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verschiedene: Die Gartenlaube (1857)

„Weil Sie das Wesen sind, dessen Besitz mich glücklich machen kann!“

Albertine senkte lächelnd die Augen.

„Sie willigen ein?“ rief Alexander außer sich. „Ich bin der glücklichste der Menschen! O, wiederholen Sie mir dieses süße Geständniß!“ fügte er dringend hinzu, indem er einen Kuß auf ihre Hand drückte.

„Mein Herr,“ stammelte Albertine, „ich habe ja noch Nichts gesagt.“

„Aber die Blicke Ihrer schönen Augen verrathen Alles! Ich fordere keine Worte, aber bestätigen Sie durch einen Blick, durch einen Druck der Hand, daß ich hoffen darf!“

Mit der romantischen Schwärmerei, die einen Hauptzug seines Charakters bildete, sank er zu Albertinens Füßen nieder.

In demselben Augenblicke erschien Wilhelm, der, von Eifersucht getrieben, rasch durch das Rebengelände trat. Bestürzt blieb er zwischen den gelben Weinblättern stehen. Das hatte er nicht gedacht. Alexander sah ihn. Triumphirend lächelnd erhob er sich und küßte noch einmal die Hand Albertinens, die ihren Mann, da er hinter ihrem Rücken stand, nicht bemerkte.

„Verlassen Sie mich!“ flüsterte Albertine.

„Jetzt? Ich führe Sie zu dem Consul und eröffne ihm, daß Sie –“

„Nicht eher, bis ich Ihnen die Erlaubniß gebe, zu reden!“

„Und Sie halten Ihr Versprechen?“

„Gewiß, was ich versprochen, werde ich halten!“

„Ah, Albertine, wie liebe ich Sie!“

„Beweisen Sie es.“

„Wie?“

„Indem Sie ohne mich zu der Gesellschaft gehen. Ich bin so aufgeregt –“

„Albertine, ich entferne mich, um Ihnen zu zeigen, wie gern ich Ihren kleinsten Wunsch erfülle!“

Alexander entfernte sich; er suchte Dewald mit den Blicken – Der überraschte Ehemann war hinter die Reben zurückgetreten, um von dem höhnenden Elegant nicht mehr gesehen zu werden. Kaum war der Elegant verschwunden, als Wilhelm rasch seiner Frau entgegentrat.

„Madame,“ sagte er mit zorniger Aufwallung, „ich bewundere Siel“

Albertine wollte ihm freundlich die Hand reichen; er wies sie zurück.

„Was hast Du, Wilhelm?“

„Sie verstehen es, diesen Wahnsinnigen zu ermuthigen.“

„Wilhelm,“ sagte die junge Frau vorwurfsvoll, „kannst Du wirklich glauben, daß ich meine Pflichten vergesse? Hast Du so wenig Vertrauen zu Deiner Frau –“

„Eine Frau fühlt sich geschmeichelt, wenn sie hört, daß sie ein Mann liebt. O, über die Eitelkeit der Frauen! Sie fehlten schon Ihrer Pflicht, indem Sie den Narren anhörten!“ fuhr Dewald gereizt fort. „Sie mußten ihn abweisen.“

„Konnte ich denn? Er ließ mir nicht die Zeit, ein Wort zu entgegnen.“

„Madame, eine Frau besitzt immer Mittel, sich Achtung zu verschaffen, wenn sie nur den Willen dazu hat! Aber der Herr von Windheim ist ein junger, liebenswürdiger Edelmann – er hat aristokratische Manieren, schwärmt wie ein Narr für jede hübsche Frau, und was noch mehr ist –“

„Wilhelm, Wilhelm!“ rief Albertine bestürzt. „Was ist das? Du kannst Deine Frau mit einem so unwürdigen Verdachte kränken? Ich denke besser von Dir!“ sagte sie zitternd, und Thränen rannen über ihre Wangen. „O, daß es dahin kommen mußte!“

Sie verhüllte das Gesicht mit ihrem weißen Spitzentuche.

„Albertine!“

„Hältst Du mich für fähig, den Mann und die Freundin zu verrathen?“ fragte sie würdevoll.

„Du weißt also –?“

„Louise hat mir Alles gesagt.“

Der junge Mann ergriff reuig ihre Hand.

„Ach, Verzeihung, Albertine,“ rief er ärgerlich aus, „ich wollte Dich nicht vorsätzlich kränken; aber habe Nachsicht mit meiner peinlichen Situation, die mir mit jeder Stunde unerträglicher wird. Vergiß diesen Augenblick zu großer Aufregung!“

„Dein Verdacht, mein Freund, schmerzt bitter. Liebe ohne Vertrauen ist nicht die wahre Liebe!“

Wilhelm ward tief ergriffen, als er den Schmerz der schönen Frau sah. Jetzt, wo er sie wie eine Fremde behandeln, wo er ihr fern bleiben mußte, war er wieder mehr Liebhaber, als je. Er bereuete seine Heftigkeit. „Albertine!“ rief er. „Versöhnung, verzeihe meiner Liebe!“

Die junge Frau warf sich unter Thränen lächelnd an seine Brust. Er hielt sie einige Augenblicke innig umschlungen.

„Himmel, was sehe ich! Täuschen mich meine Augen?“ rief plötzlich eine Stimme.

Die beiden Gatten fuhren zurück. Der Consul, bleich vor Zorn, trat aus dem Gelände.

„Mein Onkel!“ murmelte Wilhelm.

„Wir sind verloren!“ flüsterte Albertine, die schwankend zur Seite trat, und ihr Gesicht mit dem Tuche bedeckte.

„Ah, mein Herr Neffe, also deshalb haben Sie uns heimlich verlassen, deshalb liefen Sie über alle Beete? Schämen Sie sich der Sünde gegen Ihre liebenswürdige Frau nicht?“

Die peinliche Lage des armen Wilhelm läßt sich denken. Was sollte er zu seiner Entschuldigung anführen? Durfte er jetzt dem wüthenden Onkel das Geheimniß entdecken?

„Nun erkläre ich mir auch die große Vorliebe, mit der Sie stets von dieser Dame sprechen!“ fuhr mit bebender Stimme der Consul fort. „Ich wollte einem so unwürdigen Verdachte nicht Raum geben – und jetzt bestätigt er sich auf eine empörende Weise vor meinen Augen. Sie treten Sitte und Anstand mit Füßen, mein Herr!“

„Ich schwöre Ihnen, Onkel –!“

„Versuchen Sie es nicht, sich zu rechtfertigen, denn ich lasse Nichts gelten! Und Sie, mein schönes Fräulein Albertine, so lohnen Sie die Freundschaft, die meine Nichte für Sie hegt? O, das ist infam, das ist ehrlos!“

Albertine weinte heiße Thränen in ihr Taschentuch; sie bereuete, auf ein so gefährliches Spiel eingegangen zu sein. Wilhelm wollte sie vor ferneren Beleidigungen schützen.

„Onkel, ich muß Ihnen eine Erklärung geben!“ rief er.

Der Zorn übermannte den Consul; er wollte von einer Erklärung nichts wissen. Nachdem er den Neffen mit den Blicken der Wuth vom Scheitel bis zur Zehe angesehen, wandte er sich zu der weinenden Albertine.

„Mein Fräulein,“ sagte er, gewaltsam sich mäßigend, „ich weiß zwar die Ehre zu schätzen, die Sie meinem Hause durch Ihren Besuch erweisen; aber Sie haben vielleicht Verwandte und Freunde, die Sie zärtlich lieben und Ihrer Rückkehr sehnlichst harren – man muß diese guten Leute nicht warten lassen, und darum werde ich Befehl ertheilen, daß mein Wagen Sie auf der Stelle zu ihnen bringt. Bestimmen Sie den Ort, wenn ich bitten darf!“

„Mein Gott, mein Gott!“ schluchzte die arme Frau.

„Beruhigen Sie sich, mein schönes Fräulein,“ sagte höhnend der Consul; „man wird Sie mit Sorgfalt, mit großer Rücksicht behandeln. Mein bequemer Reisewagen wird Sie zu der nächsten Eisenbahnstation bringen –“

„Albertine,“ flüsterte Dewald, „reise, ich werde Dir folgen!“

Diese Worte hatte der Consul gehört; sie steigerten seinen Zorn zur Wuth.

„Mein Herr,“ rief er, „Sie sind ein fürchterlicher Mensch und rechtfertigen die Meinung, die ich bisher von allen Männern hegte. O, es ist eine Schmach, eine Sünde! Sie sind erst wenig Tage mit einer liebenswürdigen Frau verheirathet, und schon begehen Sie diese Infamie! Sie, mein Fräulein, packen Sie Ihren Koffer – in einer Viertelstunde wird der Wagen vorfahren! Gehen Sie, gehen Sie, ich dulde Sie nicht länger unter meinem Dache!“

Die junge Frau konnte nicht länger bleiben; sie eilte weinend dem Landhause zu, wo sie Louisen anzutreffen hoffte. Der Neffe wollte sich zu dem Onkel wenden; dieser aber ging rasch den Weg zurück, den er gekommen war. Wilhelm stand rathlos an dem Rebengelände. Wozu sollte er sich entschließen? Er verwünschte den Herrn von Windheim, verwünschte die unglückliche List, mit der er den bizarren Onkel umgarnen wollte. Da rauschte ein Frauenkleid durch den Weg. Er sah auf – Louise stand vor ihm.

„Was ist Ihnen, lieber Freund? Wo ist Albertine?“

„Sie sehen mich in Verzweiflung!“

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verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 587. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_587.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)