen Bauplan eines untergeordneten Gebäudes eigensinnig festzuhalten, anstatt den gebotenen Bedingungen anzupassen. Ja, es ist bedauerlich zu sagen, daß selbst mitunter Architekten den landschaftlichen Werth, den die Bäume für die Gebäulichkeiten haben, nicht zu würdigen verstehen und nicht bedenken, daß die architektonischen Formen erst den höchsten Reiz durch den Contrast erhalten, den die Contouren von Gehölzgruppen mit ihnen bilden.

Erscheint es vielleicht auch als übertriebene Rücksicht, daß König Friedrich Wilhelm II. von Preußen das Marmorpalais im neuen Garten bei Potsdam weit in den heiligen See hinausbauen ließ, um einige, freilich von ihm selbst gepflanzte Pappeln zu erhalten; und erlaubte es auch nur die besondere Großartigkeit des Krystallpalastes bei London, die großen Ulmen im Innern des Gebäudes stehen zu lassen, so sollte doch wenigstens an allen Orten, wo ein Ausweichen möglich ist, wie auf Promenaden, Plätzen und Vorstädten, bei den Bauten auf die bereits vorhandenen Bäume, als legitime Inhaber des Platzes, Bedacht genommen werden; und man bedenke, daß mit den gehörigen Mitteln eine Mauer sich in kurzer Zeit herstellen läßt, für einen großen Baum aber achtzig Jahre gehören.

Oft ist es jedoch der Fall, daß solche Bäume geschont werden könnten, wenn man sie um einige Schritte aus dem Wege rückte, oder einer Allee eine etwas andere Richtung gäbe. Hier nun muß die Technik des Gärtners helfen und die Bäume verpflanzen. Es ist dies eine Arbeit, die, wenn man bedenkt, daß es oft darauf ankommt, einer Stadt eine Allee hundertjähriger Linden oder Kastanien zu erhalten, verhältnißmäßig nur gering ist und keine bedeutenden Kosten veranlaßt. Wir lassen hier die Beschreibung eines Verfahrens folgen, nach welchem es nun mit dem besten Erfolge gelungen ist, Bäume, bis zu einer Höhe von siebzig Fuß und über zwei Fuß Stammstärke, auf hundert und mehrere Schritt fortzurücken.

Das Verpflanzen größerer Bäume geschieht am besten im Winter mit sogenannten Frostballen, denn die Anwendung der Pflanzmaschinen, um die Bäume ohne den zwischen den Wurzeln haftenden Boden aus der Erde zu heben und zu transportiren, ist durch Anschaffung der Maschinen eine theure, im Erfolge weniger sichere und mehr auf den weiten Transport berechnete. Wir haben es hier mit alten hohen Stämmen zu thun, die aufrecht stehend fortgeschafft werden müssen. Man umzieht zu diesem Zweck den zu versetzenden Baum vor Eintritt des Frostes mit einem Graben, dessen Entfernung vom Stamm sich nach der Größe des Baumes und dessen Wurzelvermögen richtet. In der Regel sind bei zwei Fuß starken Stämmen zehn bis zwölf Fuß genügend. Der Graben wird so breit gemacht, um bequem darin arbeiten zu können, und circa 11/2 Fuß tiefer, als die Hauptmasse der Faserwurzeln in den Boden geht, was nach Beschaffenheit des Letzteren sehr verschieden ist, häufig aber drei Fuß nicht übersteigt. Durch dieses Aufgraben rings um den Stamm entsteht ein Erdballen, der von den Wurzeln durchwachsen ist. Beim Eintritt des Frostes thut man gut, besonders bei sandigem Boden, diesen ganzen Erdballen anzufeuchten, damit er zu einer festen Masse zusammenfriere. Ist dies geschehen, so kann die Fortschaffung beginnen. Man untergräbt zuerst ein Drittel des Ballens, legt in die Höhlung auf den Boden einige Bretter, kurze Walzen von hartem Holze darauf und auf diese einen oder zwei Balken, je nach dem Umfang des Ballens. Reichen die Balken noch nicht bis an den Ballen hinan, so treibt man einige Keile und Holzklötze dazwischen, damit die Ballen die Last des Baumes zu tragen bekommen. In derselben Weise wird nun von der andern Seite her verfahren und zuletzt in der Mitte unter dem Stamme das letzte Drittel des Ballens unterminirt und mit Brettern, Walzen und Balken unterbaut. Finden sich hierbei noch Wurzeln, die etwa noch tiefer als die Hauptmasse des Ballens in die Erde gehen, so werden sie weggeschnitten.

Sämmtliche Walzen und Balken müssen unter sich genau parallel gelegt werden und dabei zugleich auf die Richtung, in der der Baum fortgewalzt werden soll, Bedacht genommen werden. Auch sind die Balken gut unter sich zu verklammern, damit sie ein unverschiebbares Gerüst bilden. Das Pflanzloch am neuen Standorte des Baumes ist schon zuvor bei frostfreiem Wetter zu machen und zwar mindestens zwei Fuß tiefer und anderthalb mal weiter, als der Ballen auszugraben. Hierauf wird es mit nahrhaftem Boden wieder angefüllt, und mit Laub zum Schutze gegen den Frost bedeckt. Es wird dann, wenn die Arbeiten zum Transport des Baumes fertig sind, wieder aufgenommen und zwar so tief, daß der Baum genau so hoch zu stehen kommt, wie er gestanden hat.

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 516. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_516.jpg&oldid=- (Version vom 20.9.2022)