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verschiedene: Die Gartenlaube (1857)

„Haben Sie Nachrichten von ihr?“ fragte der Consul.

„Ja, mein Herr, die neuesten Nachrichten!“

„Also ist sie Ihnen wirklich untreu geworden? Element, Herr von Windheim, ein Mann in Ihren Jahren muß sich über so etwas hinwegsetzen. Vergessen Sie die Ungetreue und lieben Sie eine andere. So würde ich mich rächen, wenn ich, wie Sie, fünfundzwanzig Jahre alt wäre!“

„Onkel,“ rief Louise laut auflachend, „Sie geben dem Herrn einen schönen Rath!“

Alexander zerdrückte wie krampfhaft die Schleifen seiner Cravatte.

„Der Rath ist vortrefflich, Madame,“ rief er aus; „so vortrefflich, daß ich ihn sicher befolgen werde!“

Leberecht hatte seit Jahren eine so gute Laune nicht gehabt.

„Brechen wir ab von dem Unangenehmen, wenden wir uns zu dem Angenehmen!“ rief er aus, denn er hatte Mitleiden mit dem armen Alexander. „Sie sind so kurze Zeit verheirathet, Louise; aber nicht wahr, die Ehe ist doch schön? Bleibt bei mir, Kinder, ich will von jetzt an ein ganz anderes Leben führen, um die wenigen Tage zu genießen, die mir der Himmel noch schenkt. Es soll Euch an Nichts fehlen. Ihr bewohnt den linken Flügel meines Landhauses, damit Ihr vollkommen ungestört seid, und Fräulein Albertine bezieht ein Zimmer im ersten Stocke. Dann mag der Winter kommen, ich fürchte ihn nicht!“

Wilhelm sandte seiner Frau einen besorgten Blick zu. Louise hatte diesen Blick bemerkt.

„Onkel,“ sagte sie rasch, „ich werde mich von meiner Freundin nicht trennen!“

„Ich dulde keinen Widerspruch; die jungen Gatten sollen nicht genirt, sie sollen völlig frei sein.“

„Sie haben Recht!“ rief der Elegant, der wie auf Kohlen stand.

„Aber, Herr von Windheim, Sie sehen ja meine Nichte mit wahrhaft erschrecklichen Blicken an; man möchte glauben, Sie wollten sie mit Ihrem Hasse vernichten.“

„Wahrhaftig nein!“ rief bitter lachend der junge Mann. „Ich bin ihr im Gegentheil sehr gewogen!“

„Gut, gut, er denkt schon milder von den Frauen!“ rief der Consul, Albertinen scharf ansehend. „Sie müssen sich mit dem schönen Geschlechte vollkommen aussöhnen, es ist nicht so bösartig, wie Sie wähnen. Sehen Sie nur meinen Neffen, den jungen Ehemann, an, er glüht vor Freude und Glück. Ich stoße Ihre Grundsätze um, wie diese kleine Schlange die meinigen umgestoßen hat, denn ich habe Sie lieb gewonnen. Fräulein Albertine, ich rechne dabei auf Ihre Hülfe!“

„Auf meine Hülfe?“ rief erschreckt die junge Frau.

Alexander näherte sich Albertinen, küßte ehrerbietig ihre Hand, ergriff seinen Hut und verließ hastig den Saal, nachdem er die übrigen Personen leicht gegrüßt hatte. Man sah ihn rasch über den Hof eilen und zwischen den Bäumen verschwinden.

„Was ist das?“ fragte der Consul.

„Mein Gott,“ flüsterte erschreckt Louise, „wenn er nur keine Thorheit begeht.“

„Es ist wahr,“ meinte Leberecht; „der junge Mensch ist ein excentrischer Kopf.“

„Mein Freund,“ wandte sich Louise an Wilhelm, „eile ihm nach und suche ihn zu beruhigen, denn wir haben ihm arg mitgespielt.“

„O,“ murmelte Leberecht, „die junge Frau hat ein mitleidiges Herz! Schickt sie ihren Gatten einem jungen Elegant nach, der – –“

„Verzeihung, Onkel, ich kenne meine Frau und habe durchaus keinen Grund zur Eifersucht. Um ihr mein Vertrauen zu beweisen, gehe ich nach dem Forsthause. Unterhalten Sie die Damen.“

„Komm bald zurück!“ rief der Consul dem Davoneilenden nach.




VI.

Kaum hatte Alexander sein Zimmer betreten, als er den alten Tobias rief. Der Diener erschien mit der Pünktlichkeit der Soldaten.

„Tobias, packe die Sachen und bestelle Extrapost, wir reisen morgen ab!“

„Wohin, gnädiger Herr?“ fragte Tobias verwundert.

„Wohin Du willst, alter Freund. Aber wähle eine große Stadt für den Winter, wir wollen uns zerstreuen. Die Gegend hier ist zu traurig, ich halte es nicht länger aus.“

„Mir hat sie vom ersten Augenblicke an nicht gefallen, lieber Herr!“ rief Tobias mit freudestrahlendem Gesichte. „Also ich soll gleich packen?“

„Auf der Stelle! Zuvor jedoch bringe mir Licht, ich will einen Brief schreiben.“

Die Abenddämmerung war angebrochen. Als Tobias über die dunkele Hausflur ging, hörte er ein hastiges Klopfen an der Thür.

„Wer ist da?“

„Aufgemacht, aufgemacht, oder ich zertrümmere die Thür!“

„Dazu gehört nicht viel!“ murmelte Tobias. „Nur Geduld! Wer ist denn der stürmische Besuch?“

„Oeffne nicht, Tobias!“ rief Alexander von der Treppe herab. „Ich will keinen Menschen hören und sehen!“

„Gut, gnädiger Herr!“

In diesem Augenblicke drückte Wilhelm Dewald die wankende Thür ein und ging an dem erstaunten Tobias vorüber die Treppe hinauf. Oben stieß er auf den Edelmann.

„Ich muß Sie sprechen, mein Herr!“

„Verzeihung, mein Herr, ich nehme keine Besuche an, wenigstens von Ihnen nicht!“

Alexander wandte ihm den Rücken, und ging in das Zimmer. Dewald ließ sich nicht abhalten, er folgte ihm auf dem Fuße.

„Das ist zu kühn!“ rief Alexander entrüstet. „Wollen Sie mich zwingen, mein Hausrecht mit Gewalt zu wahren?“

„Nein, aber ich halte Sie nicht nur für einen Ehrenmann, sondern auch für einen vernünftigen Menschen. Meine Frau interessirt sich für Sie – –“

„Ah, ah, ah, Ihre Frau, mein Herr! Also Ihre Frau interessirt sich für mich? Treibt Sie vielleicht die Eifersucht, daß Sie in der Nacht durch den Wald rennen? Wenn dies ist, mein armer Herr Dewald, so haben Sie Recht und ich will Sie anhören!“

Tobias trat mit Licht ein.

„Soll ich bleiben, Herr?“ fragte er, einen Seitenblick auf den Gast werfend.

Alexander winkte ihm zu gehen. Tobias ging, nachdem er das Licht auf den Tisch gestellt.

„Wir sind allein, Herr Dewald; was haben Sie mir zu sagen?“ fragte von Windheim, und die Schadenfreude blitzte aus den Augen, als er den Schweiß auf Wilhelms Stirn glänzen sah.

„Oder vielmehr, was läßt mir die schöne, treue Louise sagen?“ fügte er höhnend hinzu.

„Er ist wirklich verrückt!“ dachte Dewald, der sich die Aufregung des seltsamen Menschen nicht erklären konnte.

„Nun, Sie glücklicher Ehemann,“ rief Alexander, „warum sprechen Sie nicht? Macht Sie das Glück der Ehe stumm?“

„Mein Herr, es scheint, Sie halten mich für einen lächerlichen Ehemann.“

„Nein, die Ehe ist ein zu ernstes Ding, mein lieber Herr; aber ich halte Sie für einen unglücklichen Ehemann.“

„Wollen Sie meine Frau verdächtigen?“

„Nein, ich werde schweigen wie das Grab!“ rief Alexander feierlich. „Und wenn Sie klug sind, so unterbrechen Sie dieses Schweigen nicht, sondern begnügen sich, blindlings an die Treue Ihrer Frau zu glauben. Morgen früh, diese Nacht noch reise ich ab; leben Sie wohl, Herr Dewald!“

„Ich hoffe, Sie werden bleiben!“

„Wahrlich, nein!“

„Oder mir wenigstens den Grund Ihrer plötzlichen Abreise nennen. Sie sind von Vorurtheilen befangen, die Ihnen das Leben verbittern.“

„Von Vorurtheilen?“ rief Alexander bitter lachend. „Ah, ich sehe, daß ich Ihnen gegenüber offen sein muß. So sind die Ehemänner, nur eclatante Beweise öffnen ihnen die Augen.“

(Fortsetzung folgt.)



 

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verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 572. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_572.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)