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verschiedene: Die Gartenlaube (1857)

vollkommen militairisch disciplinirt und uniformirt. Die Kleidung des gewöhnlichen Feuermannes ist eine blaue Tuchjacke mit Schooß, blauen Revers am Kragen und rother Passepoilirung, rotheingefaßte Achselklappe mit glatten Knöpfen; außer der grauen Tuchhose mit rother Binse noch eine graue Zwillichhose zum Ueberziehen und graue Drillichjacke. Um den Leib hat der Feuermann einen vier Zoll breiten Rettungsgurt aus Rindsleder, woran sich ein stählerner Rettungshaken, eine Fangleine im Ring, ein Handbeil in lederner Tasche, ein Nagelzieher und stählerner Schuh befinden. Das Haupt wird im Dienst durch eine Feuerkappe von schwarz lackirtem Leder mit rothem Streif und silberner Krone bedeckt und reicht bis tief in den Nacken hinab, denselben vor der Gluth und kleineren herabfallenden Gegenständen schützend. Die Spritzenleute haben dagegen einen zwillichenen Ueberrock mit einem Blechschilde auf der Brust, worauf die Abtheilungsnummer, und eine Kappe wie die Feuermänner, jedoch ohne besondere Abzeichen. Diese Kleidung ist eben so zweckmäßig als angenehm in die Augen fallend. Die höheren Grade tragen den blauen Waffenrock mit verschiedenen Abzeichen je nach ihrem Range. Jeder Feuermann darf nicht über vierzig Jahre alt sein und muß in der Armee gedient, eine einwöchentliche Probezeit bestanden und bei seiner Anstellung einen Eid durch Handschlag abgelegt haben.

Diese gesammte Mannschaft ist auf achtzehn Feuerwachen vertheilt, welche sich in den verschiedenen Stadttheilen befinden. Auf jeder dieser Wachen ist eine große fahrbare Spritze nebst Hakenleitern, Rettungssack und einer Rädertiene vorhanden, zu deren Bedienung ein Oberfeuermann mit vier Feuermännern und dem nöthigen Gespann gehören. Außerdem gibt es fünf Brandinspectionen; jede derselben enthält eine Maschinenleiter, einen Utensilien- und Wasserwagen, fünf Rädertienen und einen Personen-Transportwagen. Dazu gehören die nöthigen Feuermänner und 25 Spritzenleute, welche sich von zwei Uhr Mittags bis vier Uhr Morgens bereit halten.

Im Mittelpunkte der Stadt, Breitestraße Nr. 15, liegt endlich die Hauptstation mit 3 Personenwagen, einem Wasserwagen, zu deren Bedienung 2 Oberfeuermänner, 37 Spritzenleute und 20 Feuermänner permanent gehören.

Bricht nun in irgend einer Straße der Stadt Feuer aus, so geschieht die erste Meldung von dem betreffenden Constabler oder Nachtwächter, welche daselbst Wache halten, an den nächsten Wachtposten der Feuerwehr. Derselbe rückt dann sofort aus; die Fahrzeuge werden mit Blitzesschnelligkeit bespannt; die Rädertienen angehängt. In anderthalb, spätestens drei Minuten ist Alles zur Abfahrt fertig. Unterdeß gibt der elektrische unterirdische Telegraph, aus der Fabrik von Siemens und Halska hervorgegangen, die nöthige Meldung an die Centralstelle, welche sich im Mühlenhofe befindet. Zu diesem Behufe ist die ganze Stadt in sechs verschiedene Telegraphenkreise getheilt, welche je wieder in 6–9 Stationen zerfallen, die eben so untereinander wie mit der Centralstelle verbunden sind.

Der Personenwagen der Berliner Feuerwehr.

Derselbe Telegraph umspinnt zugleich mit seinen Drähten das königliche Schloß, die Polizei-Bureaux, die verschiedenen Ministerien, Casernen und die Post. Von jedem dieser Punkte aus fliegt eine Nachricht mit der Schnelle des Gedankens unbemerkt und ungehört dahin. So werden fast gleichzeitig sämmtliche Feuerwachen Berlins von dem Orte des Brandes und von dem Umfange desselben in Kenntniß gesetzt, ehe noch die nächsten Nachbarn eine Ahnung haben.

Man unterscheidet kleines, mittleres und großes Feuer; wird das Letztere signalisirt, so rücken sämmtliche Wachen mit ihren Spritzen aus. In der stillen Nacht oder am lärmenden Tage ertönt plötzlich der bekannte Klang der Signalglocke; die Vorübergehenden weichen zur Seite und flüchten auf das sichere Straßentrottoir, Droschken, Omnibusse und andere Wagen bleiben stehen und lassen die in leichten Federn hängende Wachtspritze vorübersausen. Im nächsten Augenblick erschallt von Neuem das Signal und im raschen Fluge folgen die fünfzig Fuß lange Maschinenleiter, der große Utensilienwagen, der einem Kasten gleicht, der Wasserwagen mit der großen hölzernen Tonne, welche über 50 Kubikfuß Wasser faßt und so eben erst frisch gefüllt worden ist. Den Beschluß bildet der Personenwagen, ein offener Omnibus mit drei langen Bänken, auf denen 30 Feuermänner und Spritzenleute unter Anführung ihrer Vorgesetzten Platz genommen haben.

Es ist ein wunderbarer Anblick, diese kräftigen, todesmuthigen Gestalten so frohen Sinnes der Gefahr entgegenstürzen zu sehen, besonders des Nachts, wenn die rothe Fackelgluth die ausdrucksvollen Gesichter wie ein Rembrandt’sches Bild beleuchtet. Wie ein Phantom, wie eine Geistererscheinung flieht das wilde Heer an uns vorüber und ist im nächsten Augenblick verschwunden und in dichte Finsterniß gehüllt. Wir eilen so schnell als möglich nach und gelangen natürlich weit später an die Stelle, wo das Feuer ausgebrochen ist. Die helle Flamme schlägt zum Himmel empor, dunkle Dampfwolken vor sich hertreibend. Es ist ein Speicher, worin das Feuer bereits wüthet, die benachbarten Häuser sind augenscheinlich in Gefahr mit ergriffen zu werden, da fortwährend ein Funkenregen und brennende Stücke auf sie niederstürzen.

Unterdeß hat ein Theil der Mannschaft und die betreffenden Constabler die Straße und besonders die Brandstätte mit ihrer nächsten Umgebung abgesperrt, so daß jedem Unberufenen der Zutritt versagt wird.

Sobald das Feuer erkannt, das heißt: der Sitz desselben und die Localität, so wie die Beschaffenheit genügend festgestellt ist, wird dasselbe in Angriff genommen. Das Commando ertönt, welches gewöhnlich mit einer Pfeife gegeben wird, die einen höheren scharfen und einen niederen tiefen Ton besitzt. Die Spritze hält; es wird abgesträngt und die Deichsel herausgenommen. Vier Mann sind an dem Schlauche angestellt und zehn Spritzenleute sorgen fortwährend für Zufuhr des Wassers.

Jetzt beginnt die Thätigkeit der Feuerwehr. Mit bewunderungswürdiger Präcision wird der mächtige Wasserstrahl in die glühende Lohe hineingeleitet, welche zischend das ihr feindliche Element empfängt. Aber die Flamme findet fortwährend neue Nahrung und spottet jeder Anstrengung, sie bricht sich neue Bahnen und ergreift das darüber liegende Stockwerk. Wie eine Schlange, begierig auf Beute, eilt der Spritzenschlauch ihr nach, er dehnt

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verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 602. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_602.jpg&oldid=- (Version vom 4.11.2022)