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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858)

Allgegenwart des Salzes auf Erden. Bei der Unentbehrlichkeit des Salzes konnte die Erde nur bewohnbar sein, wenn dasselbe auf der Oberfläche überall zu finden war, und daß dem so ist, weiß Jedermann. Auch ist bekannt, daß es in drei ganz allgemeinen Formen aufzutreten pflegt, als Steinsalz, Soolquelle und Weltmeer. Mit Steinsalz sind die Berglandschaften versehen, mit Soolquellen die Abdachungen und Mittelstufen, während die fruchtbaren thonigen Marschebenen, in denen keine Quellen mehr aufsteigen, an das benachbarte Meer gewiesen sind. Die großen niedrigen Binnenländer, welche nicht regelmäßig nach dem Meere hin abdachen, sehen sich durch das minder allgemeine Vorkommen des Steppen- und Wüstensalzes versorgt, und die vulcanischen Districte, die gewissermaßen noch kein Bergland, sondern ein werdendes Bergland darstellen, empfangen ihre Gabe aus den Kratern und Feuerschlünden als Sublimation und als Auswurf. Ja was noch mehr sagen will, auch die Luft wird zur Trägerin des Salzes gemacht, um es allgemein zu verbreiten und das Dasein der lebendigen Welt überall zu gestatten. Mit Recht überrascht uns die Beobachtung, daß das Vieh, dessen Salzbedürfniß doch physiologisch bestimmt nachgewiesen ist, selbst da gedeiht, wo ihm eigentliche Salznahrung nicht geboten wird. Es muß daher in der Regel einen wenigstens ausreichenden Ersatz seines täglichen Salzverlustes und das für einen gewöhnlichen Stoffwechsel erforderliche Quantum auch in dem scheinbar ungesalzenen Futter vorfinden.

In der That treffen wir in fast allen Culturpflanzen und der größeren Zahl der wild wachsenden das Kochsalz als einen Bestandtheil der Asche an, wodurch sich eben so bestimmt, wie durch die directen Analysen selbst, eine allgemeine Verbreitung in der fruchtbaren Ackerkrume kundgibt.

Auch die Pflanze, um es kurz zu sagen, hat im beschränkteren Maße ein Bedürfniß nach Kochsalz; und indem sie es hat und befriedigt, sorgt sie für den Salzbedarf derjenigen Thiere, denen die Pflanze als Nahrung dient. Wir erkennen hierin einen Schritt in dem ewigen Kreislauf des Stoffes.

Das grüne Irland, England und die cimbrische Halbinsel, diese unter steten Seewinden liegenden Länder, deren Graswüchsigkeit, da sie die Trefflichkeit der Rinder bedingt, ein Neid der Nachbarländer ist, verdanken sie theilweise dem leichten Salzstaube, der unausgesetzt auf sie niederfällt, und den zwar andere Länder Europa’s auch, aber wenige in solchem Maße empfangen.

Die Brandung der Küste zerschlägt das salzige Meerwasser in Schaum, dessen Bläschen wie Nebel von den an der Küste senkrecht aufsteigenden Winden emporgerissen werden. Wer sich dem feuchten Winde aussetzt, sieht sich alsbald von einer weißen Salzkruste überzogen, und die Fensterscheiben der Häuser, selbst meilenweit von der Küste, werden blind durch einen salzigen Beschlag.

Aber nicht blos, wo die Nebelbläschen an feste Körper anschlagen, sondern auch in der freien Luft verdampft das Wasser derselben, und anstatt des einen Bläschens, das hohl und doch schon so klein war, bleibt nur 1/30 desselben dem Gewichte, 1/60 dem Maße nach, zu unzähligen Würfeln zersplittert, daher unsichtbar, selbst dem Mikroskope unerreichbar klein, schwebend in der Luft zurück, und hat seiner Kleinheit halber nicht Gewicht genug, die Luft zertheilend, zu Boden zu fallen, sondern wird mit den Winden durch die ganze Welt getragen, und in Regen, Schnee und Thau der Pflanzenwelt ununterbrochen zugeführt. Aber so gering die Gabe für jede einzelne Pflanze, so groß ist sie das ganze Jahr hindurch für die gesammte Pflanzendecke eines Landstriches.

Der Salinendirector Brandes in Salzuflen hat durch Versuche nachgewiesen, daß auf eine Quadratmeile westphälischen Landes mehr als eine Million Pfund Kochsalz alljährlich mit dem Regen niederfällt.

Auch diese Thatsache hat wieder ihre ökonomische Seite. Denn da die Binnenländer weniger Salz aus der Atmosphäre empfangen, als die Küstenstriche, so lehrt uns die Natur handgreiflich, ihren Bestrebungen zur Hülfe zu kommen. Mit Maß gegeben, wirkt selbst in England das Kochsalz noch als ein Dünger, der besonders einen vermehrten Körnerertrag hervorruft; mit Maß gegeben, zwingt es den ungesunden Moorboden, wohlschmeckende Gräser hervorzutreiben, wie es der Umkreis der Salzquellen lehrt, welche so häufig in moorigen und sumpfigen Wiesen entspringen; mit Maß gegeben, wirkt es auf einige Culturpflanzen, wie den Spargel und den Flachs, sogar specifisch treibend, und indem selbst ein geringeres Maß schon einigen dem Landwirth unwillkommenen Pflanzen von niederer Organisation feindlich ist, verjagt es von den Wiesen das Moos und die Pilze, und zuletzt, bei beharrlicher Anwendung, sogar die schädlichen Schachtelhalme (Equiseten).

Daher wird denn nicht blos in England, sondern mehr oder weniger überall, wo einsichtsvolle Landleute thätig sind, das Salz auch zum Düngen gebraucht (seit urältesten Zeiten in China, nach den Berichten von Plinius auch im alten Rom), indem man, den Fingerzeig der Natur beachtend, die seine Vertheilung, welche sonst schwer zu erreichen sein würde, dadurch bewirkt, daß man es in anderweitig gesammelte Dünger- und Composthaufen streut und sich vorher in diesen auflösen läßt, oder es auf die Brache bringt, wo der Pflug und der Wechsel der Witterung die völlige Vertheilung im Boden bewirken.




Schmidt-Weißenfels veröffentlicht in der neuesten Nummer der von ihm redigirten Zeitschrift: „Kritische Blätter für Literatur und Kunst“ (Prag) einen vortrefflichen Artikel über Lenau, dessen Doppelnatur mit haarscharfen Strichen eben so richtig wie poetisch gezeichnet wird. Geist und Frische läßt sich überhaupt den „Kritischen Blättern“ nicht absprechen, und selbst der sehr ausführliche Artikel über Julian Schmidt, wenn sich auch über die Richtigkeit einzelner Aufstellungen streiten läßt, war mit Verstand und großem Fleiß geschrieben. Daß Schmidt-Weißenfels nicht nur Kritiker, sondern auch schaffender Autor ist, hat er vor Kurzem wieder durch seine „Memoiren“ bewiesen. So viel wir hören, arbeitet er jetzt an einer umfassenden Biographie des in neuerer Zeit wieder vielgenannten Publicisten Fr. v. Gentz.




Wie man gesuchter Arzt wird. Ein junger deutscher Arzt in Paris, den wir Albert nennen wollen, saß vor einigen Jahren mit einer reizenden deutschen Baronin plaudernd vor dem Kamine. Ersterer, damals noch ein unbekannter, kaum bemerkter Anfänger, klagte über die zahllosen Schwierigkeiten, die sich dem Beginne einer Laufbahn entgegenstellen, welche man mit Glanz und Erfolg durchwandern möchte. Die Baronin suchte ihn zu ermuthigen.

„Sie haben,“ sagt sie ihm, „Geist, Talent und ernsten Willen, der Erfolg kann nicht ausbleiben.“

„In Deutschland wohl,“ erwiderte der Doctor, „aber in Paris ist dies nicht so wohlfeil. Hier gleicht die öffentliche Meinung einer Coquette, die man durch wahres Verdienst und gute Eigenschaften seltener, als durch jene geschickten Züge gewinnt, welche die sogenannten Glücklichen bei leichtfertigen Frauen zur Anwendung bringen.“

„Nun, lieber Freund, diese Eroberungskunst scheint Ihnen nicht fremd zu sein; man sei artig und mache der Ruhmesgöttin den Hof!“

„Ja! Wenn Sie mir beistünden!“

„Ich?“

„Ja, Sie – eine Frau, jung, schön, von hohem Range, würdige Trägerin eines edlen Namens, ist eine mächtige Bundesgenossin auf dem Felde, auf dem ich mein Glück suche.“

„Aber – Sie wissen ja, daß ich wenig in die große Welt komme, noch weniger dort gelte und Paris ohnehin bald verlasse, weil ich, nach dem Wunsche meiner Familie, schon in der ersten Zeit meines Wittwenstandes mich zu einer Verbindung mit einem reichbegüterten und edeln Manne entschloß. Nach Wien können Sie mir nicht folgen, dies würde mir, ohne Nutzen für Sie, üble Nachreden bereiten, denn, wie Sie selbst sagten, ist in Deutschland weibliche Empfehlung nicht hinreichend, um Glück und Ruhm eines jungen, freundlichen Arztes zu begründen.“

„Sie können also weder in Paris noch in Wien Etwas für mich thun?“

„Nein! Doch halt! Vielleicht dennoch! Ein feines Mittel, geschickt angewendet! Lassen Sie mich handeln, vertrauen Sie mir!“

Etwa drei Monate nach diesem Zwiegespräche – die Saison in Baden-Baden war bereits in ihrem höchsten Glanze – las man in Baden die Ankunft unserer Baronin; man erzählte sich von ihr interessante Dinge mit romantischem Beigeschmacke. Unsere wunderschöne, hochgeborene Wittwe, um welche sich hohe Herren bewarben, hatte gewählt und war im Begriffe, eine neue Verbindung einzugehen, als eine plötzliche schwere Krankheit sie an den Rand des Grabes brachte. Von den Pariser Aerzten aufgegeben, wollte sie in Deutschland in Baden sterben.

Wie natürlich sprach man in der hohen Gesellschaft Badens von dem Unglücke der edeln Dame, als man im Badeblatt ihre Ankunft las. Von diesem Tage an wurden die jungen Spaziergänger ihren gewöhnlichen Promenaden untreu und wanderten schaarenweise nach der Seufzer-Allee, wo man für die schöne Kranke ein zierliches Haus eingerichtet hatte.

Am darauf folgenden Tage wollte sie zur Mittagszeit einen kleinen Spaziergang in den Park wagen; mit Anstrengung stieg sie aus der reich gepolsterten und mit Wappen geschmückten Kalesche; Alles kommt, um sie zu bewundern und zu bemitleiden. Langsam, an den Arm ihrer Zofe gestützt, wankt sie einher, doch ist ihr Anzug reizend.

Die Aerzte Badens und der benachbarten Städte werden zu Rathe gezogen, das Uebel und seine Heilung werden in gründlichem Latein studirt; vergebens! Der Ausspruch lautet: daß die Baronin höchstens noch einen Monat zu leben habe.

Gerade als diese Meinung der Aerzte bekannt wurde, kam ein junger Doctor – Albert – aus Paris an; er erzählte, daß man für die Baronin seinen ärztlichen Beistand erbeten, daß er sie gesehen und zu retten hoffe.

Jetzt wurde unser Doctor Albert ein Mann von Wichtigkeit, man hörte auf ihn, während die Aerzte Badens behaupteten, er sei ein Marktschreier und die Rettung der Baronin eine Unmöglichkeit.

Der Monat ging vorüber und wer nicht starb, war die Baronin; schmachtend zwar und schwach, aber täglich erschien sie auf der Promenade. Allmählich ging es besser und besser, und eines schönen Abends erklärte sie dem Doctor nach einem gemüthlichen Diner:

„Nun ist, glaube ich, meine Rettung außer Zweifel!?“

„Ja, geliebte Patientin,“ erwiderte der Doctor. „Sie sind vollkommen gesund, und haben ein Recht auf meine ewige Dankbarkeit, denn Sie haben eine ziemlich schwere Rolle zu meinem Benefiz gespielt.“

„Von morgen an erscheinen Sie als wiedergenesen! Die künstliche Blässe weicht der natürlichen blühenden Farbe Ihres Engelgesichtes, Ihr allzulang verschleiertes Auge strahlt in neuem Glanze und Leben. Gekräftigt, schöner und glänzender, als je, kehren Sie in die große Welt zurück, und mir gebührt der Preis dieses herrlichen Geschenkes!“

Daß nach solcher Wundercur Doctor Albert in kurzer Zeit einen hohen Ruf erzielte, versteht sich von selbst; er wurde der Arzt der Mode, und manche schöne Dame wurde nur gerade deshalb krank, um sich von ihm retten zu lassen. Vorzugsweise war er der Arzt der zahlreichen Pariserinnen, welche sodann in Paris seinen Ruhm verkündeten. Glück, Ehre, reicher Lohn krönten von jetzt ab seine Laufbahn.



Geschmackvolle Decken mit Golddruck zum Jahrgang 1857 sind zum Preise von 13 Ngr. so eben eingetroffen.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858). Leipzig: Ernst Keil, 1858, Seite 16. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1858)_016.jpg&oldid=- (Version vom 22.6.2020)