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verschiedene: Die Gartenlaube (1857)

war ein Gemisch von Lichtschimmer und Mondenglanz, der es erfüllte. Diese Helligkeit nahm man aber nur kurze Zeit wahr; denn langsam schob sich ein breiter Schatten zwischen Fenster und Licht, bis ersteres fast ganz davon bedeckt ward, und das Innere des Zimmers von Dunkel erfüllt sich zeigte. Das Bibliothekzimmer dagegen flimmerte fortwährend in derselben Beleuchtung, wie zuvor. Dies währte einige Minuten, dann verschwand der Schatten wieder langsam, und im Bibliothekzimmer ward abermals ein unförmliches Schattenbild sichtbar. Hierauf erlosch das Licht, um nach wenigen Secunden rückwärts durch die Flucht der Zimmer des neuen Schloßbaues zu gleiten.

„Es ist genau die Erscheinung der Nacht, in welcher Ottwald Hornburg sich den Tod trank,“ betheuerte Caspar abermals.

Mit Absicht überließ man Cesar Hornburg einige Tage der Einsamkeit und stillem Nachdenken. In dieser Zeit war man nicht müßig, um die bereits gegen ihn zeugenden schweren Thatsachen noch durch Ermittelung neuer zu vermehren. Worauf man bei Eröffnung des Processes wenig geachtet hatte, die Jahre lang zwischen dem älteren Hornburg und seinen jüngeren Halbgeschwistern bestandene heftige Feindschaft, der Proceß um die Erbschaft, welcher von allen Instanzen zu Ungunsten Cesar’s entschieden worden war, die nunmehr plötzlich zur Schau getragene Freundlichkeit des Letzteren, die mit einer gänzlichen und, wie es schien, auch redlich gemeinten Versöhnung schloß; endlich die seltsamen Ereignisse auf der Jagd, die jetzt abermals zur Sprache kamen, und das auf dieselbe folgende Erkranken Ottwald’s, das mit Erbrechen begann: dies Alles waren schwere Indicien, die Cesar eines wohl überdachten Mordes an dem ungeliebten Bruder laut anklagten. Auch das Benehmen gegen Cornelie, das mit einem abermaligen Bruche zwischen beiden Halbgeschwistern endigte, konnte nicht zur Verminderung des Verdachtes, der auf Cesar lastete, beitragen. Es ging vielmehr aus Allem hervor, daß Cesar Hornburg, erbittert über die seinen Händen entschlüpfte reiche Erbschaft, für deren alleinigen rechtmäßigen Besitzer er sich in seinem habsüchtigen Eigendünkel hielt, zum Morde seine Zuflucht genommen hatte, um sich doch zum Theil in den Besitz der Güter zu setzen, die er allein beanspruchte.

Die Verhöre, welche der Gefangene zu bestehen hatte, führten zu keinem Resultate. Er hüllte sich in ein so hartnäckiges Schweigen, daß kaum die einsilbigsten Antworten von ihm zu erlangen waren. Weder die Vorstellungen des Untersuchungsrichters, noch das Vorhalten der Verdachtsgründe, die ihn vor jeder Jury verurtheilt haben würden, änderten etwas in dem Benehmen des starrsinnigen Mannes.

So vergingen einige Wochen. In dieser Zeit war die Voruntersuchung, oder vielmehr das zur Eröffnung des neuen Processes vorhandene reiche Material so weit geordnet, daß die Verhandlungen vor dem Geschwornengericht beginnen konnten. Da der Gefangene sich entschieden weigerte, selbst einen Vertheidiger sich zu wählen, so ward ihm einer der bedeutendsten Rechtsgelehrten als solcher von Staatswegen zugewiesen.

Mit scheinbarer Gleichgiltigkeit sah Cäsar Hornburg diesen Vorbereitungen zu. Er ließ geschehen, was er nicht hindern konnte. Dagegen trat er in allen Dingen, wo sein eigener Wille den Ausschlag zu geben hatte, mit einer Schroffheit auf, die seinen unversöhnlichen, finstern, versteckten und rachsüchtigen Charakter nur zu deutlich verrieth. Er weigerte sich entschieden, seine Halbschwester Cornelie zu sehen und zu sprechen. Sein Auge funkelte vor Ingrimm, so oft man ihren Namen in seiner Gegenwart nannte.

Am Vorabende des Gerichtstages, der über Cesar Hornburg’s Schicksal entscheiden sollte, ließ Cornelie den Bruder noch einmal um eine kurze Unterredung bitten. Auch diese letzte Bitte blieb erfolglos. Niedergeschlagen ging das bedauernswerthe Mädchen, dem ein grausames Geschick auch den zweiten Bruder rauben sollte, von dannen. Cesar Hornburg begehrte allein zu sein. Er bat um Schreibmaterialien, da er noch Einiges zu notiren habe. Gern erfüllte man ihm diesen Wunsch.

Der Gefangenwärter hörte ihn lange noch in seiner Zelle auf- und abgehen. Auch vernahm er einige Male dumpfes Gemurmel und schwere Seufzer. Dann ward es still.

Am nächsten Morgen fand man Cesar Hornburg todt auf seinem Lager. Er hatte verborgen gehaltenes Gift genommen. In einem an den Präsidenten des Gerichtes adressirten Briefe bekannte er sich des Mordes schuldig, ohne jedoch eine Spur von Reue zu zeigen.

„Ich war ein unüberlegter Thor,“ hieß es in dem Schreiben, „daß ich die Wirkungen des Lichtes nicht berechnete. Ohne den verhängnißvollen Schatten würde der Verdacht nie auf mich gefallen sein. Da ich nun voraussehe, daß die Geschworenen bei der Wucht der gegen mich zeugenden Verdachtsgründe ihr „Schuldig“ über mich aussprechen werden, und ich demnach einer Verurtheilung nicht entgehen kann, ziehe ich einen freiwilligen Tod dem vom Gesetz dictirten vor.“

Anna erhielt an demselben Tage ihre Freiheit. Cornelie stattete sie reich aus, als sie einige Monate später dem Knappen ihre Hand reichte, und schenkte ihr die Sägemühle im Thale.

Caspar widmete sich von Stund’ an ganz der Architektur, erhielt zu diesem Behufe freigebig Unterstützung von Cornelie, und später den Auftrag, eine Aenderung im Schloßbau vorzunehmen.

Die verborgene Thür ward entfernt, und die Bibliothek mit Ottwald’s Sterbezimmer in eins verbunden.

Hier lebte Cornelie unter Büchern, mit Verwaltung ihrer Güter beschäftigt, lange Jahre, zurückgezogen von der Welt, und stets in Trauerkleidung gehüllt. Sie zeichnete sich durch Milde und Wohlthätigkeit aus, die sie in so ausgedehntem Maße übte, daß es schon nach wenigen Jahren auf ihren Besitzungen keinen Armen mehr gab.




Skizzen von der Ostküste Afrika’s (Zanguebar).

Von Ernst Lechner.[1]
1. Der Untergang eines französischen Kauffahrteischiffes und ein französischer Kriegszug.

Noch waren Meer und Land von den dunklen Schatten der Nacht umhüllt, als von einem einförmigen Gesang begleitet sich das tactmäßige „Tik-Tak“ des Spills vernehmen ließ, welches den zweiten Anker des französischen Kauffahrteischiffes „Jacques Laffitte“ dem Meeresgrunde enthob.

Die über dem Lande stehenden Nebelmassen färbten sich gelber und immer greller, und plötzlich erschien die Sonnenscheibe, noch umschleiert von den Morgendünsten, am Horizont. Wie gewöhnlich in tropischen Breiten, erhob sich auch heute mit Erscheinen der Sonne ein leichter Morgenwind, der die Nachtdünste hinwegjagte, so daß bald die ganze Scene von unumflortem Lichte umstrahlt war. Mittlerweile hatte die Bemannung des „Jacques Laffitte“ nicht geruht; sämmtliche Segel waren gelöst und bereit gehißt zu werden, und der letzte Anker enthob sich dem Grunde. Mit den Producten der Küste beladen, wollte sich das Schiff den heimischen Gestaden zuwenden, und der am Verschiffungsplatze lebende französische Agent und ich beabsichtigten, den Capitain des absegelnden Schiffes bis in freie See zu geleiten, um dann in Booten nach unserm Aufenthaltsort L. zurückzukehren. Der Agent hatte dem Capitain M. einen einheimischen Piloten mitgegeben, um das Schiff bis in freie See zu lootsen, der in arabischer Sprache die letzten Befehle zum Lichten, ertheilte.

Die gefahrvolle, von Klippen und Untiefen besäete Straße war meist passirt, und schon breitete sich die offene See vor unsern Augen aus, da rief plötzlich der Capitain M. mit herzzerreißender Stimme: je touche! ò mon dieu, je touche! – Nichts ist schrecklicher für den Seemann, als zu fühlen, wie der Kiel berührt und


  1. Der Verfasser dieser Skizze war drei Jahre an der Ostküste Afrika’s stationirt und wird uns dann und wann mit einigen Mittheilungen aus dem reichen Schatze seiner Erfahrungen erfreuen.
    D. Red. 
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 711. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_711.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)