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verschiedene: Die Gartenlaube (1857)

„O, auch ich bereue, daß ich darauf eingegangen bin, Ihre Frau zu spielen!“

„Leider haben Sie umsonst diese Gefälligkeit gehabt.“

„Wie, ist unser Geheimniß verrathen?“

„Nein; aber jener Windheim verfolgt hartnäckig meine Frau mit Bewerbungen, die sie in die peinlichste Verlegenheit setzen. Der Mensch begeht Extravaganzen, die Albertinen compromittiren.“

In Louise’s lieblichem Gesichte sprach sich eine schmerzliche Bestürzung aus.

„Wo ist Albertine?“ fragte sie.

„Die arme Frau befindet sich in ihrem Zimmer – sie will abreisen!“ fügte er verlegen hinzu.

„Sie wird bleiben!“ rief Louise. „Sie wird bleiben, und ich übernehme die Lösung der Wirren, die nicht länger fortdauern dürfen. Und Sie, Herr Dewald, der Sie den tollen Plan angelegt, führen Sie mir so rasch als möglich Herrn Alexander zu – ich erwarte ihn in dem Salon. Albertine reiset nicht ohne mich! Also in dem Salon – dort irrt Herr Alexander durch die Gänge, suchen Sie ihn auf. Nur Muth, mein lieber Freund, ich gebe unsere Sache noch nicht auf!“

Louise verschwand. Nach fünf Minuten betrat sie das Zimmer, in welchem die weinende Albertine saß. Die Freundinnen schlossen sich einander in die Arme. Madame Dewald beklagte sich über den Consul, und Louise beklagte sich über Alexander.

„Ich habe ihn falsch beurtheilt,“ rief sie aus, „denn ich hielt seine Aufregung für einen neuen Beweis seiner Liebe zu mir. Aber nein, er suchte und fand einen Vorwand. Beruhige Dich, Albertine, ich räche die Beleidigung, die man Dir zugefügt. Der Onkel kann uns nicht entgehen,“ fügte sie flüsternd hinzu; „ich kenne ein Geheimniß, das ihn ganz in meine Macht gibt. Ah, dort kommt Herr Alexander über den Hof – ich habe ihm ein Rendezvous zugedacht, aber auch eine kleine Züchtigung! Muth! Wir sind uns ja nur eines kleinen Vergehens bewußt, das die Liebe entschuldigen mag.“

Sie schlüpfte in den Saal, der an das Zimmer grenzte. Fast in demselben Augenblicke trat Alexander durch die Hauptthür ein.




VIII.

Louise grüßte durch eine graziöse Verneigung, ohne die geringste Befangenheit zu verrathen. Die innere Aufregung hatte in ihrem Gesichte eine leichte Röthe erzeugt, und ihr großes blaues Auge glänzte hell wie das einer Gazelle. Da sie den Shawl abgelegt, war ihr eleganter Wuchs vollkommen sichtbar. Sie trug ein einfaches Kleid von hellgrüner Seide, das ihren weißen Teint noch zarter machte.

Alexander grüßte zwar artig. aber eine ängstliche Ueberraschung war in seinen bleichen Zügen zu lesen. Bei dem Gedanken, daß diese Frau, die ihm jetzt reizender, als Albertine erschien, einem Andern gehörte, zitterten seine Lippen.

„Ah, Sie mein Herr!“ rief Louise, die sich vorgenommen hatte, ihn ein wenig zu peinigen, fast muthwillig. „Der Gegenstand Ihrer neuen Liebe promenirt im Garten, und Sie sind hier?“

„Ja, Madame, weil ich glaubte, die reizende Albertine hier anzutreffen!“ antwortete Alexander mit einer verzweiflungsvollen Festigkeit.

Louise kniff die Lippen zusammen; sie konnte die Worte nicht unterdrücken: „Demnach lieben Sie wohl meine Freundin – –“

„Wie nur ein Mann zu lieben vermag, Madame!“

Die Aufregung Louisen’s wuchs mit jedem Augenblicke.

„Und diese Liebe ist so rasch gekommen?“ fragte sie pikant.

„Trotzdem aber ist sie aufrichtig und wahr, Madame!“ antwortete Alexander, der die schöne Frau fast mit den Blicken verschlang.

„Wie man sagt, werden Sie sich verheirathen?“

„Ja!“

„Bald?“

„Nicht so rasch, als ich es wünsche.“

„Albertine ist so schön, daß sie dem Gatten das Glück gewähren wird, das Sie verdienen!“

„Ihre freundliche Gesinnung gegen mich, Madame, macht mich so kühn, eine Bitte an Sie zu richten.“

„O, bitten Sie, mein Herr! Doch beeilen Sie sich, mein Mann könnte uns überraschen, und da er mich leidenschaftlich liebt – Sie begreifen wohl –“

„Ich begreife vollkommen, Madame!“ rief Alexander mit bebender Stimme. „Sie kennen die Dame, die ich liebe?“

,Sie ist ja meine beste Freundin.“

„So wage ich an Sie die Bitte zu richten: sprechen Sie mit ihr über mich, sagen Sie ihr, daß ich nichts sehnlicher wünsche, als sie glücklich zu machen.“

„Verlassen Sie sich darauf, mein Herr, ich werde nicht verfehlen!“ rief Louise.

„Und da Sie besser, als irgend Jemand, wissen, wie fähig mein Herz einer zärtlichen Neigung ist, werden Sie der Freundin sagen können, daß sie das Glück meines Lebens vergiftet, wenn sie mich früher oder später täuschen sollte.“

„Ja, mein Herr, ja!“ sagte Louise in einer schmerzlich zornigen Aufwallung, daß ihr fast die Thränen in die Augen traten. „Ich werde meiner Freundin alles dies wiederholen; werde ihr vor allen Dingen sagen, daß Sie die Treue selbst sind, und daß es Ihnen die größte Ueberwindung gekostet, Ihre ersten Bande zu zerreißen, um neue zu knüpfen.“

Alexander sah die erregte Dame mit starren Blicken an. Wie schön war Louise in dieser Aufwallung, die mehr durch Schmerz als durch Zorn hervorgebracht zu sein schien. Und diese Frau gehörte einem Andern an.

(Schluß folgt.)





Nena Sahib.

Der Inbegriff und die Persönlichkeit aller Schrecken und alles Abscheues der indischen Revolution gegen die hundertjährige Herrschaft der „ostindischen Compagnie“ (nicht Englands), hier sitzt er persönlich vor uns, wie er 1850 von Mr. Beechy, Portraitmaler des Königs von Audh (Oude) gemalt ward. Seine verrätherische Schlächterei der Engländer mit Weibern und Kindern in Cawnpore wird noch aus den Zeitungen bekannt sein, so daß wir in dieses mehrere Zoll hohe Bad von Menschenblut nicht noch einmal hineinwaten wollen. Nena Sahib wurde von Engländern früher als einer der liebenswürdigsten und gebildetsten abgesetzten Mahratten-Häuptlinge geschildert. Sie aßen und tranken bei ihm, er stellte ihnen seine Frauen und Kinder vor; er holte sie ein in seinen glänzenden Palast, und ließ sie prächtig auf Elephanten wieder nach Hause geleiten. Wie wurde er nun ein so schauderhaftes Ungeheuer? Auf dieselbe Weise, wie alle revoltirenden Indier zu wüthenden Mördern und Vertilgern alles Englischen wurden – durch die Politik der indischen Compagnie. Sie täuschte, sie betrog ihn, wie ein Dutzend andere indische Herrscher abgesetzt und betrogen wurden.

Nena Sahib ist adoptirter Sohn eines von der indischen Compagnie pensionirten und abgesetzten Local-Tyrannen in Cawnpore. Dieser starb und der adoptirte Sohn, nach indischen Rechtsbegriffen auch der rechtmäßige Sohn, hoffte, daß die Compagnie ihm die Pension fortzahlen werde. Dies ward ihm verweigert, da er blos adoptirter Sohn sei, obgleich der Compagnie nachgewiesen ward, daß sie an andere adoptirte Söhne pensionirter Herrscher die (wenn auch kleinere) Pension fortzahle. Nena Sahib hatte deshalb durch die Engländer anerkanntes Recht auf die Pension. Aber die Compagnie sagte Nein! und wies ihn nach England. Er schickte Bevollmächtigte hierher. Durch diese ward er von England an die Compagnie gewiesen, welche ihn abermals an England, an’s Parlament wies. So ward er hin und her für’n Narren gehalten und sein heißes Mahrattenblut durch die englische „Rechtlichkeit“ und Civilisation bestialisirt. Diese von

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verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 588. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_588.jpg&oldid=- (Version vom 28.10.2022)