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verschiedene: Die Gartenlaube (1857)

welche sich aus den Haufen entwickelt, so wie auch die scharfe, säuerliche Ausdünstung sind schädlich für das Rohr, es wird gelb und geht ein. Man sieht sogleich, wenn man einen Blick über das Zuckerfeld schweifen läßt, ob Ameisen in demselben sind oder nicht. Die grasfressenden Thiere sind nach den saftigen Blättern und jungen, süßen Halmen sehr begierig, aber man schützt sich durch Umfriedigungen gegen sie.

Wenn die Ernte vom Zuckerfelde heimgebracht ist, läßt man die abgestreiften Blätter und Spitzen ungefähr vierzehn Tage zum Trocknen liegen, und verbrennt sie alsdann; das Feuer geht über die Wurzelstöcke hin, ohne dieselben zu beschädigen, alles Unkraut wird vernichtet, und der Boden mit der Asche gedüngt. Nach einigen Wochen grünt das Zuckerfeld wieder, indem neue Schüsse hervorkeimen.

Die erste Zuckerernte bedarf gewöhnlich 3–4 Monate längere Zeit zur Reife, als die nachfolgenden. Es findet ein bedeutender Unterschied in der Ausbeute der verschiedenen Schnitte statt, welche ein Zuckerfeld gewährt; jeder nachfolgende Schnitt zeigt ein stark abnehmendes Product im Vergleich mit dem vorhergehenden; und man wird sich leicht durch die hier mitgetheilte Uebersicht von dem Nachtheil überzeugen, wenn man ein Zuckerfeld zu alt werden läßt; wenn auch die Erhaltung desselben unbedeutende Ausgaben im Vergleich mit dem Anpflanzen eines neuen Feldes mit sich führt.

Bei der ersten Ernte liefert eine Tarea Land = 8000 ☐Ellen,
 durchschnittlich 2000 Pfund Melado,
bei der zweiten Ernte durchschnittlich 1750 Pfund Melado,
bei der dritten Ernte durchschnittlich 1250 Pfund Melado,
bei der vierten Ernte durchschnittlich 1000 Pfund Melado,
bei der fünften Ernte durchschnittlich  500 Pfund Melado.

Der fünfte Schnitt gibt also nicht mehr, als ein Viertel Product im Vergleich zum ersten. Dies rührt hauptsächlich davon her, weil das Zuckerrohr im hohen Grade den Boden ausmagert, und weil man in Amerika durchaus nichts vom Düngen eines Feldes kennt, wenn die Kraft des Bodens allmählich erschöpft wird. Die kundigen Zuckerpflanzer in Amerika lassen niemals ein Feld mehr als vier Schnitt geben, und überlassen es alsdann sich selbst. Es bedeckt sich dann in kurzer Zeit mit der häßlichen Unkrautvegetation, welche Acahual genannt wird. Erst nach Verlauf von sechs bis sieben Jahren beginnt die frühere Waldvegetation sich über dieses Gebüsch, das die Heidevegetation der nördlichen Zone repräsentirt, zu erheben, und allmählich, so wie Waldbäume durch die häßliche, zusammengefilzte Pflanzendecke schießen, werden diese lichtliebenden Pflanzen durch den zunehmenden Schatten, welchen die wachsenden Waldbäume verbreiten, verdrängt. Man nimmt an, daß nach zwölf Jahren sich ein solches verlassenes Zuckerfeld hinreichend erholt hat, und der junge üppige Wald muß wiederum der Axt weichen.

So weit über die Culturverhältnisse des Otaheiti-Rohrs in Amerika.

Das ostindische Zuckerrohr (Canna creolla), das freilich von einer verhältnißmäßig bedeutenden Dünne im Vergleich mit dem vorhin behandelten ist und deshalb bei weitem nicht eine so große Zuckermenge aus dem einzelnen Rohr liefert, hat dennoch andere Vorzüge, welche den Anbau desselben empfehlen. Es ist im Ganzen abgehärteter, nimmt mit dem Boden vorlieb, wenn es nur nicht an Feuchtigkeit fehlt, wächst dichter und erstattet auf diese Weise durch die Menge des Rohrs, was dem einzelnen Rohre an Zuckergehalt fehlt, und ferner reift es in bedeutend kürzerer Zeit. Dies Zuckerrohr wird hauptsächlich in den großen beckenartigen Thalvertiefungen des amerikanischen Binnenlandes angebaut, z. B. im Mexico-Thal, in der Ebene de Amilpas, im Oajaca-Thal, so wie an der ganzen Westseite. Das ostindische Rohr wird vortheilhaft in trockenen und steinigen Gegenden angebaut, wo man im Stande ist, die Entwickelung desselben durch künstliche Bewässerung zu fördern. In den innern Theilen Mexico’s existirt seit den ältesten Zeiten ein sehr ausgezeichnetes Bewässerungssystem für das angebaute Land, und die erst in den letzteren Jahren in Nord-Europa bekannten und mit so vielem Vortheil benutzten Wiesenbewässerungen und Ueberrieselungen sind seit Jahrhunderten bei den mexicanischen Indianern in Gebrauch gewesen. Man legt zu diesem Zwecke auf höher liegenden Oertlichkeiten Dämme an, wo das Wasser während der Regenzeit in großen Massen angesammelt werden kann, und dann leitet man es durch gemauerte Rinnen auf die Aecker der Ebenen, so daß sie während der trockenen Zeit beliebig unter Wasser gesetzt werden können. Es existiren sehr genaue gesetzliche Bestimmungen über die Benutzung dieses Wassers, das in einer bestimmten Folgereihe und in bestimmten Zeitzwischenräumen auf die verschiedenen Felder gelassen wird. Durch dieses vorzügliche Bewässerungssystem wird es möglich, selbst in denjenigen Gegenden, wo im Laufe von sieben Monaten kein Tropfen Regen fällt, das üppigste Zuckerrohr zu bauen.

Das ostindische Zuckerrohr wird gegen Schluß des August gepflanzt und keimt nach Verlauf von 20–25 Tagen. Es erfordert 15 Monate, um zur Reife zu gelangen; als Folge davon beginnt die Ernte desselben im December des nächstfolgenden Jahres und dauert bis zum April. Es gibt in der Regel nicht mehr als einen Schnitt; doch habe ich ausnahmsweise Zuckerfelder dieser Sorte gesehen, welche 6–7 Jahre alt waren. Weil dies Rohr größtentheils in den waldlosen Gegenden gebaut wird, so kann der Pflug sehr oft benutzt werden, um die Furchen zu öffnen, und die Ausgaben bei Anlage neuer Felder sind folglich ziemlich unbedeutend. Man rechnet durchschnittlich 16–18 Stück ostindisches Rohr auf ein Pfund Zucker, wogegen man von dem otaheitischen Rohr viele findet, welche 12 Pfund wiegen und 3/4–1 Pfund Melado, oder im Destillirkessel 1/2 Flasche Branntwein geben. Während man das Otaheiti-Rohr zu allen Jahreszeiten pflanzen kann und dadurch den großen Vortheil hat, daß die verschiedenen Felder zu verschiedenen Zeiten zur Reife gelangen, und deshalb den Plantagenbetrieb so systematisch einrichten kann, daß das eine Feld gerade reif geworden, wenn von dem andern die Ernte eingebracht ist, und auf diese Weise während des ganzen Jahres zu verfahren vermag, so daß man die Mühle beständig in Gang hält, ist dies dagegen keineswegs mit dem ostindischen Rohre der Fall, woraus sich die große Unannehmlichkeit ergibt, daß sämmtliche Felder zu einer Jahreszeit reif sind, so daß man während 3–4 Monaten Tag und Nacht arbeiten muß, um das Rohr sämmtlich gemahlen zu bekommen.

Das gestreifte Zuckerrohr (Canna veteada) wird hauptsächlich im Oajaca-Thale gebaut. Es zeichnet sich nicht allein durch die Farbe, sondern auch durch den Mangel der lossitzenden stechenden Haare aus, welche man bei den andern beiden Arten findet. Es erreicht die bedeutende Länge von 18–21 Fuß, aber das Rohr ist sehr holzig, selbst das Mark ist’s, und es enthält deshalb nur wenig Saft. Die Cultur desselben wird mehr und mehr durch die Einfuhr der beiden vortheilhafteren Arten beschränkt. Die vierte Art Zuckerrohr, welche Canna reventador genannt wird, hat ihren Namen von der schlimmen Eigenschaft, daß die einzelnen Glieder des Rohres bereits im Felde aufspringen und der Saft in Gährung übergeht, so daß es, mit anderm guten Rohre ausgepreßt, leicht die ganze Saftmasse durch seine Säure verdirbt.

Wie beim Kornbau, so ist es auch beim Zuckerbau, indem nur Anpflanzungen im Großen einen bedeutenden Vortheil abwerfen. Jede Plantage, welche nicht 20,000 Arroben (à 1/4 Ctnr.) Zucker und darüber producirt, wird in Amerika kaum auf die Länge bestehen können, da ein großer Theil der Auslagen für die Einrichtung des Wohnhauses und der übrigen Gebäude gleich ist. Auf einer Plantage, welche in voller Thätigkeit ist, rechnet man gewöhnlich, daß der Verkauf des Syrups alle Betriebsunkosten deckt und daß der gewonnene Zucker sich als reiner Ueberschuß herausstellt. Da es nämlich selten ist, daß die Zuckerplantagen in Amerika sich gleichzeitig mit der Zuckerfabrikation und der Rumdestillation beschäftigen, so wird gewöhnlich der bei der Zuckerbereitung erhaltene Syrup an die Brennereien abgesetzt. In Mexico rechnet man deshalb eben so viele tausend Piaster Nettoeinnahme von einer Plantage, als sie Arroben Zucker producirt. Aber in diese Berechnung sind durchaus nicht diejenigen Summen gezogen, welche auf die Anlagen verwandt wurden, die natürlich sehr bedeutend sind. Deshalb wirft die amerikanische Zuckerproduction keinen so großen Vortheil ab, wie man nach einigen der oben angeführten Daten anzunehmen geneigt sein möchte. Nur eine kleine Anzahl der Colonisten besitzt die Fähigkeit, eine größere Zuckeranlage zu begründen, denn theils ist das Anlagecapital bedeutend (eine Zuckerhacienda auf die jährliche Production von 20,000 Arroben berechnet, kann nicht unter 70,000 Piaster eingerichtet werden), theils dauert es sieben Jahre, bis die Plantage volle Ausbeute gewährt. Wenn ich diese Verhältnisse näher erläutern sollte, so

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verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 591. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_591.jpg&oldid=- (Version vom 29.10.2022)