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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858)

konnte sie selbst verhindern, vor dem Gesehenwerden glaubte sie sich ohne Zweifel durch die Einsamkeit der Gegend geschützt. Gewagt bleibt ihre Handlungsweise immer, und gewagt ist die Wahl der Waldwohnung überhaupt, denn so sorgfältig ließ sich die Spur von Fenstern und Thür nicht verdecken, daß eine genaue Untersuchung nicht Ritzen und Fugen von einer verdächtigen Regelmäßigkeit der Gestalt hatte entdecken müssen. Gewagt wird eben bei jedem Verbrechen, und hier war das Wagniß nicht einmal besonders groß. In Gegenden, wo es weder Holzleser noch Spaziergänger gibt, ist in einem großen Walde manche Stelle, die noch nie der Fuß eines Menschen betreten hat. Sind doch sogar im Harze einmal Jahre vergangen, ehe man die Leiche eines Vermißten, dessen Ermordung mit Recht angenommen wurde, in einem Walddickicht aufgefunden hat.

Bertha öffnete an jedem Morgen die Fensterdeckel, und legte sie an jedem Abend nieder. Wie sie dabei verfuhr, scheint Caroline nicht zu wissen. Schwierigkeiten konnten beide Proceduren nicht machen, eine Stange mit einem Haken genügte, um die Deckel aufzustoßen und niederzuholen. Eine mit Moos bewachsene Holztafel von 1½ Zoll Durchmesser ist leicht. Wie fand der Rauch seinen Abzug? Durch die Fenster gewiß nicht, denn dann würde Caroline Augenschmerzen und andere Unannehmlichkeiten gehabt haben, wovon sie schweigt. Aber sie hat kein Ofenrohr gesehen, könnte man, um ihre Glaubwürdigkeit zu verdächtigen, einwenden. Da sie keine technologischen Kenntnisse besaß und Bertha, wie aus Allem hervorgeht, nicht blos ihre geistige Entwickelung, sondern auch ihre Theilnahme an praktischen Dingen niederzuhalten bemüht war, so kann ein Ofenrohr dagewesen sein, ohne daß Caroline es bemerkt hat. Leitete dieses Ofenrohr aus ihrer Stube in die daneben liegende Küche, so brauchte man für den Rauch der ganzen Waldwohnung nicht mehr als einen einzigen Ausgang, dessen, obere schmale Mündung sowohl Carolinens Beachtung entgangen, als zum Schutz gegen eine zufällige Entdeckung durch Fremde gut versteckt gewesen sein kann. Sonderbar ist die Anwesenheit des Hundes Uedusch in der Waldwohnung. Hunde verrathen sich durch Bellen, und das ist der Grund, weshalb die Diebe und andere Verbrecher keine führen. Wurde Uedusch unter der Erde so eingesperrt, daß man sein Bellen oben nicht hören konnte, und hielt Bertha ihn etwa deshalb, damit er, falls bei ihren Spaziergängen mit Carolinen Menschen herankämen, diese schon von fern anzeige und einen rechtzeitigen Rückzug ermögliche?

(Schluß folgt.)
Die Feuerzeuge.
Von Berthold Sigismund.

Durch Nichts hat der Mensch seinen Adel, der ihn zum Herrn der Erde bestimmt, deutlicher bewiesen als dadurch, daß er das Feuer beherrschen lernte. Wer betritt die Räume einer Eisenschmelzerei oder den Heizraum einer Dampfmaschine, ohne daß in ihm anklingt der stolze Spruch des Sophokles: „Vieles Gewaltige lebt, doch das Gewaltigste ist der Mensch!“ Aber nicht nur in der Kunst, mit der er das mächtige Element zu seinem Diener erzog, erprobte der Mensch seine Herrscherkraft; ebenso sehr, vielleicht noch mehr bewährte er dieselbe durch die Fähigkeit, jenen dienenden Geist augenblicklich, wie durch einen Zauberspruch, aus dem Nichts hervorzurufen. Der Knabe begehrt eine Flamme, er ergreift ein einziges Stäbchen Holz, streicht es an der Wand und fast so rasch wie der Gedanke ist die Flamme da.

So folgsam ist indeß das dienende Element erst seit einem Menschenalter geworden; erst in unserer Zeit hat der Mensch den wahren Zauberspruch erfunden, der den Salamander zu augenblicklichem Gehorsam zwingt.

Wie anders war das in alter Zeit! Da mußte der Mensch mit größter Anstrengung seiner Körperkraft förmlich mit dem dämonischen Diener ringen, ehe dieser seine Dienste leistete. Auf welche Weise der Mensch gelernt, das Feuer herbeizubeschwören, ist ebenso unergründet, als die Entstehung der Sprache; die griechische Sage erklärt es durch den Diebstahl, den Prometheus an einem göttlichen Vorrechte ausübte. Aber ein solches Herunterholen der Flamme konnte, wie der Blitz oder die Flamme der Vulcane und Naphthaquellen, nur lehren, Feuer mitzutheilen, nicht aber Feuer entstehen zu lassen. Das Feuerzünden ist und bleibt eine Heldenthat des menschlichen Geistes, und sein Werth wird dadurch nicht verringert, daß alle, selbst die rohsten Völkerstämme diese Kunst verstehen.

Daß zwei an einander geriebene Holzstücke sich erwärmen, war eine zufällige Beobachtung, die sich den Urmenschen aufdrängte; aber wie eisern muß der Wille desjenigen gewesen sein, der zuerst, um zu sehen, wie weit sich diese Wärme steigern lasse, zwei Holzstücke so lange zusammenrieb, bis sie rauchten und brannten! Kein Europäer ist im Stande, mit dem Reibfeuerzeuge der Wilden Feuer zu machen, selbst der Drechsler bringt das in der Drehbank leicht und schnell gedrehte und mit einem hölzernen Meißel geriebene Holz nur zum Verkohlen und Rauchen, nie zur hellen Flamme. Auch dem kräftigen Wilden ist das Feuermachen keine leichte Aufgabe, er muß als Knabe und Jüngling wohl ebensoviel Fleiß und Zeit auf die Erlernung des Feueranreibens verwenden, als der civilisirte Knabe auf die Erlernung des Schreibens, und um sich die höchst anstrengende Arbeit zu sparen, sucht man das Heerdfeuer ununterbrochen zu erhalten oder borgt beim Nachbar einen Feuerbrand. Die Sitte, in den Tempeln „ewige Feuer“ zu unterhalten, entstand wahrscheinlich aus dem Bewußtsein der Schwierigkeit, Feuer zu zünden. Und nicht blos rohe Wilde (wie noch heutiges Tages die Bewohner der Carolinen und Aleuten) sind auf das mühselige Reibholz beschränkt, auch die Völker, denen wir einen großen Theil unserer Bildung danken, hatten in der ältesten Zeit kein besseres Feuerzeug. Homer, der die Kochgeschichte seiner Heroen so anschaulich und appetitlich schildert, erwähnt zwar nicht, wie sie zur Flamme kamen; aber Theokrit beschreibt, wie die Mannschaft von Kastor und Polydeukes dadurch Feuer zündet, daß sie „die Feuerhölzer mit den Händen reibt.“

Unsere deutschen Urväter sind vielleicht von frühester Zeit an im Besitze eines vollkommeneren Feuerzeugs gewesen; denn der Gedanke, Steine als Feuersteine zu verwenden, mußte sich den Völkern, deren Land nicht (wie es auf den Koralleninseln des großen Oceans der Fall ist) der Kiesel entbehrte, ungesucht darbieten, wenn sie sich Steine zu Hämmern und Aexten klopften und schliffen und dieselben Funken sprühen sahen. Als Zunder bot sich Pflanzenmark, mulmiges Holz und Linnenfaser wie von selbst an. Die Erfindung des Feuerstahls dagegen bleibt ein halbes Wunder, und wie über alle größten Erfindungen läßt uns die Geschichte auch über diese im Stiche. Virgil läßt den Begleiter des Aeneas „Funken aus dem Kiesel schlagen und dann den Zunder mit dürrem Laube schwenken.“ Wenn diese Angabe auch ein Anachronismus ist (an denen es bei Virgil so wenig fehlt, wie bei den altdeutschen Malern, welche die Apostel mit Brillen darstellen), so erhellt doch daraus so viel, daß die Erfindung des Feuersteins schon geraume Zeit vor dem Anfange der christlichen Zeitrechnung gemacht sein müsse.

Dieses Stein- und Stahlfeuerzeug blieb nun gegen zweitausend Jahre das einzige, allgemein verbreitete Mittel zum Feuerzünden, und hat wohl bei den Meisten als Non plus ultra-Feuerzeug gegolten. Denn der uralte Brennspiegel und das Brennglas, ferner das im achtzehnten Jahrhundert von Dumotiez erfundene Luftfeuerzeug, in dem die zusammengepreßte Luft Wärme entwickelt, und das elektrische Feuerzeug Brander’s, welches durch einen elektrischen Funken Wasserstoffgas entzündet, sowie das im neunzehnten Jahrhundert erfundene Döbereiner’sche Feuerzeug waren, so herrliche Proben menschlicher Erfindungsgabe sie auch liefern, nicht geeignet für den allgemeinen Gebrauch. Ihre Anwendung beschränkte sich entweder auf die physikalischen Hörsäle oder auf die Zimmer der Reichen, welche zu experimentiren liebten, und jetzt findet man sie fast nur noch in physikalischen Cabineten.

Die ungeheuere Mehrzahl der civilisirten Menschen handhabte ausschließlich das Reibfeuerzeug aus Stein und Stahl, welches in seiner Wirksamkeit den Reibhölzern der Wilden vollkommen

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858). Leipzig: Ernst Keil, 1858, Seite 41. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1858)_041.jpg&oldid=- (Version vom 23.2.2020)