Seite:Die Gartenlaube (1857) 581.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1857)

zu finden ist, wird es schrecklich mißhandelt. Theater gibt es nur in Bukarest, Jassy und Galatz.

Der Bojar leidet daher viel lange Weile. Er liegt oder sitzt in seiner Veranda – einem bedeckten Gange mit vorspringendem Dache, der jedem Bojarenhause gemein ist – und spielt mit einer Schnur von Bernsteinperlen, die er gleich einem Rosenkranze gedankenlos durch seine Finger gleiten läßt. Diese elende Spielerei begleitet ihn beständig, um die Zeit auszufüllen, die nicht Reiten, Jagen, Besuche oder das Spiel in Anspruch nehmen, welches letztere ihm die leidenschaftlichste Aufregung gewährt. Jeder Ort, wo Bojaren, jung oder alt, zusammenkommen, gestaltet sich sogleich zu einem Homburg im Kleinen, was, mit dem sonstigen Luxus, unsägliches Wehe in die Familien bringt.

Eine altgläubige Bojarenfamilie.

Mit diesem socialen Bilde schildern wir natürlich nur das Bojarenthum im Allgemeinen, und es versteht sich selbstredend, daß es ehrenvolle Ausnahmen von dieser Regel gibt. Namentlich unter den angesehensten Geschlechtern trifft man Häuser, in denen Reichthum mit vollendeter Bildung, edle Sitte sich mit feinem Geschmack verbindet und eine übereinstimmende Eleganz alle Sinne angenehm berührt. Auch darf es nicht unbemerkt bleiben, daß im Allgemeinen das weibliche Geschlecht höher steht. Von französischen Bonnen und deutschen Gouvernanten erzogen, ist der ohnehin lebhaftere Geist der Mädchen und Frauen noch mehr geweckt, mit mancherlei Wissen und Geschicklichkeiten bereichert und der Umgang mit ihnen daher ungleich interessanter. Die Rumänen sind, namentlich in den höhern Classen, ein schöner Menschenschlag, und unter den Mädchen und Frauen erblickt man die reizendsten Gestalten, wenngleich die Hautfarbe nicht die Weiße, wie in kälteren Klimaten hat. Ueppiges Haar, dunkle große Augen, ausdrucksvolle Züge zeichnen sie als vortheilhafte Erscheinungen aus, nur dauert ihre Jugendblüthe nicht lange, und zu einer Zeit, wo deutsche Frauen oft noch auf dem Höhepunkte entwickelter Schönheit stehen, sind die Rumäninnen verblüht, woran die Liederlichkeit der Männer viel Schuld haben soll.

Die höhere Bildungsstufe des weiblichen Geschlechts reicht oft freilich nicht darüber hinaus, was die Lectüre französischer Romane zu geben vermag, und fehlt in vielen Fällen gänzlich, so daß der Conversationsstoff auf Putz und Moden beschränkt ist. Den Vortheil genießen solche Alltagsgeschöpfe mindestens, daß sie auf dem Niveau ihrer Männer stehen und von der Rohheit derselben weniger schmerzlich berührt werden. Wo dagegen geistige Vorzüge eine Scheidewand zwischen den Gatten aufführen, ist das Schicksal der Bojarin häufig bemitleidenswerth. Sie hat die Begeisterung der Jugendliebe nicht kennen gelernt, da ein ungebildeter Mann ihr solche Gefühle nicht einzuflößen vermochte; das Herz der jungen Damen wird überdies bei Eheschließungen selten gefragt, und diese Angelegenheit vielmehr geschäftsmäßig und nach conventionellen Rücksichten betrieben. Sieht die junge Frau sich von ihrem Manne vernachlässigt, kann er ihr keine Achtung abgewinnen, und schweben ihrer Seele Vergleiche zwischen den phantastischen Gestalten ihrer

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 581. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_581.jpg&oldid=- (Version vom 25.10.2022)